VG Münster

Merkliste
Zitieren als:
VG Münster, Urteil vom 26.01.2005 - 10 K 2110/02.A - asyl.net: M6140
https://www.asyl.net/rsdb/M6140
Leitsatz:
Schlagwörter: Syrien, Kurden, Jesiden, Gruppenverfolgung, Religiös motivierte Verfolgung, Verfolgung durch Dritte, Mittelbare Verfolgung, Diskriminierung, Blutrache, Glaubwürdigkeit
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 2 - 7
Auszüge:

Die geltend gemachten Ansprüche auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach Maßgabe des § 60 Abs. 1, 2, 3, 5 und 7 AufenthG bestehen nicht.

Die Kläger sind als Yeziden nicht politisch verfolgt. Auseinandersetzungen und Zusammenstöße zwischen Yeziden und Arabern gehen regelmäßig auf versteckte und offene Diskriminierungen in Syrien zurück, die in dem komplizierten gesellschaftlichen Miteinander unterschiedlicher konkurrierender Religionsgemeinschaften nur schwer zu vermeiden sind. Die darin zum Ausdruck kommende Unsicherheit, Unzufriedenheit und Perspektivlosigkeit der Kläger lässt sich jedoch nicht als politische Verfolgung durch den syrischen Staat bewerten. Das negative Ansehen der yezidischen Religion in einer muslimisch geprägten Umwelt kann allerdings das Verhalten der syrischen Staatsorgane entsprechend beeinflussen. Eine direkte staatliche Verfolgung der Yeziden in Syrien ist jedoch nicht zu belegen.

Eine mittelbare Gruppenverfolgung der Kläger wegen ihrer Zugehörigkeit zur yezidischen Religionsgemeinschaft findet ebenso wenig statt. Nach der vorliegenden Erkenntnislage und der obergerichtlichen Rechtsprechung spielen die Yeziden in der syrischen Bevölkerung keine signifikante Rolle, da sie mit ca. 10.000 bis 12.000 Personen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Syrien vom 17. Juli 2003, S. 13; OVG NRW, Beschluss vom 6. Januar 2004 - 3 A 4801/03.A -), eine relativ kleine Gruppe darstellen und auch innerhalb der kurdischen Bevölkerung unbedeutend sind. Die Yeziden unterliegen weder als ethnische Gruppe noch als religiöse Minderheit Repressionen durch den syrischen Staat.

Zwar gibt es mehr oder weniger schlimme Diskriminierungen der Yeziden durch ihr muslimisches Umfeld, doch bleiben diese unterhalb einer unmittelbaren Gruppenverfolgung. Das alavitische Minderheitenregime akzeptiert Angehörige aller Minderheiten als gleich schutzwürdig (vgl. insoweit Gutachten des Deutschen Orient Institutes vom 8. Juli 1997 sowie Kurzinformation des Bundesamtes vom Februar 2003 zur Situation, Rechtsprechung und Entscheidungspraxis der Yeziden in Syrien).

Auch auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG können sich die Kläger nicht mit Erfolg berufen, weil für sie in Syrien eine erheblich konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit nicht besteht. Soweit die Kläger insoweit geltend machen, ihnen drohe aufgrund eines - im Tatbestand im einzelnen wiedergegebenen - angeblichen Vorfalls die Blutrache durch eine arabische Familie, nimmt das Gericht den Klägern diese Geschichte nicht ab. Ausgehend von den überzeugenden und im einzelnen nachvollziehbaren Ausführungen, die das Deutsche Orient Institut in seiner Auskunft vom 22. Dezember 2004 gemacht hat, welche ebenfalls in ihren wesentlichen Aussagen im Tatbestand wiedergegeben ist, muss das Gericht davon ausgehen, dass die Schilderungen der Kläger zu 1 und 2 in der mündlichen Verhandlung lediglich mit dem Ziel frei erfunden worden sind, sich selbst eine Verfolgungslegende zuzulegen, die ein Bleiberecht in Deutschland begründen könnte. Diese Verfolgungslegende hält aber, da sie an den sozialen Realitäten in Syrien völlig vorbeigeht, einer näheren Überprüfung auch nicht im Ansatz stand.