VG Münster

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Zitieren als:
VG Münster, Urteil vom 16.01.2004 - 7 K 1778/98.A - asyl.net: M5387
https://www.asyl.net/rsdb/M5387
Leitsatz:

§ 53 Abs. 4 AuslG für Mutter eines außerehelichen Kindes wegen Gefahr der Prügelstrafe im Iran.(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Iran, Monarchisten, Flugblätter, Glaubwürdigkeit, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Exilpolitische Betätigung, CPI, Verein zur Verteidigung der politischen Gefangenen im Iran, Demonstrationen, Büchertisch, Medienberichterstattung, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis, Menschenrechtswidrige Behandlung, Strafverfolgung, Körperstrafen, Auspeitschung, Unerlaubter Geschlechtsverkehr, Geschlechtsspezifische Verfolgung, Nichteheliche Kinder
Normen: GG Art. 16a; AuslG § 51 Abs. 1; AuslG § 53 Abs. 4
Auszüge:

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16 a Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -. Sie kann auch die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Ausländergesetz - AuslG - nicht verlangen, weil sie keine politisch Verfolgte im Rechtssinn ist.

Sie hat nicht glaubhaft machen können, dass sie im Iran wegen regimefeindlicher Aktivitäten in das Blickfeld der Sicherheitskräfte geraten und von diesen gesucht worden ist. Die Ausführungen in diesem Zusammenhang sind pauschal und nichtssagend. Sie lassen weder ein besonderes politisches Interesse der Klägerin erkennen noch zeigen sie auf, wie die Sicherheitskräfte auf sie als Regimegegnerin hätten aufmerksam werden können.

Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine politische Verfolgung der Klägerin wegen der von ihr aufgezeigten Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland ist nicht gegeben. Insoweit reicht nicht jede öffentlich zur Schau getragene Kritik, sondern nur ein nach außen hin in exponierter Weise für eine regimefeindliche Organisation erfolgtes Auftreten aus (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschlüsse vom 16. April 1999 - 9 A 5338/98.A - m.w.N., vom 23. Oktober 2000 - 6 A 4899/00.A - und vom 4. April 2001 - 6 A 1 064/01.A -).

Die Klägerin verweist hinsichtlich der Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland auf ihre Teilnahme an Veranstaltungen der Monarchisten und des "Vereins zur Verteidigung der politischen Gefangenen im Iran". Diesen Tätigkeiten kommt keine asylerhebliche Bedeutung zu. Dies gilt auch für den Fall, dass sie auf Fotos bzw. in Fernsehberichten als Teilnehmerin im Bild zu erkennen ist. Auch die vorgelegte Bescheinigung des "Vereins zur Verteidigung der politischen Gefangenen im Iran" bezieht sich lediglich auf die Teilnahme an verschiedenen Demonstrationen, enthält aber keine Hinweise auf besondere Aufgaben der Klägerin.

Es sind aber die Voraussetzungen des § 53 Abs. 4 AuslG in der Person der Klägerin erfüllt.

Mit Blick auf das Vorbringen der Klägerin im Klageverfahren, dass sie im Februar 2003 ein nichteheliches Kind geboren habe, und den Umstand, dass ihr Ehemann weiterhin im Iran lebt, ist davon auszugehen, dass sie im Falle ihrer Rückkehr in den Iran einer menschenrechtswidrigen Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK ausgesetzt wird; ihr droht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im Iran eine Bestrafung nach den Bestimmungen des Islamischen Gesetzbuches wegen unzüchtiger Handlungen.

Zwar ist es unwahrscheinlich, dass die Klägerin wegen unerlaubten Geschlechtsverkehrs nach Artikel 63 ff (Artikel 88) des Zweiten Buches des Islamischen Strafgesetzbuches bestraft wird; diese "Hadd"-Bestrafung dürfte wegen der sehr strengen Beweisanforderungen (vgl. hierzu Deutsches Orientinstitut an Verwaltungsgericht Gelsenkirchen vom 27. Februar 2003; Auswärtiges Amt an Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 23. April 2001), nicht in Betracht kommen. Die Klägerin hat jedoch mit einer Bestrafung nach Artikel 637 des Fünften Buches des Islamischen Strafgesetzbuches zu rechnen. Nach dieser Vorschrift droht dem Beschuldigten eine Strafe von bis zu 99 Peitschenhieben. In diesem Fall kommt es nicht auf die strengen Beweisanforderungen der oben genannten Hadd-Strafen an, der Richter ist frei in der Beweisführung. Insoweit kann sich aus den Umständen, dass der Ehemann der Klägerin während ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland ständig im Iran gelebt hat und die Klägerin mit einem Kind zurückkommt, eine entsprechende Beweisführung ableiten lassen.