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Zitieren als:
BVerwG, Beschluss vom 14.11.2002 - 1 B 24.02 - asyl.net: M3131
https://www.asyl.net/rsdb/M3131
Leitsatz:

Zur Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs. (Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Armenien, Kurden, Jesiden, Revision, Nichtzulassungsbeschwerde, Rechtliches Gehör, Entscheidungserhebliches Vorbringen, Gesteigertes Vorbringen, Glaubwürdigkeit
Normen: VwGO § 108 Abs. 2; VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 3; GG Art. 103 Abs. 1
Auszüge:

Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1 und 2 ist zulässig und begründet. Die Beigeladenen zu 1 und 2 rügen zu Recht, dass das Berufungsgericht ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO). Denn das Berufungsgericht hat entscheidungserhebliches Vorbringen der Beigeladenen zu 1 und 2 nicht hinreichend zur Kenntnis genommen und in Erwägung ) gezogen.

Das Berufungsgericht hat das Vorbringen der Beigeladenen zu 1 und 2, armenische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit und yezidischen Glaubens, insgesamt als unglaubhaft beurteilt, da sich ihre jeweiligen Darstellungen in wesentlichen Punkten "unauflöslich" widersprechen würden. So habe der Beigeladene zu 1 behauptet, sie seien anlässlich der stationären Entbindung im (...) gezwungen worden, sich als Christen auszugeben, während die Beigeladene zu 2 nichts in dieser Hinsicht vorgetragen, sondern behauptet habe, sie habe ständig Blut spenden müssen und befürchtet, die Beigeladene zu 3 werde mit einer Giftspritze getötet (BA S. 6). Die Beigeladenen zu 1 und 2 weisen zutreffend darauf hin, dass die Beigeladene zu 2 bei ihrer Anhörung am 28. Oktober 1993 angegeben habe, nach der Geburt der Beigeladenen zu 3 sei in den behördlichen Unterlagen vermerkt worden, dass die Beigeladene zu 3 Christin sei; ihr Vater sei zu den Behörden gegangen und habe unter Schwierigkeiten erreicht, dass diese Angaben geändert wurden. Damit hat das Berufungsgericht wesentliches Vorbringen der Beigeladenen zu 2 nicht berücksichtigt.

Ferner hat das Berufungsgericht angenommen, das Vorbringen, die Fedajin hätten sich gewaltsam Zutritt zum Haus der Eltern des Beigeladenen zu 1 verschafft, stehe in einem unauflöslichen Widerspruch zu der Behauptung des Beigeladenen zu 1, die Fedajin hätten an die Tür geklopft, daraufhin habe seine Mutter geöffnet (BA S. 7 f.). Hier übergeht, was die Beschwerde zu Recht moniert, das Berufungsgericht das Vorbringen des Beigeladenen zu 1, auf das Klopfen hin habe seine Mutter aufgemacht, sie sei dann zur Seite gestoßen und geschlagen worden; auch seine Frau und er seien geschlagen worden (Anhörungsprotokoll vom 18. Januar 1995 S. 3).

Auf diesen Gehörsverstößen kann die Entscheidung des Berufungsgerichts beruhen. Zwar ist das Berufungsgericht von weiteren Widersprüchen und insbesondere auch von Steigerungen in den Darstellungen der Beigeladenen zu 1 und 2 ausgegangen, hinsichtlich derer die von der Beschwerde erhobenen Rügen nicht durchgreifen. Da aber das Berufungsgericht seine Überzeugung auf die Gesamtheit der Widersprüche (und Steigerungen) gestützt hat, kann nicht ausgeschlossen werden, dass es zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre, wenn es die beiden oben dargestellten, aufgrund unzureichender Berücksichtigung des Vorbringens der Beigeladenen zu 1 und 2 angenommenen Widersprüche nicht zugrundegelegt hätte.