Weibliche Genitalverstümmelung ist in Guinea politische Verfolgung.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Die zulässige Klage hat bereits im Hauptantrag Erfolg. Die Klägerin hat zum einen einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16 a Abs. 1 GG (1.), zum anderen hat die Abschiebungsandrohung keinen Bestand (2.), so dass der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14. Juni 1999 rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1. S. 1 und 5 S. 1 VwGO). [...]
a) Die Kammer geht - in Übereinstimmung mit den Beteiligten - nach Würdigung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse sachverständiger Stellen und Organisationen davon aus, dass der nunmehr sechsjährigen, genital unversehrten Klägerin bei einer Verbringung nach Guinea die Gefahr einer Genitalverstümmelung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Nach der eigenen Informationsschrift des Bundesamtes zum Thema "Weibliche Genitalverstümmelung" vom April 2002, die sich eingehend mit Erscheinungsformen, Folgen und Hintergründen dieser Praxis befasst, sind in Guinea 86 % bis sogar 99 % aller Mädchen und Frauen der Beschneidung unterworfen. Der Eingriff werdet in allen Formen, unter allen Ethnien und auch allen Religionen vollzogen, wobei er im Alter zwischen 4 und 70 Jahren erfolge. Zwar sei die FGM strafbar (Art. 265 Code Penal); auch existiere seit 1997 ein 20-Jahres-Programm zur Abschaffung dieser Praxis; bisher seien aber keine Strafverfahren wegen Beschneidung eingeleitet worden.
Auch die "Guinea-Information" des Bundesamtes vom November 2000 befasst sich mit der Problematik der Genitalverstümmelung; dort heißt es in leichter Abweichung zu den vorgenannten Ausführungen, dass die Maßnahme - zumeist in Form der Excision (Entfernung der Klitorisvorhaut und der Klitoris zusammen mit teilweiser oder vollständiger Entfernung der kleinen Schamlippen) - an ca. 60 % der Frauen vollzogen sei. Ein spezielles Gesetz gegen die Beschneidung existiere nicht, auch wenn die Regierung dagegen eingestellt sei. Die Regierung habe ein 20-Jahres-Programm zur Ausrottung der Beschneidung gestartet und bemühe sich um Schulung von Gesundheitsmitarbeitern im Hinblick auf die Gefahren der Praxis. Schließlich unterstütze die Regierung die Arbeit der CPTAFE (Coordination sur les Practiques Traditionelles Affectant La Sante des Femmes et des Enfants), einer Nicht-Regierungsorganisation, die sich dem Kampf gegen die Beschneidung widme. Im November 1999 habe die CPTAFE eine öffentliche Zeremonie durchgeführt, in der die "Niederlegung der Beschneidungsmesser" gefeiert worden sei. Auch wenn einige Beschneiderinnen der Genitalverstümmelung abgeschworen hätten, stünden die meisten dem ablehnend gegenüber, weil dies ein einträgliches Geschäft darstelle. Der soziale Druck auf die Eltern, die Beschneidung vornehmen zu lassen, sei beträchtlich. Allerdings werde - insbesondere in den Zentren - die Beschneidung zunehmend auf einen symbolischen Akt reduziert. Diese Einschätzung deckt sich mit den Feststellungen des U.S. Department of State. Dieses kommt in seinem "Country Report an Human Rights Practices" zu Guinea vom 4. März 2002 (www.state.gov/g/drl/rls/hrrpt/2001/af/8383.htm) ebenfalls zu dem Schluss, dass die weibliche Genitalverstümmelung sehr weit verbreitet sei und alle Bevölkerungs- und Religionsgruppen betreffe. Auch wenn Erhebungen von 1999 davon ausgingen, dass 99 % aller Frauen genital verstümmelt seien, gebe die CPTAFE neuerdings selbst an, dass 65 - 75 % aller Mädchen und Frauen der Beschneidungspraxis unterworfen seien. Demgegenüber variiere diese Quote nach Einschätzung anderer Fachleute zwischen 65 - 90 %. Der Erfolg des 20-Jahres-Programm werde bislang statistisch nicht erfasst.
