VG Bremen

Merkliste
Zitieren als:
VG Bremen, Urteil vom 26.04.2004 - 4 K 231/04 - asyl.net: M5704
https://www.asyl.net/rsdb/M5704
Leitsatz:

Ermäßigte Einbürgerungsgebühren für anerkannte Flüchtlinge.(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Iraner, Asylberechtigte, Einbürgerungsgebühren, Erlass, Minderung, Ermessen, Genfer Flüchtlingskonvention, Wohlwollensgebot, Verwaltungspraxis, Neubescheidung
Normen: AuslG § 90 S. 3; GK Art. 34
Auszüge:

Die durch die angefochtenen Bescheide erfolgte Ablehnung des Antrags des Klägers auf Erlass bzw. Minderung der Einbürgerungsgebühr ist mit der erfolgten Begründung der Bescheide rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Der Anspruch des Klägers auf pflichtgemäße Ermessensentscheidung der Einbürgerungsbehörde hinsichtlich der Ermäßigung der oder Befreiung von der Einbürgerungsgebühr ergibt sich aus § 90 Satz 3 AuslG. Danach kann von der Gebühr aus Gründen der Billigkeit oder des öffentlichen Interesses Gebührenermäßigung oder -befreiung gewährt werden. Mit der von der Beklagten angeführten Begründung der Ablehnung einer solchen Ermäßigung oder Befreiung, die ihrer derzeitigen allgemeinen Verwaltungspraxis entspricht, können die angefochtenen Bescheide keinen Bestand haben.

Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Kläger als anerkannter Asylberechtigter nach § 2 AsylVfG im Bundesgebiet die Rechtsstellung nach der GFK genießt und für diesen Personenkreis nach Art. 34 GFK bei der Einbürgerung und Erhebung der Einbürgerungsgebühr ein Wohlwollensgebot besteht.

Die Beklagte übersieht, dass bei Asylberechtigten, also Flüchtlingen im Sinne der GFK, das Ermessen der Einbürgerungsbehörde bei der Gebührenfestsetzung durch das Wohlwollensgebot im Art. 34 GFK zusätzlich zu etwaigen vorliegenden schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen des Einzubürgernden beeinflusst wird. Art. 34 GFK enthält nämlich ein innerstaatlich unmittelbar anwendbares Wohlwollensgebot, das Behörden und Gerichte bindet und auf dessen Beachtung die begünstigten Personen einen Anspruch haben. Die Einengung des Ermessens ist darin begründet, dass Flüchtlinge im Sinne der GFK typischerweise des Schutzes entbehren, den sonst ein Staatsangehöriger durch seinen Heimatstaat erhält. Deshalb hat die Bundesrepublik Deutschland ihnen gegenüber eine Fürsorge übernommen, die eine angemessene Regelung ihrer Staatsangehörigkeit einschließt (vgl. zu allem: OVG Bremen, U. v. 18.05.1999 - 1 HB 497/98). Diese erstreckt sich nach Auffassung der erkennenden Kammer auch auf eine angemessene Berücksichtigung des Status nach der GFK bei der Gebührenbemessung für eine Einbürgerung. Es greift zu kurz, wenn die Beklagte meint, für eine Gebührenermäßigung oder -befreiung bedürfe es einer konkreten innerstaatlichen gesetzlichen Regelung. Sie verkennt dabei, dass die GFK innerstaatlich unmittelbar anwendbar ist und - wenn auch nicht in Form einer verbindlichen konkreten Gebührenkürzungsvorgabe - deshalb auf die nach § 90 Satz 3 AuslG zu treffende Ermessensentscheidung ausstrahlt. Indem die Beklagte diesen Gesichtspunkt bei ihrer Ermessensentscheidung ausgeblendet hat, hat sie ermessensfehlerhaft gehandelt.

Die Beklagte verkennt weiter, dass die Privilegierung von Asylberechtigten hinsichtlich der Höhe der Einbürgerungsgebühr gesetzgeberischer Wille ist. Das ergibt sich aus dem gesetzeshistorischen Zusammenhang: ...

Die erkennende Kammer ist der Auffassung, dass die Privilegierung von Asylberechtigten bei der Höhe der Einbürgerungsgebühr, die sich aus der soeben dargelegten Gesetzeshistorie ergibt, auf den Regelungsinhalt auch des § 90 Satz 3 AuslG durchgreift. Der vertraglich eingegangenen Verpflichtung zur Umsetzung des Art. 34 Satz 2 GFK hat die Bundesrepublik Deutschland zunächst in der StAGebV entsprochen. Mit der Gesetzesänderung 1993 wurde diese Privilegierung in § 38 RuStAG übertragen. Seit 1999 ist die Höhe der Einbürgerungsgebühr nach dem StAG und dem AuslG gleich. Beide Gesetze haben wortgleiche Ausnahmeregelungen. Es liegt damit nahe, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die im RuStAG/StAG privilegierten Gruppen auch im AuslG als privilegiert angesehen werden sollen. Erst recht muss dies für Asylberechtigte mit dem Status nach der GFK gelten. Die Kostendeckung der Normalgebühr in Höhe von heute 255 Euro wird in ihrem Fall keinen Grund dafür darstellen können, nicht eine geringere Gebühr zu erheben. Die Formulierung in Art 34 Satz 2 GFK: "... soweit wie möglich ..." kann mithin nur dahingehend verstanden werden, dass eine sorgfältige Abwägung des öffentlichen Interesses an einer möglichst kostendeckenden Gebühr im Sinne der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung mit dem Interesse von Asylberechtigten an einer möglichst kostengünstigen Einbürgerung erforderlich ist. Die Beklagte selbst hält schließlich, wie ihr Erlass vom 31.10.2003 belegt, in anderen Fällen eine Gebührenermäßigung um die Hälfte oder mehr oder sogar eine völlige Befreiung für möglich. Dafür, dass dies im Falle des Klägers nicht zu erfolgen hat, fehlt es bislang an einer rechtlich tragfähigen Begründung.