VG Karlsruhe

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Zitieren als:
VG Karlsruhe, Beschluss vom 14.04.2005 - 10 K 493/05 - asyl.net: M7029
https://www.asyl.net/rsdb/M7029
Leitsatz:

1. In Verfahren eines Ausländers wegen Erlaubnis zur Ausübung einer zustimmungspflichtigen Beschäftigung ist die Bundesagentur für Arbeit notwendig beizuladen.

2. Die Vorschriften des § 4 AufenthG normieren ein gesetzliches Beschäftigungsverbot, wenn die Ausübung der Erwerbstätigkeit nicht nach diesem Gesetz bestimmt ist oder eine Erlaubnis hierzu vorliegt.

3. Nach der Neuregelung des Ausländerrechts ist der Vermerk in einer Duldung "Erwerbstätigkeit nicht gestattet" nur ein deklaratorischer Hinweis auf das gesetzliche Beschäftigungsverbot. Dieser ist nicht anfechtbar.

4. Vorläufiger Rechtsschutz bezüglich des Begehrens auf Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung (Beschäftigungserlaubnis) ist nach § 123 VwGO zu gewähren. Dabei sind im Hinblick auf das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache und den Umstand, dass es um eine Ermessensentscheidung geht, gesteigerte Anforderungen zu stellen. Der Ausländer muss glaubhaft machen, dass bei ermessensfehlerfreier Entscheidung eine Entscheidung zu seinen Gunsten überwiegend wahrscheinlich ist.

5. Es bleibt offen, ob beim Statuswechsel vom Asylbewerber zum geduldeten Ausländer eine erneute Wartezeit von einem Jahr zur Ausübung einer Beschäftigung erforderlich ist.

6. Nach § 10 BeschVerfV steht die Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung im Ermessen der Ausländerbehörde. Zu dessen Ausübung dürften die gleichen Gesichtspunkte wie bei dem Verbot der Erwerbstätigkeit durch Auflage nach früherem Recht einschlägig sein, wohl mit Ausnahme der Verhinderung faktischer Integration. Beim Gesichtspunkt der Verhaltenssteuerung bzgl. der gesetzlichen Mitwirkungspflichten zur Passbeschaffung dürfte es verbleiben.

 

Schlagwörter: Duldung, Erwerbstätigkeit, Wartezeit, Ermessen, Mitwirkungspflichten, Passbeschaffung, Irak, Bundesagentur für Arbeit, Notwendige Beiladung, Einstweilige Anordnung, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AufenthG § 4 Abs. 2; AufenthG § 4 Abs. 3 S. 1; BeschVerfV § 10; § 123 VwGO
Auszüge:

1. In Verfahren eines Ausländers wegen Erlaubnis zur Ausübung einer zustimmungspflichtigen Beschäftigung ist die Bundesagentur für Arbeit notwendig beizuladen.

2. Die Vorschriften des § 4 AufenthG normieren ein gesetzliches Beschäftigungsverbot, wenn die Ausübung der Erwerbstätigkeit nicht nach diesem Gesetz bestimmt ist oder eine Erlaubnis hierzu vorliegt.

3. Nach der Neuregelung des Ausländerrechts ist der Vermerk in einer Duldung "Erwerbstätigkeit nicht gestattet" nur ein deklaratorischer Hinweis auf das gesetzliche Beschäftigungsverbot. Dieser ist nicht anfechtbar.

4. Vorläufiger Rechtsschutz bezüglich des Begehrens auf Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung (Beschäftigungserlaubnis) ist nach § 123 VwGO zu gewähren. Dabei sind im Hinblick auf das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache und den Umstand, dass es um eine Ermessensentscheidung geht, gesteigerte Anforderungen zu stellen. Der Ausländer muss glaubhaft machen, dass bei ermessensfehlerfreier Entscheidung eine Entscheidung zu seinen Gunsten überwiegend wahrscheinlich ist.

5. Es bleibt offen, ob beim Statuswechsel vom Asylbewerber zum geduldeten Ausländer eine erneute Wartezeit von einem Jahr zur Ausübung einer Beschäftigung erforderlich ist.

6. Nach § 10 BeschVerfV steht die Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung im Ermessen der Ausländerbehörde. Zu dessen Ausübung dürften die gleichen Gesichtspunkte wie bei dem Verbot der Erwerbstätigkeit durch Auflage nach früherem Recht einschlägig sein, wohl mit Ausnahme der Verhinderung faktischer Integration. Beim Gesichtspunkt der Verhaltenssteuerung bzgl. der gesetzlichen Mitwirkungspflichten zur Passbeschaffung dürfte es verbleiben.

(Amtliche Leitsätze)

 

Die Bundesagentur für Arbeit - hier vertreten durch die für die vom Antragsteller angestrebte Beschäftigung örtlich zuständige Agentur Pforzheim - war zum Verfahren beizuladen, weil - wie noch ausgeführt werden wird - für das Begehren des Antragstellers, ihre (ggf. von der Ausländerbehörde und nicht vom Antragsteller einzuholende und daher als Verwaltungsinternum zu betrachtende) Zustimmung erforderlich ist.

