VG Göttingen

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Zitieren als:
VG Göttingen, Urteil vom 02.03.2005 - 4 A 38/03 - asyl.net: M6502
https://www.asyl.net/rsdb/M6502
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung wegen hervorgehobener Tätigkeit in der monarchistischen Constitutionalist Party of Iran (CPI).

 

Schlagwörter: Iran, Exilpolitische Betätigung, Folgeantrag, CPI, Interview, Monarchisten, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Festnahme, Situation bei Rückkehr, Menschenrechtswidrige Behandlung, Folter
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AsylVfG § 71 Abs. 1; AsylVfG § 28 Abs. 2 AsylVfG
Auszüge:

Flüchtlingsanerkennung wegen hervorgehobener Tätigkeit in der monarchistischen Constitutionalist Party of Iran (CPI).

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Entscheidung des Bundesamtes, den Beigeladenen Abschiebungsschutz gemäß § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt: § 60 Abs. 1 AufenthG) zu gewähren, ist nicht zu beanstanden.

Den Beigeladenen droht im Fall ihrer Rückkehr in den Iran aufgrund ihrer exilpolitischen Aktivitäten und ihrer Position innerhalb der Organisation CPI mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat in seiner Auskunft an das VG Kassel vom 22.07.2003 ausgeführt, die CPI werde als aktivste Gruppierung innerhalb des iranischen monarchistischen Spektrums angesehen. Wie alle oppositionellen Gruppen im Exil werde auch die CPI durch den iranischen Staat als potenzielle Bedrohung betrachtet und ihre Mitglieder unterlägen einer permanenten Ausspähung durch den iranischen Nachrichtendienst. Da jedoch von den monarchistischen Gruppen keine ernsthafte Gefahr für die innere Sicherheit bzw. die Existenz des Iran ausgehe, sei anzunehmen, dass sich die Beobachtung auf Mitglieder beschränke, die eine herausgehobene Position innerhalb der Organisation einnähmen. Hierunter seien Personen zu verstehen, die Führungs- oder Funktionsaufgaben wahrnähmen, an Veranstaltungen teilnähmen, die führenden Mitgliedern der Organisation vorbehalten seien, ohne erkennbar Außenstehende zu sein, oder Verantwortung für Presseerzeugnisse, öffentliche Veranstaltungen oder wirtschaftliche Belange der Organisation hätten.

Aufgrund des besonderen Interesses der iranischen Sicherheitsstellen an Personen mit herausgehobenen oppositionellen Positionen ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Beigeladenen bei ihrer Rückkehr in den Iran mit ihrer Festnahme rechnen müssten. Sie wären gefährdet, im Rahmen der zu erwartenden Verhöre asylrechtlich erhebliche Misshandlungen und Folter zu erleiden, mittels derer die Sicherheitskräfte versuchen würden, Informationen über die Aktivitäten der monarchistischen Exilopposition zu erlangen. Das Gericht folgt insoweit der Einschätzung des Deutschen Orient-Instituts (Auskünfte vom 26.05.2003 an das VG Kassel und an das VG Schleswig) sowie amnesty internationals (Auskunft vom 03.02.2004 an das VG Schleswig).

Die Regel des § 28 Abs. 2 AsylVfG, wonach ein Ausländer im Asylfolgeverfahren Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG nicht mehr erhält, kommt im Fall der Beigeladenen nicht zur Anwendung. Die Neufassung des Gesetzes verfolgt den Zweck, Ausländern den Anreiz zu nehmen, nach unverfolgter Ausreise und abgeschlossenem Asylverfahren aufgrund neu geschaffener Nachfluchtgründe ein Asylverfahren zu betreiben, um damit zu einem dauernden Aufenthalt zu gelangen (BT-Drucks. 15/420, S. 109 f.). Aus der Begründung des Gesetzentwurfs folgt, dass mit der Regelung die "asylunwürdigen" Verhaltensweisen der sog. "risikolosen Verfolgungsprovokation" aus dem sicheren Aufenthaltsstaat heraus getroffen werden sollen (vgl. Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG,. Stand: Dezember 2004, § 28 Rn. 47). Der betroffene Personenkreis soll zwar im Hinblick auf den weiter bestehenden subsidiären Schutz des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht schutzlos gestellt werden. Er soll jedoch in seinem aufenthaltsrechtlichen Status schlechter gestellt werden, weil derartige das Schutzbedürfnis hervorrufende Verhaltensweisen rechtspolitisch missbilligt werden. Den Beigeladenen kann nicht vorgeworfen werden, sie missbrauchten durch ihr politisches Engagement das Schutzsystem des Asylrechts. Sie haben vielmehr eine bereits im Asyl-Erstverfahren gezeigte politische Betätigung, die seinerzeit lediglich ein niedrigeres Profil aufwies, fortgesetzt und mit der Folge gesteigert, dass nunmehr eine beachtlich wahrscheinliche Gefahr politischer Verfolgung besteht. Damit gehören sie nicht zu dem Personenkreis, dessen Verhalten der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 28 Abs. 2 AsylVfG treffen wollte, so dass das Gericht die gesetzliche Regel in ihrem Fall nicht anwendet.