OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.04.2005 - 17 B 479/04 - asyl.net: M6802
https://www.asyl.net/rsdb/M6802
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Türken, Aufenthaltserlaubnis, Ehegatte, Asylberechtigte, Familienzusammenführung, Lebensunterhalt, Visumspflicht, Einreise, Besuchervisum, Visumseinholung vom Inland aus, Ausreise, Zumutbarkeit, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: VwGO § 146; VwGO § 80 Abs. 5; AufenthG § 30 Abs. 1 Nr. 2; AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2; AufenthG § 2 Abs. 3 S. 1; AufenthV § 39 Nr. 5
Auszüge:

Der von der Antragstellerin mit der Beschwerde weiterverfolgte Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis steht ihr nicht zu.

Die Antragstellerin mag zwar die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erfüllen, da ihr Ehemann als unanfechtbar anerkannter Asylberechtigter eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 1 AufenthG besitzt. Es fehlt aber an der gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG weiter erforderlichen aIIgemeinen Erteilungsvoraussetzung, dass ihr Lebensunterhalt gesichert ist. Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann.

Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie über eigene Einkünfte verfügt, geschweige denn, dass diese eine Höhe erreichen, die es ihr ermöglicht, ihren Lebensunterhalt unabhängig von öffentlichen Mitteln zu bestreiten. Allerdings sind gemäß § 2 bs. 3 Satz 3 AufenthG bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug - das Gleiche muss für den Fall des Ehegattennachzugs gelten - Beiträge der Familienangehörigen zum Haushaltseinkommen zu berücksichtigen. Insoweit hat die Antragstellerin eine Bescheinigung der Stern-Taxi GmbH vom 24. Januar 2005 vorgelegt, wonach ihr Ehemann dort ab 1. Februar 2005 tätig ist und ein monatliches Bruttoeinkommen von 1.400,- Euro hat. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob das Nettoeinkommen von 1.108,80 Euro (s. Gehaltsbescheinigung für Februar 2005) ausreicht, den Lebensunterhalt für beide Personen ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Selbst wenn das zu bejahen wäre, wäre derzeit eine dauerhafte Sicherung des Lebensunterhaltes nicht gegeben. Da ein Ehegattennachzug auf Dauer angelegt ist, ist eine zukunftsbezogene Prognose erforderlich.

Um eine eigenständige Sicherung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage annehmen zu können, ist im Falle eines Ehegattennachzugs ein unbefristetes und ungekündigtes Arbeitsverhältnis des Unterhaltsverpflichteten unverzichtbare Voraussetzung (vgl. Senatsurteil vom 7. Juni 2000 - 17 A 1612/99- m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben ist der Lebensunterhalt der Antragstellerin und ihres Ehemannes nicht durch dessen Einkünfte aus dem erwähnten Arbeitsverhältnis gesichert. Denn der Fortbestand des Arbeitsvertrages ist ungewiss, da eine Probezeit von 6 Monaten vereinbart worden ist, die noch bis Ende Juli 2005 andauert. Es handelt sich auch um das erste Arbeitsverhältnis im Bundesgebiet, sodass keineswegs gesichert erscheint, dass der Ehemann der Antragstellerin im Erwerbsleben Fuß fassen wird.

Der Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis steht des Weiteren § 5 Abs. 2 Satz Nrn. 1 und 2 AufenthG entgegen. Hiernach setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis voraus, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.

An beidem fehlt es vorliegend. Die Antragstellerin ist mit einem Besuchsvisum (§ 1 DV AuslG) eingereist, hätte aber, da sie offensichtlich von Anfang an einen Daueraufenthalt geplant hatte, eines Visums gemäß § 11 Abs. 1 Nr.1 DVAuslG, das eine vorherige Zustimmung der zuständigen Ausländerbehörde vorausgesetzt hätte, bedurft. Sie hat im Zusammenhang mit der Beantragung des Besuchsvisums auch falsche Angaben bezüglich des Aufenthaltszwecks gemacht. Allerdings kann gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG von der Voraussetzung der Einreise mit dem erforderlichen Visum u.a. abgesehen werden, wenn es - was hier in Betracht kommt - aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Insoweit hat die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde vorgetragen, sie müsse bei einer Rückkehr in die Türkei damit rechnen, "festgenommen und unter Misshandlung nach ihrem Ehemann befragt" zu werden. Der Antragsgegner wird daher bezüglich eines Verzichts auf die Nachholung eines ordnungsgemäßen Visumsvefahrens eine Ermessensentscheidung zu treffen haben, sofern die Antragstellerin die oben verneinte weitere Erteilungsvoraussetzung, nämlich eine dauerhafte Sicherung ihres Lebensunterhalts, zu einem späteren Zeitpunkt nachweisen können und sich noch im Bundesgebiet aufhalten sollte.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin hat sie keinen Anspruch darauf, die begehrte Aufenthaltserlaubnis vom Bundesgebiet aus einzuholen. Nach § 39 Nr. 5 AufentV wäre dies nur möglich, wenn die Antragstellerin - abgesehen von der (wohl erfoIgten) Aussetzung ihrer Abschiebung - aufgrund ihrer Eheschließung während ihre Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hätte. Wie oben dargelegt, besteht ein solcher Anspruch aber wegen der fehlenden Sicherung ihres Lebensunterhalts derzeit nicht.