VG München

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Zitieren als:
VG München, Urteil vom 03.05.2005 - M 17 K 04.51937 - asyl.net: M7020
https://www.asyl.net/rsdb/M7020
Leitsatz:

Keine Verfolgung von Ashkali im Kosovo; kein Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG, da gleichwertiger Schutz durch Erlasslage besteht, keine extreme Gefahrenlage vorliegt und eine Niederlassung im übrigen Serbien und Montenegro möglich ist.

 

Schlagwörter: Serbien und Montenegro, Kosovo, Südserbien, Ashkali, Schutzbereitschaft, Schutzfähigkeit, KFOR, UNMIK, Märzunruhen, Polizisten, Allgemeine Gefahr, Erlass, Abschiebungsstopp, Sicherheitslage, Extreme Gefahrenlage, Interne Fluchtalternative
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Keine Verfolgung von Ashkali im Kosovo; kein Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG, da gleichwertiger Schutz durch Erlasslage besteht, keine extreme Gefahrenlage vorliegt und eine Niederlassung im übrigen Serbien und Montenegro möglich ist.

(Leitsatz der Redaktion)

 

1. Die Beklagte ist nicht verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.

Dem Kläger droht persönlich keine im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG relevante politische Verfolgung. Es entspricht zwischenzeitlich gesicherter Rechtsprechung, der das Gericht in ständiger Rechtsprechung folgt, dass albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo gegenwärtig und auf absehbare Zeit bei Rückkehr in den Kosovo vor individueller und gruppengerichteter politischer Verfolgung hinreichend sicher sind. Dies gilt auch im Hinblick auf die vom Kläger vorgetragene Zugehörigkeit zur Gruppe der Ashkali. Auch insoweit ist der Kläger keiner latenten Verfolgung ausgesetzt.

Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht nach den Unruhen im März 2004, von denen der Kläger direkt betroffen war. Zum einen richteten sich die gewaltbegleiteten Unruhen nicht vorrangig gegen Roma oder Ashkali. Zum anderen konnten die Unruhen durch den Einsatz weiterer, kurzfristig herangeführter Truppenverstärkungen unter Kontrolle gebracht und beigelegt werden. Die KFOR hat ihre Präsenz in besonders brisanten Gebieten verstärkt und damit ihre Schutzbereitschaft demonstriert. Es liegen keine Erkenntnisse vor, die die Annahme rechtfertigen könnten, dass die Gebietsherrschaft von UNMIK und KFOR im Kosovo durch die gewalttätigen Unruhen im März 2004 grundsätzlich gefährdet war oder ist, oder die Inhaber der Gebietsherrschaft Minderheiten verfolgten oder ihnen den gebotenen Schutz versagten (OVG Münster, a.a.O.).

2. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor.

Insbesondere kommt ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG ebenfalls nicht in Betracht.

Das Gericht verkennt nicht, dass die Lage für den Kläger im Kosovo schwierig und mit seiner Situation in Deutschland nicht zu vergleichen ist. Dennoch geht das Gericht auch vor dem Hintergrund, dass der Vater des Kläger bis 1999 bei der serbischen Polizei gearbeitet hat, nicht davon aus, dass für den Kläger bei Rückkehr in den Kosovo eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Provokationen, wie sie der Kläger nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor den Unruhen im März 2004 erfahren hat, reichen für die Annahme einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit nicht aus, zumal der Kläger nach den Unruhen in dem Dorf ... keinen Repressalien ausgesetzt war. Sieht man von den Auswirkungen der Unruhen im März 2004 für den Kläger ab, hat er weder bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt noch in der mündlichen Verhandlung Umstände vorgetragen, die diese Provokationen näher beschreiben und es rechtfertigen würden, mit einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit eine erhebliche Lebens- oder Leibesgefahr für den Kläger anzunehmen.

Soweit der Kläger befürchtet, wegen seiner Zugehörigkeit zu der Minderheit der Ashkali im Kosovo verfolgt zu werden, führt dies ebenfalls nicht zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes.

Nach der aktuellen Erlasslage droht dem Kläger, der der Volksgruppe der Ashkali angehört, wegen der Zugehörigkeit zu dieser Volksgruppe kein Vollzug der Abschiebungsandrohung seitens der Ausländerbehörde.

Damit gebieten die Grundrechte vorliegend nicht, diese Sperrwirkung in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG zu durchbrechen, weil wegen des für die Angehörigen dieser Minderheiten begründeten Bleiberechts eine Schutzlücke nicht besteht.

Darüber hinaus wäre nach den eingeführten Erkenntnismitteln und der oben dargestellten Sicherheitslage auch nicht anzunehmen, dass der Kläger in seinem Heimatstaat einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Die Lage im Kosovo hat sich mit den jüngsten Unruhen zwar verschlechtert. Diese allgemeine Bewertung der Rückkehrgefahr führt aber nicht dazu, dass die besonders engen Voraussetzungen eines gruppenbezogenen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG erfüllt wären. Diese Gefährdung der Minderheiten, die die UNMIK dazu veranlasst hat, zunächst eine weitere Rückführung zu stoppen, sind nicht dergestalt, dass der Kläger im Falle seiner Abschiebung dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde.

Auch im Übrigen vermag das erkennende Gericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung Abschiebungsverbote hinsichtlich des Kosovo gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht festzustellen.

Abgesehen davon hätte der Kläger auch die Möglichkeit, sich in Serbien und Montenegro außerhalb des Kosovo niederzulassen. Es kommt nicht darauf an, ob Ashkali aus dem Kosovo generell zwangsweise dorthin zurückgeführt werden können. Es kommt vielmehr darauf an, dass serbisch montenegrinische Staatsangehörige der Volksgruppe der Ashkali das Recht haben, freiwillig in diese Landesteile einzureisen und dort Aufenthalt zu nehmen. Eine politische Verfolgung hat der Kläger dort nicht zu befürchten.