VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Beschluss vom 31.07.2002 - VG 30 F 37.02 - asyl.net: M4915
https://www.asyl.net/rsdb/M4915
Leitsatz:

Die mit der Duldung der Antragstellerin verbundene Auflage, ihr sei eine berufliche Ausbildung oder sonstige berufliche Tätigkeit nicht gestattet, ist rechtswidrig.

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Bosnier, Duldung, Auflagen, Ausbildung, Ermessen, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt, Einstweilige Anordnung
Normen: AuslG § 56 Abs. 3 S. 2; VwGO § 80 Abs. 5; VwGO § 80 Abs. 5 S. 3
Auszüge:

Das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt das Vollzugsinteresse des Antragsgegners, weil die angegriffene Auflage bei summarischer Prüfung rechtswidrig ist.

Rechtsgrundlage der Auflage ist § 56 Abs. 3 Satz 2 AuslG, wonach Auflagen bei

Duldungserteilung angeordnet werden können. Die Ermessensentscheidung des Antragsgegners erweist sich bei summarischer Prüfung als fehlerhaft, weil sie die gebotene Interessenabwägung zwischen den öffentlichen Belangen und den privaten Belangen der Antragstellerin unter Berücksichtigung aller entscheidungserheblicher Gesichtspunkte vermissen lässt.

Der Antragsgegner hat das Verbot einseitig auf die öffentlichen Interessen, den Aufenthalt der Antragstellerin nicht weiter zu verfestigen, gestützt, ohne diese erkennbar abzuwägen mit den Interessen der Antragstellerin an der Aufnahme der Ausbildung.

Die für das Interesse der Antragstellerin sprechenden Umstände, wie ihr langjähriger Aufenthalt und ihr Werdegang, werden nicht berücksichtigt.

Es ist nicht ersichtlich, dass er das Aufwachsen der Antragstellerin im Bundesgebiet, ihren langjährigen und erfolgreichen Schulbesuch und die damit verbundene Integration in hiesige Lebensverhältnisse - und somit die faktische Aufenthaltsverfestigung - berücksichtigt hat. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Ausreisepflicht der Antragsstellerin in naher Zukunft durchgesetzt werden soll. Denn die Anträge der Antragstellerin und ihrer Familie auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis wegen kriegsbedingter schwerer Traumata der Antragstellerin und ihres Vaters vom 8. Mai 2001 sind noch nicht beschieden. Der Antragsgegner geht offenkundig selbst davon aus, die bis zum 17. September 2002 gültige Duldung weiter zu verlängern (vgl. Vermerk vom 24. Juli 2002, Bl. 84 der Ausländerakte der Antragstellerin: "W. v. 17.09.2002 Verlängerung der Duldung"). Die vom Antragsgegner angeführten "infastrukturellen Belastungen" durch den - hier nicht streitbefangenen - weiteren Aufenthalt der Antragstellerin bilden kein taugliches Kriterium für die Ermessenserwägung bezüglich der streitbefangenen Auflage. Denn bei Aufnahme der Ausbildung würden die für die Antragstellerin bislang erbrachten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hinfällig.

Auch der Antrag auf vorläufige Streichung der Auflage in der der Klägerin ausgehändigten Duldungsbescheinigung ist begründet. Rechtsgrundlage für den Ausspruch der vorläufigen Streichung ist § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO analog.

Denn aufgrund der in der Duldungsbescheinigung, die der Antragsstellerin als Ausweisersatz und somit auch zur Legitimation vor ihrem Arbeitgeber oder vor Behörden dient, vermerkten Auflage wird Dritten gegenüber der Anschein erweckt, als sei das Verbot der Aufnahme einer Berufsausbildung vollziehbar.