Im Übrigen hat sich Aboubacar Souare, seinerzeit Doktorand an der Freien Universität Berlin, in einer 1996 verfassten Schrift mit der "Problematik der Mädchenbeschneidung in Guinea" befasst. Bevor er zur Frage kommt, wie diese Praxis in Zukunft abgeschafft werden könnte, geht er auf die historischen und kulturellen Hintergründe der Praxis ein. Besonders eindrucksvoll beschreibt er den Druck, der auf den Familien lastet, die sich weigern würden, die Maßnahme an ihrer Tochter zu vollziehen. Er meint, es sei geradezu unvorstellbar, dass sich eine Familie der Mädchenbeschneidung widersetzen werde. Zur Erwägung, man könne - wie die Europäer sich dies vorstellten - um der Gefahr zu entgehen, aus einer Stadt ziehen, seine Ethnie wechseln oder (lediglich) ein Beschneidungsfest abhalten, schreibt Souare (S. 12):
"Doch dies ist Ausdruck einer schlechten Kenntnis afrikanischer Gesellschaften! Es gibt in Guinea nicht Städte, in denen beschnitten wird, und Städte, in denen nicht beschnitten wird. Außerdem lassen die Modalitäten der Beschneidung keinen Platz für die Vorspiegelung falscher Tatsachen, und eine Ethnie ist keine politische Partei, in die man aus- und wieder eintreten kann. (...) Selbst die wenigen Avantgardisten werden sogar in der Hauptstadt Conakry von der Bevölkerung als Entwurzelte betrachtet, und selbst diejenigen, die gegen die Mädchenbeschneidung sprechen und die überzeugt sind von ihren negativen Auswirkungen, haben keine Möglichkeit, ihre Kinder davor zu schützen."
Angesichts dieser übereinstimmenden Auskunftslage geht die Kammer davon aus, dass die Klägerin sich der weit geübten Praxis der Beschneidung in Guinea nicht würde entziehen können, selbst wenn ihre sie allein erziehende Mutter, die sie in diesem Verfahren vertritt, zum Ausdruck gebracht hat, dass sie hiermit nicht einverstanden wäre. Denn offensichtlich ist es nicht allein Sache der Eltern, geschweige denn der einzelnen Betroffenen, über die Beschneidung der Mädchen zu befinden, sondern wird - wie dies auch die außergewöhnlich große Altersspanne belegt, in der der Eingriff vollzogen wird - als Angelegenheit der Großfamilie bzw. Gemeinschaft angesehen.
b) Befinden sich die von der rigiden Beschneidungspraxis in Guinea Betroffenen damit in einer ausweglosen Lage, droht diese Gefahr der Klägerin auch landesweit. Denn wie sich aus den genannten Quellen ergibt, ist die Praxis allgemein in allen Bevölkerungsteilen, Ethnien und Regionen des Landes üblich. Vor allem aber bestehen Verheiratungschancen einer Frau offenbar nur bei einer vollzogenen Beschneidung, so dass ihr ein Rückzug in einen gewissermaßen sicheren Landesteil nicht möglich ist.
c) Nach Überzeugung der Kammer ist die der Klägerin drohende Genitalverstümmelung hier als Asylgrund anzuerkennen (ebenso: VG München, Urteil vom 2. Dezember 1998, NVwZ-Beilage 99, 74 für Kamerun; VG Magdeburg, Gerichtsbescheid vom 20. Juni 1996, 1 A 185/95 NVwZ-Beilage 1998, 18 für Côte d'Ivoire; eingehend VG Frankfurt a.M., Urteil vom 29. August 2001, Az: 3 E 30495/98.A, NVwZ-RR, 2002, 460 für Côte d'Ivoire; in der Literatur: Bumke, NVwZ 2002, 423 f.; Goebel-Zimmermann, Flüchtlings- und Asylecht, Rdnr. 107; Treiber, GK-AuslR II, § 53 Rdnr. 204.1. ff; Davy, in: AK-GG Art. 16 a Rdnr. 28 f.; Leinsmann, Urteilsanmerkung zu VG Oldenburg, InfAuslR 1998, 415 f.). Denn zum einen knüpft die Maßnahme gegenüber den betroffenen Frauen und Mädchen an unverfügbare Merkmale an und fügt ihnen so gezielt Rechtsverletzungen zu, die sie in ihrer Intensität aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen (Einheit ausgrenzen (aa). Zum anderen ist die Beschneidung dem guineischen Staat jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch als mittelbare staatliche Verfolgung zuzurechnen (bb).
