OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.07.2003 - 8 A 2119/02.A - asyl.net: M4169
https://www.asyl.net/rsdb/M4169
Leitsatz:

1. Auf die Feststellung der Staatsangehörigkeit kann in einem Asylverfahren in der Regel nicht verzichtet werden.

2. Yeziden sind in der Türkei einer gruppenbezogenen mittelbaren politischen Verfolgung in Anknüpfung an ihre Religionszugehörigkeit als glaubensgebundene Yeziden ausgesetzt.(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Türkei, Syrien, Kurden, Jesiden, Staatenlose, Staatsangehörigkeit, Gewöhnlicher Aufenthalt, Religiös motivierte Verfolgung, Gruppenverfolgung, Mittelbare Verfolgung, Verfolgung durch Dritte, Interne Fluchtalternative, Abschiebungsschutz, Verfolgungssicherheit, Syrien (A)
Normen: AuslG § 51 Abs. 1
Auszüge:

Das Klagebegehren der Klägerin ist auf die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungshindernissen im Sinne des § 51 Abs. 1 AsulG - hilfsweise im Sinne des § 53 AuslG - hinsichtlich der Türkei gerichtet. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus dem auf § 51 Abs. 1 AuslG gerichteten Antrag der Klägerin in Verbindung mit ihrer Behauptung, sie sei türkische Staatsangehörige. Denn bei Personen, die eine Staatsangehörigkeit besitzen, ist die Asylberechtigung - dasselbe gilt für die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG - allein danach zu beurteilen, ob ihnen in dem Lande ihrer Staatsangehörigkeit politische Verfolgung droht oder nicht. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob sie in einem Drittstaat, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, politische Verfolgung befürchten müssen; regelmäßig - abgesehen von etwa erforderlichen Feststellungen zu § 27 AsylVfG - ist es auch unerheblich, ob sie dort bereits einmal politisch motivierten Maßnahmen ausgesetzt gewesen sind (BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1983 - 9 C 158.80 -, BVerwGE 68, 106).

Aus diesen Gründen kann auf die Feststellung der Staatsangehörgkeit in einem Asylverfahren in der Regel nicht verzichtet werden; die Frage kann nur dann offen bleiben, wenn das Gericht die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs - Art. 16 a Abs. 1 GG, § 51 Abs. 1 AuslG - hinsichtlich aller in Frage kommenden Länder und, für den Fall der Staatenlosigkeit, zusätzlich hinsichtlich des Landes des gewöhnlichen Aufenthalts, geprüft hat und verneinen kann (zu dem Fall der Staatenlosigkeit: BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 1995 - 9 C 3.95 -, NVwZ-RR 1996, 602).

Das Begehren der Klägerin auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Türkei ist begründet. Die Klägerin ist türkische Staatsangehörige und im Falle einer Rückkehr in die Türkei wäre sie dort durch gruppenbezogene mittelbare politische Verfolgung in Anknüpfung an ihre Religionszugehörigkeit als glaubensgebundene Yezidin bedroht.

Auf die Frage, ob sie in Syrien vor Verfolgung sicher war, kommt es im vorliegenden Verfahren, dessen Streitgegenstand nicht die Asylberechtigung, sondern das auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG gerichtete Begehren ist, nicht an.