Keine erneute Ablehnung als unzulässigen Zweitantrag nach gerichtlicher Aufhebung des Erstbescheids:
Die zweite Ablehnung eines Asylantrags als unzulässiger Zweitantrag durch das BAMF ist rechtswidrig, wenn der erste Ablehnungsbescheid sich ebenfalls auf die Unzulässigkeit als Zweitantrag nach § 71a AsylG gestützt hat und durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung aufgehoben wurde. Dies gilt auch dann, wenn erst nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils weitere Informationen zum erfolglosen ersten Asylverfahren im Drittstaat verfügbar sind.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid des Bundesamts vom 16. Januar 2020 ist in dem für das Gericht maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). [...]
Die Voraussetzungen für die erneute Ablehnung des Asylantrages des Klägers als unzulässiger Zweitantrag i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG i.V.m. § 71a AsylG liegen nicht vor. Im Beschluss vom 12. März 2020 (Az. 1 B 299/20) wurde hierzu u.a. das Folgende ausgeführt:
"Nach §§ 71a Abs. 4, 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG erlässt das Bundesamt eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird, die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt. Dass diese Voraussetzungen vorliegen, erscheint zweifelhaft. Dies gilt im Hinblick auf § 121 VwGO insbesondere, soweit das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers erneut nach §§ 29 Abs. 1 Nr. 5, 71a AsylG als unzulässig abgelehnt hat.
Denn das Bundesamt hatte den am 19. August 2016 gestellten Asylantrag des Antragstellers bereits mit Bescheid vom 15. September 2017 als unzulässigen Zweitantrag i.S.d. §§ 29 Abs. 1 Nr. 5, 71a AsylG abgelehnt. Auf die hiergegen erhobene Klage hat das VG Stade den Bescheid des Bundesamtes vom 15. September 2017 mit Urteil vom 24. Juli 2019 -1 A 3233/17 - aufgehoben und zur Begründung ausgeführt. dass der Asylantrag des Klägers kein Zweitantrag i.S.d. §§ 29 Abs. 1 Nr. 5, 71a AsylG ist und dieser auch nicht auf der Grundlage eines anderen Unzulässigkeitstatbestandes i.S.d. § 29 Abs. 1 AsylG aufrechterhalten werden kann. Dieses Urteil ist seit dem 27. August 2019 rechtskräftig.
Der Entscheidung des Bundesamtes im Bescheid vom 16. Januar 2020, den am 19. August 2016 gestellten Asylantrag des Antragstellers erneut als unzulässigen Zweitantrag i.S.d. §§ 29 Abs. 1 Nr. 5, 71a AsylG abzulehnen. steht bei summarischer Prüfung § 121 VwGO entgegen. Die daraus abzuleitende Rechtskraftwirkung soll verhindern, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch ein Urteil rechtskräftig entschieden worden ist, erneut zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht wird. Im Falle einer erfolgreichen Anfechtungsklage wirkt sich ein rechtskräftiges Urteil in dem in § 121 VwGO umschriebenen Rahmen nicht nur auf den seinerzeit angefochtenen, sondern auch auf nachfolgende Verwaltungsakte aus. Der im Vorprozess unterlegenen Behörde ist es bei unveränderter Sach- und Rechtslage verwehrt, gegen denselben Betroffenen einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen zu erlassen. Die Rechtskraftwirkung des § 121 VwGO tritt unabhängig davon ein, ob das rechtskräftige Urteil die Sach- und Rechtslage zutreffend gewürdigt hat oder nicht. Diese Wirkung der Rechtskraft auf nachfolgende Verfügungen derselben Behörde gegenüber demselben Betroffenen rechtfertigt sich aus dem Sinn der Rechtskraft, dem Rechtsfrieden zu dienen und das Vertrauen in die Beständigkeit des Rechts zu schützen. Verletzt die Behörde das Wiederholungsverbot, kann der wiederholte Verwaltungsakt zum Gegenstand eines erneuten Klageverfahrens gemacht werden. Er ist wegen der präjudiziellen Wirkung der Entscheidung aus dem Erstprozess ohne Sachprüfung aufzuheben (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG, Urteil vom 08. Dezember 1992 - 1 C 12.92 -. juris: BVerwG, Urteil vom 10. Mai 1994 - 9 C 501.93 -, BVerwGE 96, 24-28; BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2019 - 1 C 15.18 -, BVerwGE 164,179-203, Rn. 33. 40; Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 37. Ergänzungslieferung, Juli 2019, § 121 VwGO. Rn. 81 f.).
Die Rechtskraftwirkung eines Urteils tritt zwar nicht ein, wenn sich die zur Zeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage verändert hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 08. Dezember 1992 -1 C 12.92 -, Rn. 13, juris). Eine solche Fallkonstellation ist hier aber voraussichtlich nicht gegeben. Gegenteiliges folgt nicht daraus, dass die belgische Behörde nach Eintritt der Rechtskraft des o.g. Urteils auf die Informationsersuchen des Bundesamts mit Schreiben vom 5. September 2019 und vom 17. Oktober 2019 geantwortet und Dokumente übersandt hat, welche die Gründe für die Ablehnung der in Belgien gestellten Asylanträge des Antragstellers betreffen. Das Auffinden oder, worum es hier geht, die Verfügbarkeit neuer Beweismittel sind einer Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht gleichzusetzen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage, 2019. § 121 VwGO, Rn. 28; Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 37. Ergänzungslieferung, Juli 2019, § 121 VwGO, Rn. 72: Rennert, in: Eyermann. VwGO, 15. Auflage, 2019, § 121 VWGO, Rn. 47; OVG Bremen, Beschluss vom 06. Oktober 1981 - 2 B 55/81 -, NVwZ 1982, 50; s. auch die Differenzierung in § 51 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VwVfG). [...]