Keine Anwendung von § 1 a AsylbLG bei Kosovo-Flüchtlingen.
Keine Anwendung von § 1 a AsylbLG bei Kosovo-Flüchtlingen.
(Leitsatz der Redaktion)
Den Antragstellerin ist ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten, da die derzeit bewilligten Leistungen nach § 1 a AsylbewLG deutlich geringer sind als die Leistungen nach § 2 AsylbewLG i. V. m. dem SGB XII. Insoweit schließt sich das Gericht der bisherigen Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts an, welches bereits bei der Gewährung von Leistungen nach §§ 1, 3 AsylbewLG anstelle von Leistungen nach § 2 AsylbewLG das Vorliegen eines Anordnungsgrundes bejaht hat (Nds. Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 8. Februar 2001, 4 ME 3889/00, zitiert nach JURIS).
Die Antragsteller haben auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Antragsteller dürften bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage einen Anspruch nach § 2 Abs. 1 AsylbewLG i. V. m. dem SGB XII besitzen, dem - entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin - auch nicht § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII entgegenstehen dürfte. Nach Auffassung des Gerichts ergibt sich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit, dass die Antragsteller in die Bundesrepublik eingereist sind, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bzw. Sozialhilfe zu erlangen. Das Gericht lässt die Frage, ob eine Leistungskürzung in entsprechender Anwendung von § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII oder nach § 1 a AsylbewLG in Frage kommt, offen, da in beiden Fällen (Einreise zum Zweck der Erlangung von Sozialhilfe nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII bzw. Einreise, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen nach § 1 a Nr. 1 AsylbewLG) die Frage der leistungsmissbräuchlichen Einreiseabsicht zu prüfen ist und sich insoweit einander entsprechende Maßstäbe entwickelt haben (vgl. Schellhorn/Schellhorn, BSHG, 16. Auflage, AsylbLG, § 1 a, Rn. 10 m.w.N.). Allerdings dürfte für die Anwendung des § 1 a AsylbewLG die Tatsache sprechen, dass Leistungen nach § 2 AsylbewLG immer noch Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind und sich lediglich der Umfang der Leistungen aus der entsprechenden Anwendung der Vorschriften des SGB XII ergibt. Das Landessozialgericht Niedersachsen hat zu der Frage, wann eine Einreise zur Erlangung von Leistungen erfolgt ist, im Zusammenhang mit der Regelung des § 1 a AsylbLG im Beschluss vom 25.04.2005 - L 7 AY 7/05 ER und L 7 B 4/05 AY - Folgendes ausgeführt:
"Die Voraussetzungen diese Regelungen [§ 1 a Nr. 1 AsylbewLG] liegen vor, wenn ein finaler Zusammenhang zwischen dem Einreiseentschluss und der Inanspruchnahme der Leistung besteht. Dieser Zusammenhang besteht nicht nur dann, wenn der Wille, die Leistung zu erhalten, einziger Einreisegrund ist. Beruht die Einreise auf verschiedenen Motiven, ist das Erfordernis des finalen Zusammenhangs auch erfüllt, wenn der Zweck der Inanspruchnahme von Leistungen für den Einreiseentschluss von prägender Bedeutung gewesen ist. Das bedeutet, dass die Möglichkeit, auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz angewiesen zu sein, für den Einreiseentschluss, sei es allein, sei es neben anderen Gründen, in besonderer Weise bedeutsam gewesen sein muss. Es genügt demgegenüber nicht, dass der Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beiläufig erfolgt oder anderen Einreisezwecken untergeordnet und in diesem Sinne nur billigend in Kauf genommen wird. Die nur in das Wissen des Ausländers gestellten Gründe für seine Ausreise muss dieser benennen und widerspruchsfrei sowie substanzreich darlegen, um der Behörde und dem Gericht die Möglichkeit zu geben, zu prüfen, ob der genannte Tatbestand erfüllt ist (BVerwG, Urteil vom 04.06.1992 - 5 C 22.87 - BVerwGE 90, 212 zur inhaltlich gleichen Regelung des § 120 BSHG; W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, Komm., § 1 a Rdn. 10 ff.)."
Indizien dafür, dass prägendes Motiv, der Einreise der Wunsch zur Erlangung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ist, können die rechtskräftige Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet, die Einreise über einen sicheren Drittstaat, eine angestrebte Erwerbstätigkeit ohne begründete Erfolgsaussicht, ein Antrag auf Leistungen nach dem AsylbewLG zeitnah nach der Einreise, die Einreise mit geringen oder keinen Eigenmitteln, die Einreise zu hilfebedürftigen Personen, Hilfebedürftigkeit im Heimatland und unsubstanziiertes, widersprüchliches Vorbringen sein (vgl. GK-AsylbLG, Stand: Dez. 2004,.§ 1 a, Rn. 57-70 m.w.N.; Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2005, § 23, Rn. 19). Indizien gegen eine leistungsmissbräuchliche Einreiseabsicht können alltägliche Diskriminierungen gegen die Volksgruppe des Ausländers in seinem Heimatland, die Furcht vor politischer Verfolgung, kriegerische Auseinandersetzungen im Heimatland und der Wunsch, mit hier lebenden Familienangehörigen zusammenwohnen zu wollen, sein (vgl. GK-AsylbLG, Stand: Dez. 2004, § 1 a Rn. 72-76 m.w.N.). In jedem Fall bedarf es insoweit einer umfassenden Prüfung der Umstände der Einreise, bei der alle für und gegen eine leistungsmissbräuchliche Einreiseabsicht sprechenden Umstände des konkreten Einzelfalls zu würdigen sind (OVG Lüneburg, Beschluss vom 7.10.2002 - 12 ME 632/02). Die Darlegungs- und Beweislast für den Ausschlusstatbestand wird insoweit dem Hilfeträger aufgebürdet (Schellhorn/Schellhorn, BSHG, 16. Auflage, AsylbLG, § 1 a, Rn. 12 m.w.N.; Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 23, Rn. 19 m.w.N.).
