VG Münster

Merkliste
Zitieren als:
VG Münster, Urteil vom 05.04.2005 - 7 K 1435/02.A - asyl.net: M6518
https://www.asyl.net/rsdb/M6518
Leitsatz:
Schlagwörter: Togo, Nichtstaatliche Verfolgung, Schutzbereitschaft, Schutzfähigkeit, Verfolgung durch Dritte, exilpolitische Betätigung, Offener Brief, Strafe, Strafverfahren, Menschenrechtswidrige Behandlung, Strafvollzug
Normen: GG Art. 16a Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 5; EMRK Art. 3
Auszüge:

Der Kläger hat im Falle seiner Rückkehr nach Togo nicht wegen der von ihm geltend gemachten Nachfluchtaktivitäten politische Verfolgung zu gewärtigen. Er hat nicht glaubhaft gemacht, sich in einer Weise exilpolitisch betätigt zu haben, dass er in Togo mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen hätte. Exilpolitische Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland begründen ein beachtlich wahrscheinliches Verfolgungsrisiko für togoische Staatsangehörige im Allgemeinen dann, wenn der Betreffende in einer Weise auftritt, dass er - im Zusammenhang mit der von ihm vertretenen regimefeindlichen Organisation - von der togoischen Regierung als jemand angesehen wird, der ihren Bestand, ihre Machtbasis und ihre lebensnotwendigen Auslandskontakte ernsthaft gefährdet und sich damit für sie subjektiv als "gefährlicher Gegner" darstellt. (Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 17. Dezember 2002 - 11 A 1150100.A -.)

Das trifft für den Kläger nicht zu. Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich ist, dass togoische Behörden ihn wegen des in der Zeitung „La Tribune du Peuple" erschienenen und über das Internet zugänglichen, von ihm mitunterzeichneten offenen Briefes mit dem Titel ... als ernstzunehmenden, den Bestand des Regimes gefährdenden politischen Gegner ansehen könnten. Zum einen ist der Kläger nicht als alleiniger Verfasser hervorgetreten, sondern hat diesen Brief nur gemeinsam mit vier anderen ... unterzeichnet; zum anderen ist der togoischen Regierung bekannt, dass derartige Beiträge oder Leserbriefe mit regimekritischem Inhalt von im Ausland aufhältigen Togoern vor allem zum Zwecke der Verschaffung eines Aufenthaltstatus in dem betreffenden Land veröffentlicht werden. (Vgl. Auswärtiges Amt an Verwaltungsgericht Hannover vom 27. Dezember 2004.)

Es liegt ein Abschiebeverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte - EMRK - vor. Dem Kläger droht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine strafrechtliche Verfolgung, die mit einer Freiheitsstrafe verbunden ist, und deshalb die Inhaftierung mit der Folge, dass er wegen der sehr schlechten Haftbedingungen in Togo einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 3 EMRK unterworfen wird.

Der Kläger hat glaubhaft geschildert, dass das durch ihn geschwängerte Mädchen durch Abtreibung zu Tode gekommen ist und der Vater des Mädchens, der ein einflussreicher Mann und Mitglied der RPT sei, deswegen Anzeige gegen ihn erstattet hat. Auf der Grundlage der dem Gericht vorliegenden Erkenntnisse ist es beachtlich wahrscheinlich, dass togoische Behörden ein strafrechtliches Verfolgungsverfahren eingeleitet hätten und nach wie vor einleiten, welches sich nicht an rechtsstaatlichen Grundsätzen orientierte und zur Folge hätte, dass der Kläger trotz seiner Unschuld strafrechtlich verfolgt würde. Der Standard der Strafverfolgung entspricht in Togo grundsätzlich nicht rechtsstaatlichen Maßstäben. Die Gerichte sind größtenteils personell und materiell völlig unzureichend ausgestattet. Die Ausbildung der Richter ist zum Teil mangelhaft und die Korruption ist innerhalb der Justiz weit verbreitet. Gleiches gilt für die Sicherheitsbehörden. Auch den Sicherheitskräften fehlt es an einer fundierten Ausbildung. Die Auswahl- und Beförderungsverfahren der Sicherheitskräfte orientieren sich bislang weniger an fachlicher Kompetenz als an ethnischer Zugehörigkeit, Systemkonformität und "Erfolgen" der Kandidaten. (Vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 7. Juni 2004.)

Auf diesem Hintergrund spricht vieles dafür, dass sich das Tätigwerden der Sicherheitskräfte sowie ein gegen den Kläger eingeleitetes Strafverfahren mehr an der Aussage des Vaters des Mädchens orientierte als an dem Vorbringen des Klägers mit der Folge, dass der Kläger mit einer Freiheitsstrafe rechnen müsste.

Im Falle der Inhaftierung des Klägers ist sicher davon auszugehen, dass er einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt wäre. Der Strafvollzug in Togo entspricht bei weitem nicht deutschem Standard. Die Haftbedingungen haben sich in den letzten Jahren zunehmend verschlechtert und sind als überaus hart zu bezeichnen. Festgenommene werden in vielen Fällen von Sicherheitskräften geschlagen. Die Gefängnisse sind mit einer Ausnahme überfüllt. Die hygienischen Bedingungen, die Verpflegung sowie die medizinische Versorgung der Gefangenen sind äußerst mangelhaft. (Vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht a.a.O.)

Es spricht mit Blick auf die Anzeigeerstattung durch den Vater des Mädchens auch wenig dafür, dass die strafrechtliche Verfolgung des Klägers im Falle seiner Rückkehr nach Togo nunmehr nach Ablauf von drei Jahren seit dem Tod des Mädchens nicht mehr stattfindet. Es ist auch nicht auszuschließen, dass der Kläger bereits bei der durch die togoischen Behörden bei seiner Einreise in Togo erfolgenden Identitätsfeststellung und Befragung feststellen, dass gegen ihn der Verdacht einer vor der Ausreise aus Togo begangenen Straftat besteht.