aa) Die Beschneidung stellt sich als Eingriff dar, der in seiner Intensität den gravierendsten Erscheinungsformen asylerheblicher Verfolgungsmaßnahmen wie etwa der Folter nicht nachsteht. Er erfolgt auch wegen eines asylerheblichen Merkmals, nämlich der Zugehörigkeit zur Gruppe der Frauen, die einen anderen Sozialstatus einnehmen und andere soziale Funktionen erfüllen als Männer und deshalb als besondere soziale Gruppe definiert werden können (VG Frankfurt a.M., a.a.O.). Auch wenn das Merkmal "Geschlecht" im § 51 Abs. 1 AuslG bzw. der Genfer Flüchtlingskonvention nicht ausdrücklich genannt ist, zählt dieses ebenso zu den unverfügbaren und unverzichtbaren Merkmalen (Davy, in: AK-GG Art. 16 a Rdnr. 28 und 25). Somit kommt es nicht darauf an, ob erst die soziale Ächtung, die den nicht beschnittenen Frauen entgegengebracht werde, wodurch sie in ihrer Existenz gefährdet würden, den aus der Gemeinschaft ausgrenzenden Verfolgungsakt darstellt (so aber Treiber, GK-AuslR II, § 53 Rdnr. 204.1. ff; ähnlich wohl VG München, a.a.O.). Die Anknüpfung an das unverfügbare Merkmal "Geschlecht" indiziert dabei das Moment der politisch motivierten Ausgrenzung (vgl. VG Berlin, Urteil vom 23. April 2001, VG 34 X 66.01, InfAuslR 2002, 160, 162). Der Begriff "politisch" i.S.d. Art. 16 a GG meint nicht einen gegenständlich abgegrenzten Bereich von Politik, sondern kennzeichnet eine Eigenschaft oder Qualität, die Maßnahmen in jedem Sachbereich unter bestimmten Umständen jederzeit annehmen können (BVerfGE 76, 143, 157). Als politisch ist eine Maßnahme bereits dann anzusehen, wenn sie im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen um die Gestaltung und Eigenart der allgemeinen Ordnung des Zusammenlebens von Menschen und Menschengruppen steht, also einen öffentlichen Bezug hat (BVerfGE 80, 315, 353). Dies ist hier der Fall. Denn die Beschneidung der Mädchen und Frauen in Guinea beruht offensichtlich auf der in Guinea gegenwärtig gesellschaftlich noch allgemein bzw. jedenfalls ganz überwiegend akzeptierten Vorstellung, dass diese den Eingriff an sich vollziehen lassen müssen, um überhaupt erst als verheiratungsfähig angesehen zu werden. Demgegenüber hat das Selbstbestimmungsrecht der Mädchen und Frauen insbesondere hinsichtlich ihrer körperlichen Unversehrtheit zurückzutreten, und zwar unter Inkaufnahme schwerster Verletzungen und Traumatisierungen, der Hinnahme bleibender Schäden, insbesondere dem Verlust der sexuellen Empfindsamkeit und dauerhafter, u.U. lebenslanger Schmerzen sowie schließlich unter Billigung des bei bzw. infolge der Beschneidung möglicherweise eintretenden Todes der Betroffenen. Damit stellt sich die Maßnahme nicht allein als eine Praxis im Privaten dar, sondern erfolgt in Erniedrigung der Frau zum bloßen Objekt - vor allem, um den (noch) herrschenden Gesellschaftsvorstellungen in Guinea Genüge zu tun.
