VG Arnsberg

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Zitieren als:
VG Arnsberg, Beschluss vom 14.04.2005 - 3 K 3175/04.A - asyl.net: M6467
https://www.asyl.net/rsdb/M6467
Leitsatz:

Schwere psychische Erkrankungen im Kosovo ausreichend behandelbar (im Anschluss an OVG NRW, Beschluss vom 16.12.2004 - 13 A 4512/03.A - ASYLMAGAZIN 4/2005, S. 23).

 

Schlagwörter: Serbien und Montenegro, Kosovo, Psychische Erkrankung, Posttraumatische Belastungsstörung, Suizidgefahr, Medizinische Versorgung, Prozesskostenhilfe
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1; AsylVfG § 77 Abs. 2; VwGO § 166; ZPO § 114
Auszüge:

Schwere psychische Erkrankungen im Kosovo ausreichend behandelbar (im Anschluss an OVG NRW, Beschluss vom 16.12.2004 - 13 A 4512/03.A - ASYLMAGAZIN 4/2005, S. 23).

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt, da die Rechtsverfolgung nicht die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - i.V.m. 5 114 der Zivilprozessordnung - ZPO -) bietet.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) (- vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 - 9 C 58.96 - in: BVerwGE 105, 383 = NVwZ 1998, 524 DVBl. 1998, 284 und vom 7. November 1995 - 1 C 6.99 -, in: InfAuslR 2000, 16-), der die Kammer folgt, wird ein zwingendes Abschiebungshindernis durch unzureichende Behandlungsmöglichkeiten im Heimatstaat (nur) dann begründet, wenn die konkrete erhebliche Gefahr besteht, dass sich die Krankheit des ausreisepflichtigen Ausländers alsbald nach seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat aufgrund mangelnder medizinischer Versorgung wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtert. Eine nicht zu erwartende Heilung einer bereits bestehenden Erkrankung im Zielland stellt hingegen noch keine - erst recht keine wesentliche - Verschlimmerung einer Erkrankung dar. Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG 1990 beziehungsweise § 60 Abs. 7 AufenthG soll dem Ausländer keinen Heilungserfolg unter Inanspruchnahme des Gesundheitssystems des Zufluchtstaates Deutschland sichern, sondern ihn vor gravierender Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter Leib und Leben im Abschiebungszielland, d.h. vor existenziellen Gesundheitsgefahren, bewahren.

Vor diesem Hintergrund können die Voraussetzungen für ein gesundheitsbedingtes Abschiebungshindernis nicht an deutschen Standards gemessen worden. Auch können an Qualität und Dichte der Gesundheitsversorgung im Abschiebungszielland einschließlich Kostenbeteiligung des Betroffenen keine der hiesigen Gesundheitsversorgung entsprechenden Anforderungen gestellt werden. Ein Abschiebungshindernis ist deshalb nicht anzunehmen, wenn eine dem Standard des Abschiebungsziellandes entsprechende, aber noch ausreichende zumutbare Gesundheitsversorgung gegeben ist (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. September 2004 - 13 A 3598104.A -).

Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung kommt eine Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zugunsten der Klägerin auch unter Einbeziehung des von ihr vorgelegten psychiatrischen Gutachtens des Prof. Dr. med. ... nicht in Betracht.

In der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), der das Gericht folgt, ist unter Auswertung der aktuellen Erkenntnislage anerkannt, dass selbst schwere psychische Erkrankungen im Kosovo jedenfalls durch medikamentöse Behandlung grundsätzlich soweit behandelbar sind, dass konkret-individuelle, existentielle Lebens- oder Leibesgefahren für in die Provinz Kosovo zurückgeführte Personen nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit festzustellen sind. Darüber hinaus werden die gegebenen medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten inzwischen zunehmend durch Gesprächstherapieangebote in den staatlichen Zentren der Provinz und in Einrichtungen internationaler Hilfsorganisationen ergänzt (vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. September 2004, a.a.O., und vom 16. Dezember 2004 - 13 A 4512103.A -).

Eine wesentliche oder gar lebensbedrohende Gesundheitsverschlechterung im Sinne einer existentiellen Gesundheitsgefahr lässt sich auch nicht aus der Erwägung ableiten, dass bei Rückführung eine aufgenommene Therapie abgebrochen oder die Krankheitssymptome erneut ausgelöst bzw. verstärkt würden.

Auch die sinngemäße Annahme der Klägerin, psychische Erkrankungen hätten im Kosovo eine gesellschaftliche Ausgrenzung zur Folge, ist ungeachtet der Frage, ob darin eine existenzielle Gefährdung zu sehen wäre, nicht ansatzweise nachvollziehbar gemacht worden. Sie ist auch sonst nicht plausibel angesichts der Vielzahl aus der Bundesrepublik Deutschland bereits in ihre Heimat zurückgekehrter bzw. ausreisepflichtiger Kosovo-Albaner, die sich, jedenfalls soweit sie sich in Gerichtsverfahren gegen ihre drohende Abschiebung gewendet hatten bzw. wenden, fast durchweg auf schwere psychische Erkrankungen berufen (haben) - vor allem auf sog. posttraumatische Belastungsstörungen -.

Sollten die Angaben der Klägerin vor dem Gutachter so zu verstehen sein, dass nach Rückkehr in das Heimatland wegen der dortigen Umstände die Gefahr eines Suizids nicht auszuschließen sei, handelte es sich zum einen um ein ungewisses und - im Rahmen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG 1990/ § 60 Abs. 7 AufenthG - bezüglich seiner Eintrittswahrscheinlichkeit nicht annähernd greifbares und deshalb nicht konkretes Ereignis; zum anderen liegt, wenn das Heimatland hinreichende Behandlungsmöglichkeiten für die als Abschiebungshindernis geltend gemachte Erkrankung bietet, gerade kein an Gegebenheiten im Heimatland anknüpfendes, sondern ein allein der Person des Ausländers zuzuschreibendes und von seinem individuellen Entschluss abhängendes Ereignis vor (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16, Dezember 2004 - 13 A 4512103.A -).