Wiedereinreiseverweigerung für staatenlose Kurden aus Syrien ist politische Verfolgung .(Leitsatz der Redaktion)
Dem Kläger ist Abschiebungsschutz gemäß § 51 Abs. 1 AuslG zu gewähren, denn ihm
wird vom syrischen Staat aufgrund asylerheblicher Merkmale die Wiedereinreise verweigert.
Der Kläger ist zur Überzeugung des Gerichts staatenloser Kurde aus Syrien. Er hat angegeben, in Syrien nur im Besitz eines auf weißem Papier vom Dorfvorsteher ausgestellten Identitätszeugnisses gewesen zu sein. Diese Identitätspapiere erhalten in Syrien ausweislich des vom Gericht eingeholten Gutachtens von Hajo/Savelsberg (S. 3) u.a. solche Personen, die aus Verbindungen von Ausländern, d.h. aus Ehen von ausgebürgerten Kurden und Nichtregistrierten hervorgehen.
Die übrigen Angaben des Klägers zu der Dauer des Schulbesuchs, zur Unmöglichkeit, ein Geschäft alleine zu führen und zur Nichtableistung des Wehrdienstes, überzeugen das Gericht davon, dass der Kläger zur Gruppe der staatenlosen Kurden gehört.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass staatenlosen Kurden, deren Land des gewöhnlichen Aufenthalts Syrien war, eine Wiedereinreise nach illegaler Ausreise im Regelfall nicht möglich ist. Staatenlosen Kurden aus Syrien wird, wie sich den vom Gericht eingeholten Gutachten und der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes entnehmen lässt, die Wiedereinreise verweigert. Die Gutachter Hajo/Savelsberg verneinen die Möglichkeit der Wiedereinreise ganz ausdrücklich (vgl. S. 10). Auch das DOI verneint diese Frage für den Regelfall (S. 4, 5) und hält eine Wiedereinreisemöglichkeit nur dann für gegeben, wenn die Wiedereinreise vor der Ausreise mit den syrischen Behörden abgestimmt wurde oder aber Beziehungen eingesetzt werden können. Die Einschätzung der Gutachter wird schließlich auch vom Auswärtigen Amt geteilt, welches eine Wiedereinreisemöglichkeit nur in Ausnahmefällen aufgrund persönlicher Beziehungen und Bestechung für denkbar hält (Auskunft an VG Magdeburg vom 01.10.2002).
Die Verweigerung der Wiedereinreise stellt für den Kläger politische Verfolgung dar.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Verweigerung der Wiedereinreise, soweit sie an asylerhebliche Merkmale anknüpft, politische Verfolgung darstellen kann, denn der Staat entzieht seinem Staatbürger hiermit wesentliche staatsbürgerliche Rechte und grenzt ihn so aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit aus (vgl. BVerwG, U. v. 24.10.1995, 9 C 3/95, NVwZ 1996, S. 602 ff). Politische Verfolgung wird dabei regelmäßig - ohne dass hier eine Regelvermutung gilt (vgl. BVerwG, B. 07.12.1999, 9 B 474/99, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 224) - bei der Aussperrung von Staatsangehörigen anzunehmen sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.10.1995, a.a.O.). Bei Staatenlosen kann eine solche Maßnahme des Staates ihres gewöhnlichen Aufenthalts aber auch auf anderen als auf asylrelevanten Gründen beruhen, wenn etwa der Staat ein Interesse daran hat, die durch den Aufenthalt dieser Personengruppe entstehende wirtschaftliche Belastung zu mindern oder Gefahren für die Staatssicherheit durch potenzielle Unruhestifter vorzubeugen oder weil er keine Veranlassung sieht, Staatenlose, die freiwillig das Land verlassen, weiterhin aufzunehmen (BVerwG, U.v. 24.10.1995, a.a.O.).
