OVG Brandenburg

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Zitieren als:
OVG Brandenburg, Beschluss vom 23.05.2003 - 4 B 105/03 - asyl.net: M3886
https://www.asyl.net/rsdb/M3886
Leitsatz:

Altfallregelung 1999: Der Ausschluss einer Familie aus dem Anwendungsbereich der Altfallregelung wegen der Straffälligkeit eines Familienmitglieds (Nr. 1.3.6 des Erlasses des Innenministeriums Nr. 147/2000 vom 5.12.2000) ist zulässig. (Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung, Bleiberechtsregelung 1999, Straftat, Familienangehörige, Verhältnismäßigkeit
Normen: VwGO § 123 Abs. 1; AuslG § 30; AuslG § 32
Auszüge:

[...]

Die Beschwerde hat auf der nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO maßgeblichen Grundlage dessen, was die Antragsteller hierzu in der gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO geforderten Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung dargelegt haben, keinen Erfolg. [...]

Vielmehr spricht Überwiegendes dafür, dass dem Begehren der Antragsteller auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis gemäß §§ 30, 32 AuslG i.V.m. dem Erlass des Ministeriums des Innern Nr. 147/2000 vom 5. Dezember 2000 und dem für die Anwendung maßgeblichen Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 3 GG (vgl. BVerwGE 112, 63 ff.) nicht stattzugeben ist, weil der ablehnende Bescheid des Antragsgegners vom 23. Juli 2002 im Ergebnis nicht zu beanstanden ist. [...]

Die Erteilung der humanitär bedingten Aufenthaltsbefugnis nach der Altfallregelung kann nämlich deshalb nicht beansprucht werden, weil durch die Straffälligkeit der Ehefrau des Antragstellers zu 1 bzw. der Mutter des Antragstellers zu 2, Frau ..., der Ausschlusstatbestand Nr. 1.3.6 des Erlasses erfüllt ist. Nach dieser Regelung hindert die Straffälligkeit auch nur eines Familienmitgliedes die Anwendung der Altfallregelung für die gesamte Familie. [...]

Soweit die Antragsteller - freilich ohne weitere Begründung - die Ausschlussregelung für unverhältnismäßig halten, folgt der Senat dem nicht. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Antragsteller seit erfolglosem Abschluss ihrer Asylverfahren (Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. Dezember 1995 - 2 D 12.871/92.A - und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 5. April 2002 - 6 K 1563/95.A -) vollziehbar ausreisepflichtig sind und keinen Vertrauensschutz auf ein weiteres Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik haben konnten. Nach dem Beschluss der Konferenz der Innenminister vom 19. November 1999 in Görlitz (InfAuslR 2000, 103), auf den der Erlass des Ministeriums des Innern zurückgeht, waren sich die Innenminister und -senatoren von Bund und Ländern einig, dass im Rahmen des geltenden Ausländer- und Asylrechts verfügte Rückführungen von Ausländern ohne Bleiberecht grundsätzlich konsequent vollzogen werden müssen. Unter Hinweis auf den nach wie vor zu hohen Zugang von Asylbewerbern, die aus wirtschaftlichen Gründen und nicht wegen drohender politischer Verfolgung ihre Heimat verlassen und nach Deutschland kommen würden, bekräftigten die Innenminister den Grundsatz, dass unbegründete Asylbegehren nicht zur Erlangung eines dauerhaften Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet führen dürfen. Die humanitär bedingte - im Ermessen des Ministeriums des Innern stehende - Altfallregelung zur Vermeidung von Härten in Fällen faktischer Integration darf danach straffälliges Verhalten als Defizit geforderter Integration im Familienverband gerade auch wegen der Familieneinheit und des daraus insbesondere für minderjährige Kinder abzuleitenden Bleiberechts zum Anlass für den Ausschluss von den festgelegten Vergünstigungen nehmen. Damit wird zugleich die Kindernachzugsregelung von § 20 Abs. 2 Nr. 1 AuslG nachgezeichnet, nach der grundsätzlich nachziehenden Kindern ausländischer Eltern ein Aufenthaltsrecht nur dann zugestanden wird, wenn beide Elternteile über ein Aufenthaltsrecht verfügen. Ist aber ein Elternteil wegen Straffälligkeit von der Erteilung des Aufenthaltsrechts ausgeschlossen, entspricht es nicht dem Regelungskonzept des Ausländergesetzes, dem Kind den Aufenthalt bei dem anderen Elternteil erstmals zu erlauben und letzterem zugleich ein Aufenthaltsrecht einzuräumen. Auf die weiterhin vom Verwaltungsgericht vorgenommene und von den Antragstellern beanstandete argumentative Bezugnahme auf Regelungen bezüglich der Rechtsfigur oder Einstandsgemeinschaft im Sozialrecht kommt es hiernach nicht an. In vorhandene Rechtspositionen der übrigen Familienmitglieder, hier der Antragsteller zu 1 und 2, wird hiernach nicht eingegriffen. Diese können sich lediglich auf eine Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes bei Anwendung der Altfallregelung berufen. Sinn der Anordnung durch die oberste Landesbehörde, hier Ministerium des Innern des Landes Brandenburg, nach § 32 AuslG ist es insofern, dass die nachgeordneten Ausländerbehörden nicht mehr selbst zu prüfen haben, ob die Erteilungsvoraussetzungen nach §§ 30, 31 AuslG vorliegen und wie das Erteilungsermessen grundsätzlich auszuüben ist. Neben der im Ermessen der obersten Landesbehörde stehenden Festlegung der Voraussetzungen für die Erteilung der Aufenthaltsbefugnis enthalten Anordnungen nach § 32 AuslG grundsätzlich die an die Ausländerbehörde gerichtete Weisung, bei Erfüllung der Voraussetzungen dem begünstigten Personenkreis eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen. Dem Ausländer erwächst hiernach aus Art. 3 Abs. 1 GG ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Gleichbehandlung nach Maßgabe der vom Ministerium des Innern gebilligten tatsächlichen Anwendung der Anordnung, die hier ausweislich des eindeutigen Wortlauts des Erlasses vorliegt. Damit ist eine einheitliche Anwendung der Regelungen innerhalb de Bundeslandes erreicht (vgl. hierzu auch BVerwGE 112, 63, 67). Hiernach kommt es zugleich nicht auf den Regelungsgehalt der Altfallregelung des Landes Berlin an, auf den sich die Antragsteller berufen, da sie eine Gleichbehandlung nur im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg beanspruchen können. Dem Entgegenstehendes ergibt sich hinsichtlich der Ausschlussregelung bei Straffälligkeit auch nicht aus II 3.2 d, e des Beschlusses in ... vom 19. November 1999, zumal in diesem keine Verpflichtung der Länder festgelegt war, die dort vorgesehene Bleiberechtsregelung wörtlich zu übernehmen (vgl. Darstellung in der Antwort der Bundesregierung vom 24. Mai 2000 in BT-Drucks. 14/3449 sowie VGH BW, VBlBW 2001, 491). [...]