VG Arnsberg

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Zitieren als:
VG Arnsberg, Urteil vom 24.06.2004 - 12 K 1341/03.A - asyl.net: M5382
https://www.asyl.net/rsdb/M5382
Leitsatz:

Asyl wegen den iranischen Behörden bekannt gewordener Homosexualität; die Beteiligungsbefugnis des Bundesbeauftragten ist zweifelhaft, wenn er lediglich einzelfallbezogene Sachverhalts- und Glaubwürdigkeitsaspekte geltend macht.(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Iran, Homosexuelle, Glaubwürdigkeit, Bundesbeauftragter, Anfechtungsklage, Beteiligungsbefugnis
Normen: GG Art. 16a; AsylVfG § 6 Abs. 2 S. 3
Auszüge:

Die Klage hat keinen Erfolg.

Sie ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthaft, denn der Kläger kann nach § 6 Abs. 2 Satz 3 AsylVfG gegen Entscheidungen des Bundesamtes klagen und ist daher in Verfahren der vorliegenden Art auch beteiligungsbefugt (vgl. zur weiteren Auslegung der Beteiligungsbefugnis des Klägers: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 27. Juni 1995 - 9 C 7.95 - BVerwGE 99, 38 ff).

In diesem Zusammenhang merkt das Gericht jedoch an, dass es durchgreifende Zweifel daran hat, ob der Kläger sich im vorliegenden Verfahren noch entsprechend seinem gesetzgeberischen Auftrag verhalten hat. Denn die Institution soll nach ihrem Sinn und Zweck als Korrektiv gegenüber den weisungsgebundenen Entscheidungen des Bundesamtes dienen, auf eine einheitliche Entscheidungspraxis der Gerichte hinwirken sowie Fragen grundsätzlicher Bedeutung einer ober- oder höchstrichterlichen Entscheidung zuführen. Die zu beobachtende Praxis des Klägers, nur zu Lasten der Asylbewerber gegen stattgebende Entscheidungen vorzugehen und dabei gelegentlich auch einzelfallbezogene Sachverhalts- und Glaubwürdigkeitsaspekte geltend zu machen, wird diesem gesetzgeberischen Auftrag nicht gerecht (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Beschluss vom 19. Dezember 2000 - 2 BvR 143/98 - Beilage I zur Neuen Zeitschrift für

Verwaltungsrecht (NVwZ) 2001, S. 28).

Im vorliegenden Verfahren macht der Kläger ohne Beteiligung an einer persönlichen Anhörung auf der Grundlage des Anhörungsprotokolls ausschließlich solche einzelfallbezogenen Aspekte geltend. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass dem vom Bundesamt schriftlich festgehaltenen Vorbringen eines Asylbewerbers bereits wegen gravierender Widersprüche, erheblicher Ungereimtheiten oder dem völligen Fehlen der erforderlichen Substantiierung jede Glaubhaftigkeit abzusprechen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 2002 - 1 B 392.01 - Deutsches Verwaltungsblatt (DVBI.) 2002, 1213).

Hat das Bundesamt trotz einer solchen sich "aufdrängenden" Unglaubhaftigkeit eine

stattgebende Entscheidung ausgesprochen, so entspricht eine Klage auch dem Auftrag des Klägers, denn dann wirkt er als Korrektiv auf eine einheitliche Entscheidungspraxis hin. Solche Aspekte für eine sich aufdrängende Unglaubhaftigkeit des Vorbringens hat der Kläger in der Klageschrift nicht behauptet, geschweige denn dargelegt. Er hat vielmehr unter Herausgreifen einzelner Angaben behauptet, die Angaben des Beigeladenen seien "insgesamt zu vage, unsubstantiiert und teilweise unwahrscheinlich, als dass von einem gIaubhaften Vortrag ausgegangen werden muss". Er hat insoweit weder gravierende Widersprüche oder erhebliche Ungereimtheiten herausgearbeitet noch eine völlig fehlende Substantiierung des Vortrages dargelegt, so dass der Kläger sich nicht entsprechend seinem gesetzlichen Auftrag am Verfahren beteiligt hat.

Es kann im vorliegenden Verfahren letztlich dahInstehen, ob in Fällen der vorliegenden Art die Beteiligungsbefugnis des Klägers fehlt, denn die Klage kann deshalb keinen Erfolg haben, weil die Beklagte den Beigeladenen zu Recht als Asylberechtigten anerkannt hat. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist insoweit geklärt, dass einem schicksalhaft, irreversibel homosexuellen iranischen Staatsbürger im Falle der Rückkehr in den Iran jedenfalls dann mit beachtlicher

Wahrscheinlichkeit die Gefahr politischer Verfolgung droht, wenn den Behörden dessen homosexuelle Neigung, und Betätigung bereits vor der Rückkehr in den Iran bekannt ist und deshalb damit zu rechnen ist, dass sein Verhalten im Iran einem gesteigerten Beobachtungs- und Verfolgungsinteresse ausgesetzt sein wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. März 1988 - 9 C 276.86 -, BVerwGE 79,143 und vom 17. Oktober 1989 9 C 25.89 -, NVwZ-RR 1990, 375; OVG Bremen, Urteil vom 9.Februar 2000 - OVG 2 A 441/98.A -; Sächsisches OVG, Urteil vom 5. Februar 2004 - 2 B 145/03 - JURIS-Dokument MWRE 10602040O).