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OVG Berlin-Brandenburg

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Zitieren als:
OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.02.2020 - 3 B 37.19 (Asylmagazin 9/2020, S. 320 f.), ähnlich: 3 B 22.19 - asyl.net: M28320
https://www.asyl.net/rsdb/M28320
Leitsatz:

Nichterscheinen zur Selbstgestellung führt nicht zur Verlängerung der Überstellungsfrist:

Kommt eine Person, die abgeschoben werden soll, einer Aufforderung zur Selbstgestellung nicht nach, ist sie grundsätzlich nicht flüch­tig im Sinne von Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO. Die Überstellungsfrist verlängert sich deshalb nicht.

(Leitsätze der Redaktion; ähnlich OVG Hamburg, Beschluss vom 05.06.2019 - 4 Bf 53/19.AZ - asyl.net: M27341)

Schlagwörter: Dublinverfahren, Überstellungsfrist, Fristverlängerung, flüchtig, Selbstgestellung, Mitwirkungspflicht, Untertauchen,
Normen: VO 604/2013 Art. 29 Abs. 2, AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a), AufenthG § 82 Abs. 4, AufenthG § 46 Abs. 1, VO 1560/2003 Art. 7 Abs. 1
Auszüge:

[...]

25 Einer Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate steht hier jedoch Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO entgegen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lagen nicht vor, weil der Kläger nicht flüchtig war. [...]

26 [...] Wird die Überstellung wegen fehlender Mitwirkung oder mangelnder Kooperation des Asylbewerbers bei fortbestehendem behördlichem Zugriff lediglich erschwert, sodass die zuständige Behörde im Rahmen der Vollstreckung z.B. zusätzlichen Aufwand betreiben muss, rechtfertigt dies noch nicht die Annahme, der Betreffende sei flüchtig. Seine Überstellung bleibt vielmehr möglich. [...]

29 Ebenso wenig ist relevant, ob ein Asylbewerber aufgefordert worden ist, sich an einem festgelegten Tag zur Durchführung der Abschiebung an einem behördlich bestimmten Ort einzufinden (sog. Aufforderung zur Selbstgestellung). Allein ein Verstoß hiergegen führt noch nicht dazu, dass die zuständige Behörde keinen Zugriff auf den Asylbewerber (mehr) hat und deswegen seine Überstellung unmöglich ist. Vor diesem Hintergrund kann die Rechtmäßigkeit der Aufforderung dahinstehen. [...]

33 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ein gezieltes Entziehen und somit ein Flüchtigsein grundsätzlich nur in Betracht kommt, wenn die Überstellung eines Asylbewerbers deswegen scheitert, weil sein Aufenthaltsort den zuständigen Behörden unbekannt ist (vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019 – C- 163/17 – juris Rn. 70; VGH Kassel, Beschluss vom 12. September 2019 – 6 A 1495/19.Z.A – juris Rn. 9; OVG Hamburg, Beschluss vom 5. Juni 2019 – 4 Bf 53/19.AZ – juris Rn. 23). [...]

35 Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Kläger nicht deshalb als flüchtig im Sinne von Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO anzusehen, weil er der Aufforderung der Ausländerbehörde vom 12. September 2018, sich zur Durchführung der Abschiebung am 20. September 2018 beim Polizeipräsidenten in Berlin einzufinden, keine Folge geleistet hat. [...]