OLG Braunschweig

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Zitieren als:
OLG Braunschweig, Beschluss vom 04.02.2004 - 6 W 32/03 - asyl.net: M5287
https://www.asyl.net/rsdb/M5287
Leitsatz:

Die Ausländerbehörde ist nicht ermächtigt, ohne vorherige richterliche Entscheidung einen Ausländer selbst oder durch die Polizei zur Sicherung der Abschiebung in Gewahrsam zu nehmen.(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Ingewahrsamnahme, Polizei, Abschiebungshaft, Illegale Einreise, Unerlaubter Aufenthalt, Vorbereitung der Abschiebungshaft, Haftanordnung, Richtervorbehalt, Sofortige weitere Beschwerde, Feststellungsantrag
Normen: NGefAG § 13; NGefAG § 18; FEVG § 11
Auszüge:

Die Ingewahrsamsnahme des Betroffenen durch die Verwaltungs- bzw. Polizeibehörde zur Vorführung beim Amtsgericht, welches über die Anordnung der Abschiebehaft zu entscheiden hatte, war rechtswidrig. Das geltende Recht der Abschiebehaft ermächtigt die Ausländerbehörde nicht, den Ausländer über die Polizeibehörden aus eigener Machtvollkommenheit zur vorläufigen Sicherung der Abschiebung selbst in Gewahrsam zu nehmen oder dem Haftrichter vorzuführen. In Eilfällen ist vielmehr immer eine vorherige richterliche Entscheidung ggf. im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 11 FEVG auf Antrag der zuständigen Behörde erforderlich. Es gibt keinen der Abschiebehaft vorgelagerten Freiheitsentzug durch die Verwaltungsbehörde (BVerwG NJW 1982, 536; BGH NJW 1993, 3069; OLG Frankfurt InfAuslR 1995, 361; OLG Zweibrücken NStZ 2002, 256; Marschner/Volckart, a.a.O., § 13 Rdnr. 2).

Die Antragstellerin kann demgegenüber die Ingewahrsamsnahme nicht auf § 18 Abs.1 Nr.2 NGefAG, also auf Landesrecht, stützen. Soweit sie hierzu vorträgt, die Ingewahrsamsnahme sei unerlässlich gewesen, um die unmittelbar bevorstehende Begehung und Fortsetzung einer Straftat i.S.d. genannten Vorschrift zu verhindern, ist diese Zweckbestimmung tatsächlich unzutreffend. Zwar mag der Betroffene nach erfolgter Abschiebung wieder illegal eingereist sein und sich deshalb weiterhin illegal im Bundesgebiet aufgehalten haben, was im vorliegenden Zusammenhang indes nicht der näheren Prüfung bedarf. Denn seine Festnahme erfolgte gerade nicht im Hinblick auf die von der Antragstellerin genannten Straftaten - beispielsweise zur Herbeiführung eines entsprechenden Haftbefehls -, sondern auf Veranlassung der Antragstellerin als Ausländerbehörde "aufgrund: Ausweisungsverfügung - Abschiebungsverfügung - Versagung der Aufenthaltsgenehmigung - rechtskr. Ausreiseaufforderung u. Absch. Androhung", wie sich aus der Mitteilung über die vorläufige Festnahme eines Ausländers vom 12.11.2002 der Polizeidirektion Braunschweig ergibt.

Darnit steht fest, dass die Ingewahrsamsnahme des Betroffenen vor Anordnung der Abschiebehaft durch das Amtsgericht nicht auf das Niedersächsische Gefahrenabwehrgesetz gestützt wurde, sondern zur Vorbereitung der von der Antragstellerin beantragten Abschiebungshaft diente. Da hierzu, wie oben ausgeführt worden ist, immer eine vorherige richterliche Entscheidung erforderlich ist, war die durch die Verwaltungsbehörde angeordnete Freiheitsentziehung rechtswidrig.