VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 07.03.2005 - AN 9 K 03.30444 - asyl.net: M6524
https://www.asyl.net/rsdb/M6524
Leitsatz:
Schlagwörter: Uganda, Glaubwürdigkeit, LRA, Amnestie, Rebellen, Kämpfer (ehemalige), HIV/AIDS, Hepatitis B, Medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

1. Soweit die Klage auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG gerichtet ist, ist sie unbegründet, da die Klägerin nicht glaubhaft machen konnte, dass ihr ein Anspruch auf Zuerkennung eines Abschiebeschutzes zusteht.

Selbst wenn man die behauptete Betätigung der Klägerin für die Rebellen der LRA als zutreffend ansehen wollte, spricht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine daraus resultierende politische Verfolgung. Wie sich u.a. aus der Auskunft des Instituts für Afrikakunde vom 31. August 2001 ergibt, wurde in Uganda im Dezember 1999 ein Amnestie-Gesetz erlassen, das am 17. Januar 2000 zunächst für sechs Monate in Kraft getreten ist und dann vom Parlament verlängert worden ist. Nach diesem Amnestie-Gesetz wird bisherigen Rebellen eine Amnestie zugesichert, sofern sie sich klar von den Rebellenaktivitäten distanzieren. Diese Amnestie werde zumindest in einem begrenzten Umfang auch tatsächlich umgesetzt. Ein gewisses Maß an Willkür auf lokaler Ebene durch einzelne Angehörige von Sicherheitsorganen dürfte nie ganz auszuschließen sein, sei aber bei einer offiziellen Einbeziehung in das Amnestie-Programm mehr als begrenzt einzuschätzen. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 31. Mai 2002 wurden inzwischen mehrfach auch vom Parlament Amnestie-Regelungen verabschiedet, von denen auch frühere Unterstützer oder Sympathisanten der Rebellen profitieren. Wie sich auch aus der Stellungnahme des UNHCR vom 20. Mal 2003 ergibt, haben nach einem Bericht der zur Umsetzung der Amnestie eingesetzten Kommission vom Juli 2002 bis zu diesem Zeitpunkt ca. 5000 ehemalige Rebellen Gebrauch von dieser Amnestie gemacht. Im Hinblick auf diese Amnestie, die von der Regierung als ein Baustein zur nationalen Versöhnung und zur Erreichung eines dauerhaften Friedens betrachtet werde, müssten Bewohner des Nordens von Uganda, die mit den Rebellen in Kontakt gekommen seien, keine Maßnahmen durch staatliche Organe fürchten. Auf Grund dieser nach wie vor geltenden Amnestie-Regelungen kann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass gerade einer Person wie der Klägerin wegen der behaupteten Zugehörigkeit zu den Rebellen bei einer Rückkehr nach Uganda und bei einer Distanzierung von irgendwelchen Rebellenaktivitäten keine staatlichen Maßnahmen drohen.

2. Die Beklagte ist allerdings zu verpflichten festzustellen, dass bei der Klägerin ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 AufenthG, der weitgehend dem § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG a. F. entspricht, vorliegt. Durch die vorgelegten ärztlichen Atteste zuletzt dem ärztlichen Attest vom 28. Februar 2005 ist zur Überzeugung des Gerichtes nachgewiesen, dass die Klägerin an einer HIV-Infektion, daneben auch an einer chronischen Hepatitis B leidet.

Da nach den zum Verfahren eingeholten Stellungnahmen davon ausgegangen werden muss, dass im Fall der Klägerin eine lückenlose Fortführung der Behandlung mit den erforderlichen Medikamenten bei einer Abschiebung nach Uganda nicht möglich ist, droht der Klägerin eine nach Art, Intensität, Unmittelbarkeit und hoher Wahrscheinlichkeit extreme Gefährdung (vgl. BVerwGE 99, 3241328; BVerwGE 105, 183), wegen der das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 AufenthG in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift festzustellen ist.