Das Gericht geht nach dem Vortrag der Antragsteller davon aus, dass prägendes Motiv für die Einreise nach Deutschland die Sorge um Leben und Gesundheit der Familie und Flucht vor kriegerischen Auseinandersetzungen im Heimatland war. Dieses Motiv haben die Antragsteller zu 1. und 2. sowohl bei der Befragung im Februar 2005 als auch in der eidesstattlichen Versicherung vom 01.04.2005 abgegeben. Soweit dieser Vortrag über die Angaben im Asylverfahren hinausgeht und nach Meinung der Antragsgegnerin zur Unglaubwürdigkeit der Antragsteller führt, folgt das Gericht dieser Schlussfolgerung nicht. Zwar haben die Antragsteller im Asylverfahren nur vorgetragen, dass der Antragsteller zu 1. an Protestkundgebungen teilgenommen hat, aus denen heraus Steine aus Polizisten geworfen wurden, und die Polizei ihn aus diesem Grund gesucht habe, so dass mit der Flucht seine Verhaftung verhindert und der Schutz der Familie erreicht werden sollte. Insoweit sind dies andere Gründe als die jetzt angeführte Flucht vor kriegerischen Auseinandersetzungen. Auf der anderen Seite führt diese Diskrepanz der Aussagen, die einander jedenfalls nicht widersprechen, sondern auch als ergänzend angesehen werden können, nicht dazu, dass die jetzigen Hinweise der Antragsteller auf Diskriminierungen gegen die Volksgruppe der Roma und die kriegerischen Auseinandersetzungen im Heimatland als unglaubhaft und irrelevant für die Fluchtentscheidung einzustufen sind. Dabei geht das Gericht mit den Angaben der Antragsteller davon aus, dass die Antragsteller tatsächlich Angehörige der Volksgruppe Roma sind. Das Gericht hat auch keine Bedenken, in Hinblick auf den Zeitpunkt der Flucht der Antragsteller aus dem Kosovo auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen anzunehmen, dass die Flucht wegen alltäglicher Diskriminierung der sich bereits im Mai 1998 abzeichnenden kriegerischen Auseinandersetzungen im Heimatland motiviert war. Dass die Entscheidung der Antragsteller zur Flucht nach Deutschland auch dadurch motiviert war, dass hier bereits die Eltern der Antragstellerin zu 2. lebten, ist für das Gericht ebenfalls nachvollziehbar und spricht gegen den Leistungsmissbrauch als prägendes Einreisemotiv.
Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, dass die rechtskräftige Ablehnung des Asylantrags, die Einreise über einen sicheren Drittstaat und die Einreise mit geringen oder keinen Eigenmitteln darauf hindeuteten, dass es sich um eine rechtsmissbräuchliche Einreise handele, folgt das Gericht dieser Argumentation nicht. Bei der rechtskräftigen Ablehnung des Asylantrages berücksichtigt das Gericht dabei die Tatsache, dass der Asylantrag jedenfalls nicht als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, sondern "lediglich" daran scheiterte, dass die Einreise über einen sicheren Drittstaat erfolgte und das Vorliegen individueller Verfolgungsgründe nicht ersichtlich sei. Auch die Einreise über einen sicheren Drittstaat rechtfertigt für sich alleine nicht die Annahme, dass eine Einreise zum Zweck der Inanspruchnahme von Sozialleistungen erfolgt (GK-Asylbewerberleistungsgesetz, Stand: 23.12.2004, § 1 a, Rdn. 59). Da für das Gericht hinreichend glaubhaft ist, dass die Flucht insbesondere aus Furcht vor Übergriffen auf die Familie der Antragsteller erfolgte, führt die Einreise über einen sicheren Drittstaat nicht zum Vorliegen der Voraussetzungen nach § 1 a Asylbewerberleistungsgesetz. Gleiches gilt im Hinblick auf die von der Antragsgegnerin behauptete Hilfebedürftigkeit im Heimatland. Darüber hinaus ergibt sich für das Gericht aus den Anhörungsunterlagen im Asylverfahren hinreichend deutlich, dass die Antragsteller ihren Lebensunterhalt im Heimatland - wenn auch mit Unterstützung ihrer Familie - sichergestellt hatten und damit nicht davon die Rede sein kann, dass sie dort bereits hilfebedürftig waren. Dass sie mit geringen oder keinen Eigenmitteln eingereist sind und eine Erwerbstätigkeit erst in den Jahren 2001/2002 angestrebt haben, führt ebenfalls zu keiner anderen Bewertung des Sachverhalts. Das Gericht geht insoweit davon aus, dass die Antragsteller trotz Kenntnis ihrer begrenzten finanziellen Mittel aus Sorge um ihr eigenes Leben in der Bürgerkriegsregion eingereist sind und die voraussehbare Abhängigkeit von öffentlichen Mitteln sich gewissermaßen als eine "notgedrungene Konsequenz ihrer Flucht" darstellt (vgl. dazu auch Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 04.Juni 1992 - 5 C 22.87 -, BVerwGE 90, 212, zitiert nach JURIS). Schließlich haben die Antragsteller auch hinreichend plausibel zur Frage der Erwerbstätigkeit Stellung genommen und für das Gericht glaubhaft dargelegt, dass sie bereits kurz nach ihrer Einreise Erkundigungen aufgenommen hätten, ob die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit möglich ist und dies dann zunächst mangels hinreichender Erfolgsaussichten unterlassen haben und weitere Bemühungen erst nach Erteilung der Duldung wieder aufgenommen haben.