Zwar ist der hier vertretenen Ansicht entgegen gehalten worden, die Maßnahme diene schon nicht dazu, die Betroffene aus der staatlichen Friedensordnung auszugrenzen, sondern habe als Initiationsritual die Funktion, die Mädchen und Frauen in die Gemeinschaft der Verheiratungsfähigen aufzunehmen (VG Oldenburg, Urteil vom 7. Mai 1998, InfAuslR 98, 412, 414). Damit würden sie durch die fragliche Maßnahme gerade nicht ausgegrenzt; eine Ausgrenzung erfolge erst dann, wenn die Verstümmelung nicht vorgenommen werde (VG Frankfurt a.M., Urteil vom 29. März 1999, NVwZ-Beilage 1999, 71, 721). Zudem knüpfe die Beschneidung dadurch, dass sie an allen Kindern weiblichen Geschlechts vorgenommen werde, nicht an das Anderssein, beruhend auf der Weigerung, sich dem Eingriff zu entziehen, an (VG Frankfurt a.M., a.a.O.). Diese Argumentation verfängt indes schon im Ansatz nicht. Nach den allein maßgebenden hiesigen Maßstäben (vgl. deutlich OVG Hamburg, Beschluss vom 6. Januar 1999, 3 Bs 211/98, NVwZ- Beilage 1999, 92, 93) ist die Frage, ob eine spezifische Zielrichtung vorliegt, allein anhand des objektiven Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht aber nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden leiten (BVerfGE 80, 315, 333; ebenso Leinsmann, Urteilsanmerkung zu VG Oldenburg, InfAuslR 1998, 415, 416).
bb) Die Genitalverstümmelung ist hier auch als staatliche Verfolgung anzusehen. Denn sie ist gegenwärtig noch dem guineischen Staat als mittelbare Verfolgung zuzurechnen, auch wenn er nicht ihr Urheber ist. Die Kammer geht zwar im Einklang mit den eingeführten Erkenntnissen nicht davon aus, dass der guineische Staat die Praxis ausdrücklich billigt. Denn er hat im Gegenteil mit der - offenbar auf Druck der internationalen Gemeinschaft im Jahre 1994 erfolgten - Einführung des speziell die Genitalverstümmelung unter Strafe stellenden Art. 265 des Code Penal Maßnahmen in die Wege geleitet, die die ablehnende Haltung der Regierung dokumentieren, und er unterstützt mit der CPTAFE gleichermaßen auch private Initiativen zur Aufklärung der Bevölkerung. Zudem sollen sich auch Regierungsvertreter öffentlich gegen Genitalverstümmelung ausgesprochen haben (U.S. Department of State, a.a.O., S. 13). Gleichwohl kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht davon ausgegangen werden, dass der guineische Staat tatsächlich so schutzbereit wäre, dass von dieser Praxis in weiteren Bevölkerungskreisen ernstlich Abstand genommen werden wird. Denn nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen ist bisher kein einziges Strafverfahren wegen weiblicher Genitalverstümmelung eingeleitet worden (U.S. Department of State, a.a.O., S. 1;3; Bundesamt, Guinea-Information vom November 2000, S. 15; Bundesamt, Weibliche Genitalverstümmelung, Information, April 2002, S. 16). Ein gesetzliches Beschneidungsverbot aber, das von Polizei und den sonstigen zuständigen Behörden selbst dann nicht umgesetzt wird, wenn sie von konkreten Fällen Kenntnis erhalten, steht in der Tradition staatlicher Gleichgültigkeit (VG Frankfurt a.M., Urteil vom 29. August 20011, a.a.O.).