Die gravierenden Folgen für die Gesundheit und das Leben der Klägerin bei Abbruch der antiretroviralen Therapie bestehen darin - wie auch den Beteiligten des Verfahrens bekannt (vgl. u.a. Urteil vom 8.5.2003, AN 9 K 03.30045) - und sich im Übrigen auch aus der Stellungnahme von DIFÄM vom 29. Juli 2004 ergibt, dass bereits einige Wochen nach Absetzen einer Kombinationstherapie ein Gesundheits- bzw. Krankheitszustand eintreten würde, der für den Betreffenden lebensbedrohlich wäre. Ziel einer antiretroviralen Kombinationstherapie ist es demnach, einen weiteren Anstieg der Viruslast des Organismus zu vermeiden bzw. die Viruslast zu vermindern. Dabei gilt der Grundsatz, dass die Wahrscheinlichkeit von Resistenzbildungen gegenüber antiretroviralen Medikamenten umso größer ist, je größer die Virenmenge insgesamt im Organismus ist. Das angestrebte Ziel jeder Therapie müsse es daher sein, eine möglichst drastische Senkung der Viruslast unter Einsatz antiretroviraler Therapien zu erreichen. Bei Unterbrechung der Therapie besteht daher die Gefahr zunehmender Resistenzbildungen, die den späteren Einsatz der bisher verwendeten Medikamente unmöglich machen könnte.

Nach den dem Gericht vorliegenden und zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Auskünfte sowie insbesondere nach den eingeholten Stellungnahmen für das vorliegende Verfahren muss davon ausgegangen werden, dass in Uganda - wobei umstritten ist, ob das in jeder Region möglich ist - zwar eine Dreifach-Kombinationstherapie durchgeführt werden kann, die aber mangels ausreichender Ressourcen und angesichts der großen Zahl von Infizierten von der Klägerin selbst zu tragen wäre. Ungeachtet der Frage der Erlangbarkeit von Kontrolluntersuchungen sowie der Frage der Notwendigkeit einer Viruslastbestimmung betragen allein die Kosten für eine medikamentöse Therapie, insoweit übereinstimmend in den Stellungnahmen dargelegt, zwischen 25,- US Dollar und 45,- US Dollar, wobei die günstigere Kostenvariante Generika betrifft. Die kostengünstigste Kombinationstherapie mit Laborkosten und Arzthonorar liegt nach der Stellungnahme der Deutschen Botschaft vom 14. November 2003 im Monat bei ca. 60,- EUR.

Im Hinblick auf das durch die Weltbank u. a. in dem vom Klägervertreter zitierten Bericht vom 14. August 2003 bestätigte Durchschnittseinkommen in Uganda von monatlich 20,- US Dollar oder eines jährlichen Durchschnittseinkommen von 240,- US Dollar kann entgegen der Stellungnahme der DIFÄM vom 29. Juli 2004 die unsubstantiierte Darlegung der Deutschen Botschaft in der Stellungnahme vom 17. Dezember 2004, dass die Kosten für die Behandlung der Klägerin mit einem durchschnittlichen ugandischen Einkommen zu tragen seien, in keiner Weise überzeugen.

Insgesamt ergibt sich nach Auffassung des Gerichts im Hinblick auf die Klägerin jedenfalls, dass eine adäquate Behandlung in Uganda mangels einer Finanzierbarkeit seitens der Klägerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist. Zum einen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Familienangehörigen die Kosten für die erforderliche Fortsetzung der in Deutschland begonnenen Therapie aufbringen könnten. Ungeachtet dessen, ob Vorurteile gegenüber einer HIV-infizierten Frau einer Hilfestellung entgegenstehen könnten, hat die Klägerin auch glaubhaft vorgetragen, dass sowohl ihre Mutter wie auch ihre Angehörigen in der Landwirtschaft tätig sind und gerade für ihren eigenen unmittelbaren Lebensunterhalt sorgen können. Auch wenn man davon ausgeht, dass die Klägerin bei einer Rückkehr nach Uganda arbeitsfähig ist - Gegenteiliges würde sich insoweit nicht aus den vorgelegten Attesten ergeben - so fehlen doch greifbare Anhaltspunkte dafür, dass sie mit diesem Arbeitseinkommen neben ihrem Lebensunterhalt auch die für die Verhältnisse in Uganda enormen Kosten für die Fortsetzung allein der medikamentösen Therapie aufbringen könnte. Eine von der Beklagten in den Raum gestellte Mitgabe von Medikamenten vermag bereits deshalb an dieser Einschätzung nichts zu ändern, da dieses Angebot in keiner Weise konkretisiert wurde, zudem auch nicht die erforderlichen kostenpflichtigen Kontrolluntersuchungen umfassen würde.