VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Urteil vom 08.07.2002 - VG 10 A 334.98 - asyl.net: M3058
https://www.asyl.net/rsdb/M3058
Leitsatz:

Ein Rechtsanwalt hat nicht das Recht, jederzeit zwecks rechtsanwaltschaftlicher Beratung zu seinem Mandanten in den sicherheitsempfindlichen Bereich eines Flughafens vorgelassen zu werden.(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Bosnier, Abschiebung, Flughafen, Gewahrsam, Rechtsanwälte, Prozessbevollmächtigte, Asylgesuch, Kontaktaufnahme, Freiheitsentziehung, Berufsfreiheit
Normen: LuftVG § 29d; AuslG § 57; BRAO § 3; StVollzG § 26; GG Art. 12 Abs. 1
Auszüge:

Die Klage des Klägers zu 1. ist unbegründet. Ohne Erfolg möchte der Kläger zu 1. die Berechtigung festgestellt wissen, gegebenenfalls auch in die sicherheitsempfindlichen Flughafenbereiche zu jedem Zeitpunkt unter welchen Umständen auch immer vorgelassen werden zu müssen, um dort den Kontakt zu seinen Mandanten für eine rechtsanwaltschaftliche Beratung aufnehmen zu können.

Ein solches Recht einer uneingeschränkten, zwingend zu gewährenden Zugangsmöglichkeit eines Rechtsanwaltes zu seinem Mandanten ist zunächst dem Luftverkehrsgesetz (LuftVG) i.d.F. der Neubekanntmachung vom 27. März 2000 (BGBI. I S. 550), speziell auch § 29 d LuftVG, nicht eigen. Soweit nach dem Gesamtzusammenhang das Gesetz über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern im Bundesgebiet (Ausländergesetz - AuslG) vom 09. Juli 1990 (BGBl. IS. 1354), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Januar 2002 (BGBl. I S. 361), speziell § 57 AuslG i.V.m. den Bestimmungen des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen vom 29. Juni 1956 (BGBl. I S. 599), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. April 2001 (BGBI. I s. 751), heranzuziehen sein könnte, ist dort ebenfalls nichts zu Gunsten des klägerischen Anliegens bestimmt. Gleiches gilt mit Blick auf das Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 27. Juli 1993 (BGBI. I S. 1361), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2001 (BGBI. I S. 3987), i.V.m. § 14 des Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 21. September 1998 (BGBl. I S. 3050), zuletzt geändert durch Gesetz vom 03. Dezember 201 (BGBI. I S. 3306).

Dass die mit der Abschiebung eines Ausländers befassten Behörden diesen für seinen Bevollmächtigten unter allen Umständen jederzeit erreichbar machen müssen, ist auch nicht aus § 3 Abs. 1, 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung vom 01. August 1959 (BGBl. I S. 565), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. Dezember 2001(BGBl. I S. 3574), herzuleiten. Hiernach kann einem Rechtsanwalt, der der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten ist, sein Recht, in Rechtsangelegenheiten aller Art vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden aufzutreten, nur durch ein Bundesgesetz beschränkt werden. Dass damit einem Rechtsanwalt jederzeit der Zutritt zu sicherheitsempfindlichen (Flughafen-) Bereichen zwecks Ermöglichung rechtlicher Beratung eingeräumt werden müsste, ist damit nicht gesagt. Nichts anderes ist etwa auch für den Bereich des Strafvollzugsrecht bestimmt. Auch § 26 des Gesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung - Strafvollzugsgesetz (StvollzG) - vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581, S. 2088 und 1977 I S. 436), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. Dezember 2001 (BGBI. I S. 3422), welche Bestimmung - sollte sie im Übrigen nicht nur die Rechte des Strafgefangenen betreffen, sondern mittelbar auch dem Rechtsanwalt als Verfahrensbevollmächtigten desselben zugute kommen können - dem klägerischen Anliegen eines jederzeitigen Zugangsrecht nahe zu kommen scheint, indem Besuche u. a. von Rechtsanwälten in einer den Gefangenen betreffenden Rechtssache diesem (einschränkungslos) zu gestatten sind, findet seine (uneingeschränkte) Grenze in den organisatorischen Möglichkeiten der Durchführung anderer rechtlicher Maßnahmen (OLG Hamm, Beschluss vom 04. März 1985 - 1 VAs 11/85 - NStZ 1985, 432; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25. April 1997 - 2 VAs 8/97 - NStZ 1997, 407).

Eine jederzeitige Kontaktmöglichkeit eines Rechtsanwaltes zu seinem Mandanten gebietet zuletzt nicht Art. 12 Abs. 1 GG, der die Freiheit der Berufwahl und der Berufsausübung schützt und wie alle Grundrechte damit in erster Linie ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, und zwar ein Recht auf eine von staatlicher Reglementierung grundsätzlich freie Sphäre der beruflichen Entfaltung, enthält (BVerwG, Urteil vom 10. Juli 1984 - 1 C 155.79 - InfAuslR 1984, 277, 178). Ansprüche auf eine behördliche Leistung, wie sie der Kläger zu 1. hier geltend macht, indem er fordert, auch zu solchen Mandanten, die zwecks ihrer Abschiebung bereits in besonders sicherheitsempfindlichen Flughafenbereichen festgehalten werden, vorgelassen werden zu müssen, ergeben sich unmittelbar aus dem Grundrecht allenfalls ausnahmsweise, wenn die begehrte und der Behörde mögliche Leistung zum Schutz des grundrechtlich gesicherten Freiheitsraums unerlässlich ist. Davon kann hier aber keine Rede sein. Dass im Regelfall aus organisatorischen Gründen zwei Stunden vor dem vorgesehenen Rückflugtermin nicht mehr eine Besprechung zwischen dem abzuschiebenden Ausländer und seinem Rechtsanwalt ermöglicht werden kann, liegt auf der Hand. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass, nachdem gegenüber der Ausländerbehörde für den Mandanten des Klägers zu 1., den Kläger zu 2., ein Aufenthaltsstatus nicht erreichbar war und sich die zwangsweise Durchsetzung der Ausreisepflicht des Klägers zu 2. im Wege seiner Abschiebung abzeichnete, längst Gelegenheit gewesen wäre, dass sich der Kläger zu 1. mit ihm über eine etwaige Beantragung politischen Asyls berät.