Zur Überzeugung der Kammer beruht aber die Wiedereinreiseverweigerung durch den syrischen Staat nicht auf den vorstehend benannten Gründen. Vielmehr knüpft die Wiedereinreiseverweigerung bei objektiver Betrachtung für Staatenlose allein an die Eigenschaft "staatenloser Kurde" an, wobei die kurdische Volkszugehörigkeit ausschlaggebend ist. So wird allen anderen Personen gleich welcher Volkszugehörigkeit, die die syrische Staatsangehörigkeit besitzen, die Wiedereinreise auch bei illegaler Ausreise aus Syrien wieder ermöglicht. Dass folglich auch kurdische Volkszugehörige wieder einreisen können, also nicht die gesamte Volksgruppe der Kurden aus Syrien von dieser Aussperrung betroffen ist, spricht nicht gegen die von, der Kammer angenommene Anknüpfung an die Ethnie durch den syrischen Staat bei staatenlosen Kurden.
Wie der Sachverständige Brocks in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht ausführte, ist dies zum einen der Tatsache geschuldet, dass für den syrischen Staat Kurden nur als staatenlose Kurden existieren. Der syrische Staat leugnet das Bestehen eines "Kurdenproblems", kurdisch wird nicht gelehrt, im Personenstandswesen sind nur arabische oder arabisierte Namen zugelassen. Zum anderen beruht die Wiedereinreisemöglichkeit für kurdische Volkszugehörige mit syrischer Staatsangehörigkeit auch darauf, dass es zu erheblichen außenpolitischen Problemen für Syrien führte, wenn der syrische Staat nicht unerhebliche Teile seiner Bevölkerung nicht zurücknähme, wie die Sachverständige Savelsberg in der mündlichen Verhandlung zu Recht ausgeführt hat. Dass die Wiedereinreiseverweigerung nicht etwa an die Staatenlosigkeit ohne Rücksicht auf die Volkszugehörigkeit anknüpft, ergibt sich auch daraus, dass die in Syrien lebenden Palästinenser, welche sämtlich staatenlos sind, nach übereinstimmenden Aussagen beider Sachverständiger nach einer Ausreise aus Syrien ohne weiteres wieder einreisen können.
Die Kammer ist der Überzeugung, dass der syrische Staat mit der Wiedereinreiseverweigerung nicht nur asylirrelevante ordnungspolitische Ziele verfolgt, also Gefahren für die übergreifende Friedensordnung vorbeugen will, sondern hinter seinen Maßnahmen das Ziel steht, Staatenlose kurdischer Volkszugehörigkeit wegen ihrer Volkszugehörigkeit zu treffen (so noch OVG LSA, U. v. 27.06.2001, A 3 S 461/98, S. 14 EA. vor dem Hintergrund einer anderen Erkenntnislage).
Einen gewichtigen Aspekt bei der Beurteilung der Gründe für die Verweigerung der Wiedereinreise stellt der historische Hintergrund der Staatenlosigkeit dar. Die Staatenlosigkeit von Teilen der Volksgruppe der Kurden im Nordosten von Syrien beruht auf einem willkürlichen Akt des syrischen Staates, der 1962 einer Gruppe von ca. 120.000 Kurden die syrische Staatsangehörigkeit und die mit ihr verbundenen Rechte entzogen hat (vgl. Hajo/Savelsberg, Gutachten vom 27.09.2002, S. 12).
Die Verweigerung der Wiedereinreise kann vor diesem Hintergrund nicht so verstanden werden, dass der syrische Staat lediglich, weil er - objektiv gesehen - keine Veranlassung habe, staatenlose Kurden, die freiwillig ausreisen, wiederaufzunehmen, diesen die Wiedereinreise verweigert. Vielmehr ist die Wiedereinreiseverweigerung ihrer inhaltlichen Gerichtetheit nach als Bestandteil der geschilderten Ausgrenzung dieser Bevölkerungsgruppe anzusehen.
Der mit der Wiedereinreiseverweigerung objektiv einhergehenden Verringerung von wirtschaftlichen Belastungen für den syrischen Staat ist dabei nach Auffassung der Kammer kein erhebliches Gewicht beizumessen. Dabei stellt das Gericht nicht in Abrede, dass die wirtschaftliche Situation, in welcher sich Syrien befindet, nicht zuletzt aufgrund hoher Geburtenraten schwierig ist (vgl. auch DOI, Gutachten vom 05.11.2002 an VG Magdeburg, S. 5). Die Belastungen, die von staatenlosen Kurden, einer Gruppe von vielleicht 200.000 Personen, die einer Gesamtbevölkerung von 55 Mio. Bürgern, entgegenstehen, ausgehen, dürften indessen gering sein.