VG Cottbus

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Zitieren als:
VG Cottbus, Urteil vom 24.04.2020 - 3 K 104/17.A - asyl.net: M28412
https://www.asyl.net/rsdb/M28412
Leitsatz:

Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für den Zweitantrag ist der Zuständigkeitsübergang nach der Dublin-Verordnung:

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, ob ein Asylverfahren in einem sicheren Drittstaat erfolglos abgeschlossen und der Asylantrag deshalb unzulässig ist, ist nicht der Zeitpunkt der Asylantragstellung, sondern der Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs.

(Leitsätze der Redaktion, so auch OVG Bremen, Urteil vom 03.11.2020 - 1 LB 28/20 - asyl.net: M29080)

Schlagwörter: Zweitantrag, Zulässigkeit, Unzulässigkeit, Beurteilungszeitpunkt, erfolgloser Abschluss des Asylverfahrens, Unanfechtbarkeit,
Normen: AsylG § 71a, AsylG § 71a, RL 2013/32/EU Art. 33, RL 2013/32/EU Art. 2, VO 604/2013,
Auszüge:

[...]

23 Dieser Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs und nicht der Zeitpunkt der Antragstellung in Deutschland ist nach Auffassung des Gerichts für die Beurteilung der Frage maßgeblich, ob ein Asylverfahren im Sinne von § 71a Abs. 1 AsylG erfolglos abgeschlossen ist (offen lassend: BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 –, juris, Rn. 40; vgl. ausführlich zum Streitstand: VG Hannover, Beschl. v.07. Februar 2019 – 3 B 217/19 –, juris, Rn. 29 ff.; Dicken, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 25. Edition, Stand: 01. März 2020, AsylG, § 71a, Rn. 2a.1).

24 Für den Zeitpunkt der Asylantragstellung in Deutschland spricht zunächst zwar der Wortlaut des § 71a Abs. 1 AsylG. Dieser legaldefiniert den Zweitantrag augenscheinlich dahingehend, dass der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat im Bundesgebiet einen Asylantrag stellt, woraus geschlossen werden könnte, der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage eines erfolglos abgeschlossenen Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat sei der Zeitpunkt der Antragstellung (vgl. VG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 13. Juli 2017 – VG6 L 665/17.A –, juris; VG Regensburg, Urt. vom 8. August 2018 – Rn.12 K 18.31824 –, juris; VG Augsburg, Beschl. v. 9. Juli 2018 – Au 4 S 18.31170 –, juris).

25 Aus der Systematik der Norm folgt jedoch, dass ein Zweitantrag im Sinne des § 71a AsylG nur vorliegen kann, wenn Deutschland auch für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig (geworden) ist. Denn die Rechtsfolge der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens tritt nur in diesem Fall ein und wenn zudem die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Gemeint ist hiermit die (internationale) Zuständigkeit Deutschlands für die Prüfung des Asylantrages nach Maßgabe der Dublin III-VO oder auf  Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages und nicht die Zuständigkeit Deutschlands für die Prüfung seiner Zuständigkeit, die ohnehin bei jeder Asylantragstellung in Deutschland gegeben ist. Läge diese Voraussetzung der (internationalen) Zuständigkeit Deutschlands nicht vor, wäre – wie vorliegend auch vor dem Zuständigkeitsübergang geschehen – eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zu treffen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt ausführlich: VG Hannover, Beschl. v. 07. Februar 2019 – 3 B 217/19 –, juris, Rn. 29 ff ; so auch: VG Schleswig, Beschl. v. 27. November 2017 – 1 B 190/17 –, juris, Rn. 38).

26 Für diese Auslegung sprechen auch Sinn und Zweck des § 71a AsylG. Zweck der Regelung ist die Beschleunigung des Asylverfahrens, wenn ein Antragsteller bereits in einem anderen sicheren Drittstaat ein Asylverfahren durchlaufen hat. Grundsätzlich handelt es sich hier zwar im asylverfahrensrechtlichen Sinne nicht um einen Folgeantrag, da der Antragsteller erstmals im Bundesgebiet eine Asylgewährung bzw. Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt. Dennoch rechtfertigt sich die Anwendung der Folgeantragsregeln, da ein Asylsuchender auf das bereits durchgeführte Asylverfahren und die damit verbundene prinzipiell als gleichwertig angesehene Prüfung eines Anspruchs auf internationalen Schutz verwiesen werden kann. Es soll damit eine Gleichstellung eines erfolglos abgeschlossenen Asylverfahrens in einem zuständigen Vertragsstaat mit einem erfolglos in Deutschland abgeschlossenen Asylerstverfahren erreicht werden. Entscheidend ist insofern, dass bereits ein früheres Asylverfahren in einem sicheren Drittstaat erfolglos abgeschlossen worden ist. Damit hat der Asylsuchende ausreichend Möglichkeiten gehabt, seine Asylgründe umfassend vorzutragen. Ein erneutes Verfahren findet nur statt, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel aufgezeigt werden, die ein Wiederaufgreifen des Verfahrens rechtfertigen (vgl. zu alldem: VG Hannover, Beschl. v. 07. Februar 2019 –  B 217/19 –, juris, Rn. 29 ff., m.w.N.; dies andeutend: VG Magdeburg, Beschl. v. 24. Juli 2019 – 2 B 219/19 –, juris, Leitsatz u. Rn. 24). [...]