OVG Hamburg

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Zitieren als:
OVG Hamburg, Beschluss vom 25.09.2003 - 1 Bs 457/03 - asyl.net: M4813
https://www.asyl.net/rsdb/M4813
Leitsatz:

Die Abschiebung des Vaters eines Kleinkindes mit deutscher Staatsangehörigkeit, der mit dem Kind in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, ist bei drohender Wartezeit bis zur Visumserteilung von einigen Monaten auch dann unzulässig, wenn der Ausländer zuvor erheblich gegen ausländerrechtliche Bestimmungen verstoßen hat.(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Ivorer, Duldung, Abschiebungshindernis, Familiäre Lebensgemeinschaft, Kind, Deutsche Kinder, Schutz von Ehe und Familie, Nichteheliche Kinder, Vaterschaftsanerkennung, Gemeinsames Sorgerecht, Betreuungsgemeinschaft, Visumspflicht, Ausreise, Visumsverfahren, Zumutbarkeit, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AuslG § 55 Abs. 2; GG Art. 6
Auszüge:

Das Verwaltungsgericht hat der Antragsgegnerin zu Recht vorläufig untersagt, den Antragsteller in die Elfenbeinküste abzuschieben.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin wiegen die familiären Belange so schwer, dass dem Antragsteller und seinem Sohn eine vorübergehende Trennung zur Einholung eines Visums vom Ausland aus nicht zugemutet werden kann. Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und einem von ihm als Vater anerkannten deutschen Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, weil dem deutschen Kind wegen dessen Beziehung zu seiner deutschen Mutter das Verlassen der Bundesrepublik nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, regelmäßig einwanderungspolitische Belange zurück (BVerfG, Kammer-beschl. v. 31.8.1999 - 2 BvR 1523/99 -, NVwZ 2000 S. 59). Dabei ist eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen, d.h. die tatsächliche Verbundenheit der Familienmitglieder (BVerfG, Kammerbeschl. v. 30.1.2002 -2 BvR 231/00- NVwZ 2002 S. 849) zu berücksichtigen sind, und auf der anderen Seite die sonstigen Umstände des Einzelfalles.

Auch wenn der Antragsteller hier nach den Regelungen der §§ 17 ff. AuslG verpflichtet wäre, vor seiner Einreise ein Visumsverfahren vom Ausland her durchzuführen, führen die übrigen Umstände dieses Falles aber dazu, dass seine Abschiebung rechtlich unmöglich ist.

Der Antragsteller hat ausweislich der vom Jugendamt des Bezirksamtes Harburg ausgestellten Urkunde vom (...) die Vaterschaft zu dem am (...) geborenen deutschen Kind ... anerkannt. Er hat weiterhin nach der ebenfalls vom Jugendamt ausgestellten Urkunde über Sorgeerklärungen vom (...)erklärt, gemeinsam mit der deutschen Mutter ... geb. ..., das Sorgerecht ausüben zu wollen.

Nach der eidesstattlichen Versicherung von Frau ... vom 10. September 2003 lebt der Antragsteller seit (...)mit ihr faktisch in einer familiären Gemeinschaft und ist seit (...) auch in der gemeinsamen Wohnung in (...) angemeldet. Sie bestätigt weiterhin, dass er sich um den gemeinsamen Sohn gleichberechtigt kümmert und eine intensive Beziehung zu ihm hat. Damit ist, wie auch das Verwaltungsgericht zutreffend näher ausgeführt hat, davon auszugehen, dass der Antragsteller in einer schützenswerten familiären Lebensgemeinschaft und nicht nur einer bloßen Begegnungsgemeinschaft mit seinem Kind lebt.

Der Antragsteller hat weiterhin durch eidesstattliche Versicherungen der Kindesmutter auch gegenüber dem Beschwerdegericht glaubhaft gemacht, dass sie eine Halbtagstätigkeit in einem Restaurant ab dem (...) aufnehmen kann, wenn sich der Antragsteller in dieser Zeit um das gemeinsame Kind kümmert. Eine Erklärung des zukünftigen Arbeitsgebers, dass die Einstellung von Frau ... für den (...)vorgesehen ist, ist ebenfalls zur Akte gereicht worden. In dieser Zeit muss das Kind von seinem Vater betreut werden. Der Antragsteller hat damit besondere Lebensverhältnisse glaubhaft gemacht, nach denen der Sohn schon allein während der Berufstätigkeit der Mutter auf die dauernde Anwesenheit seines Vaters angewiesen ist.

Es ist weiterhin zu berücksichtigen, dass der Antragsteller nach einer Rückkehr in sein Heimatland einige Monate auf die Erteilung eines Visums warten müsste und selbst diese verhältnismäßig kurze Trennungszeit für seinen ca. (...) alten Sohn, einem Kleinkind, dessen Entwicklung schnell voranschreitet, schon unzumutbar lang ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 31.8.1999 -2 BvR 1523/99 -; NVwZ 2000 S. 59).