Dem kann nach Überzeugung der Kammer nicht entgegen gehalten werden, der Staat nehme auf die Praktiken keinen Einfluss, wenn er weder die Täter bestrafe noch die Opfer schütze, so dass es sich nicht um eine mittelbare Verfolgung handele (so aber VG Oldenburg, a.a.O.; VG Frankfurt a.M., Urteil vom 29. März 1999, a.a.O.; wohl auch OVG Hamburg, Beschluss vom 6. Januar 1999, Az: 3 Bs 211/98 NVwZ- Beilage 1999, 92, 94; ähnlich auch VG Trier, Urteil vom 27. April 1999, NVwZ-Beilage 99, 75). Hiernach habe der Staat keine Möglichkeit, schutzgewährend einzugreifen. Da die Beschneidungen in der Regel im Verborgenen stattfänden (so VG Oldenburg, a.a.O. für Cote d‘Ivoire), übersteige die Forderung nach Schutzgewährung die Kräfte des einzelnen Staates. Allein der Umstand, dass es dem Staat noch nicht gelungen sei, sich wirksam der innerhalb einzelner Stämme stattfindenden Rituale entgegenzustellen, führe somit nicht zu einer Zurechnung der Maßnahmen zum Staat (VG Frankfurt a.M., Urteil vom 29. März 1999, a.a.O.). Denn da die Ursachen der Beschneidungspraxis im Bereich mystischer Überzeugung weiter Bevölkerungsteile liege, seien dem Staat bei der Durchsetzung, von Gegenmaßnahmen, die gleichsam ein Tabu berührten, von vornherein schwer fassbare enge Grenzen gesetzt. Kein Staat vermöge aber schlechthin perfekten, lückenlosen Schutz zu gewähren und sicherzustellen, dass Fehlverhalten, Fehlentscheidungen und Probleme sonstiger Art bei der Erfüllung der ihm zukommenden Aufgaben der Wahrung des inneren Friedens nicht vorkämen (VG Trier, a.a.O., unter Bezugnahme auf BVerwG, NVwZ 1995, 391).
Dies überzeugt hier im Hinblick auf die aktuelle Situation Guineas nicht. Nach den Kriterien der Rechtsprechung für die Annahme einer mittelbaren Verfolgung reicht es aus, wenn der Staat die ihm zur Verfügung stehenden Machtmittel nicht gebraucht, um sich schützend vor die betroffenen Bürgerinnen zu stellen (VG Magdeburg, a.a.O.; VG München, a.a.O.; Leinsmann a.a.O.). Es ist gerade kein Argument, dass es für den Staat mitunter schwierig sein kann, schutzgewährend einzugreifen, etwa aus Respekt vor traditionellen Wertvorstellungen oder aus Rücksicht auf gesellschaftlich relevante Gruppen. Denn strafbewehrtes Verhalten findet typischerweise im Geheimen statt, so dass dem Staat die Schutzfähigkeit nicht deshalb abgesprochen werden kann, weil die zu führenden Ermittlungen ggf. zeit- und arbeitsaufwendig sind (Bumke, a.a.O., S. 42). Entscheidend ist hier, dass die Nichteinleitung von Strafverfahren darauf schließen lässt, dass es dem guineischen Staat am Willen fehlt, die gesetzlichen Bestimmungen ernstlich durchzusetzen. Das Gericht ist davon überzeugt, dass etwa exemplarische Bestrafungen in bekannt werdenden Fällen der Genitalverstümmelung nicht ohne gesellschaftliche Wirkung bleiben würden (so auch VG Frankfurt a.M., Urteil vom 29. August 2001, a.a.O.). Daran, dass in dieser Richtung nichts geschieht, wird sichtbar, dass die Regierung nicht gewillt ist, der Bekämpfung der Beschneidung die politische Priorität einzuräumen, die wegen der lebensbedrohlichen und dauerhaft gesundheitsschädigenden Folgen für den überwiegenden Teil der weiblichen Bevölkerung dringend geboten wäre. Denn nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen bedarf es um so größerer staatlicher Anstrengungen, um Rechtsgutsverletzungen zu verhindern, je gewichtiger das bedrohte Rechtsgut und je größer das Ausmaß des zu befürchtenden Schadens ist. Erst wenn der Staat alle ihm zu Gebote stehenden Mittel ausgeschöpft hat und diese sich als wirkungslos erweisen, kann davon gesprochen werden, dass die Schutzgewährung seine Kräfte übersteigt (VG Frankfurt a.M., a.a.O.). Angesichts der immer noch erschreckend hohen Beschneidungsrate und der mit der Beschneidung verbundenen Gesundheits- und Lebensgefahren wird das Defizit in der Strafverfolgung auch nicht durch die Beteiligung an Aufklärungsmaßnahmen ausgeglichen. Auch die Regierung selbst geht offenbar davon aus, dass die Überzeugungsarbeit über einen Zeitraum von 20 Jahren erfolgen muss, so dass man gegenwärtig noch am Anfang der Bemühungen steckt. Schließlich ist der Erfolg dieses Programms statistisch gegenwärtig nicht nachweisbar (U.S. Department of State, a.a.O., S. 13). [...]