Der Antragsteller hat - im Wege der zulässigen sachdienlichen Antragsänderung (§ 91 Abs. 1 VwGO, der für Beschlussverfahren entsprechend anzuwenden ist) seinen zunächst auf § 80 Abs. 5 VwGO gestützten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht auf einen solchen nach § 123 VwGO umgestellt. Zwar waren bisher für das Verbot der Erwerbstätigkeit die Anfechtungsklage im Hauptsacheverfahren und der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die statthaften Rechtsschutzbegehren (vgl. VG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2000 - 10 K 2791/99 - u. Urt. v. 14.07.2003 - A 3 K 11224/03 -, VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 25.09.2003 - 11 S 1795/03 -, sämtlich juris). Nach der Neuregelung des Ausländerrechts mit Wirkung ab 01.012005 gilt das jedoch nicht mehr. Das ergibt sich aus folgenden Umständen:

Gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 AufenthG dürfen Ausländer eine Beschäftigung nur ausüben, wenn der Aufenthaltstitel es erlaubt. Ein Aufenthaltstitel berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, sofern es nach dem Aufenthaltsgesetz bestimmt ist oder der Aufenthaltstitel die Ausübung der Erwerbstätigkeit ausdrücklich erlaubt (§ 4 Abs. 2 S. 1 AufenthG). Aufenthaltstitel sind ausschließlich Visum, Aufenthaltserlaubnis und Niederlassungserlaubnis (§ 4 Abs. 1 S. 2 AufenthG), nicht aber die Duldung nach § 60 a AufenthG.

Diesen Bestimmungen ist zu entnehmen, dass anders als nach bisherigem Recht das Verbot einer Erwerbstätigkeit nicht mehr als Nebenbestimmung zu einer Duldung geregelt wird (§ 56 Abs. 3 S. 3 AuslG, der keine Entsprechung in § 61 AufenthG mehr hat), sondern dass seit 01.01.2005 vielmehr grundsätzlich ein gesetzliches Verbot der Ausübung einer Beschäftigung für geduldete Ausländer besteht. Diese bedürfen folglich nunmehr einer ausdrücklichen Beschäftigungserlaubnis, die nach entsprechender Antragstellung mit einer Verpflichtungsklage nach § 42 VwGO und/oder einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu erstreiten ist (ebenso Armbruster, HTK-AuslR, § 61 AufenthG Anm. 4.1 u. 4.2, und Marx, Ausländer- und Asylrecht, 2. Auflage 2005, § 3 Rn. 27 u. 32; zum gesetzlichen Verbot auch Fehrenbacher, HTK-AuslR, Anm. zu § 10 BeschVerfV). Fügt die Ausländerbehörde nach dem 01.01.2005 der Duldung eines Ausländers ein Beschäftigungsverbot bei, so handelt es insoweit lediglich um einen Hinweis auf die kraft Gesetzes bestehende Rechtslage (Armbruster a. a. O. Anm. 4.2; Marx a. a. O. Rn. 27). Eine Anfechtung ist mangels Vorliegens eines Verwaltungsaktes nicht statthaft (Armbruster a. a. O. Anm. 4.2) und hierfür bestünde auch ohnehin kein Rechtsschutzbedürfnis, weil eine Aufhebung am gesetzlichen Verbot nichts ändern könnte.

Nach § 10 BeschVerfV kann die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden, wenn der Ausländer sich seit einem Jahr erlaubt oder geduldet im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Es erscheint der Kammer schon zweifelhaft, ob die zeitlichen Vorgaben dieser Vorschrift erfüllt sind. Zwar wird vertreten, dass die Wartezeit von einem Jahr bei einem Statuswechsel vom Asylbewerber (bei dem die gleiche Frist gilt, vgl. § 61 Abs. 2 S. 1 AsylVfG n. F.) zum geduldeten Ausländer nicht erneut gelte (vgl. Nr. 10.1.3 der DA zu § 10 BeschVerfV, abgedruckt in HTK-AuslR, sowie Fehrenbacher, a. a. O., Anm. zu § 10 BeschVerfV a. E. und Marx a. a. O. Rn. 40). Es unterliegt aber zumindest Zweifeln, ob diese Auffassung zutreffend ist.

Letztlich kann das aber dahinstehen. Denn selbst wenn eine erneute Wartezeit - die der Antragsteller nicht erfüllt - entbehrlich wäre, wäre nach dem Vorbringen des Antragstellers eine ihm günstige Ermessensentscheidung über seinen Antrag nicht überwiegend wahrscheinlich.

Dass die Erlaubnis nach § 10 BeschVerfV im Ermessen liegt, ergibt sich aus dem Begriff "kann" (so auch Armbruster a. a. O. Anm. 4.2). § 11 BeschVerfV, dessen Voraussetzungen der Antragsteller bestreitet, regelt nur zwingende Versagungsgründe, deren Nichtvorliegen aber keineswegs in dem Sinne abschließend ist, dass dies auch eine Versagung im Ermessenswege ausschließen würde.

Der Antragsgegner wendet nach der Antragserwiderung insoweit die gleichen Ermessensgesichtspunkte an, die für eine Verbotsauflage nach altem Recht angewandt wurden. Insoweit war durch die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt, dass bei abgelehnten Asylbewerbern wie im vorliegenden Fall die zuständige Ausländerbehörde im Ermessensweg die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verbieten konnte (s. dazu GK-AuslG, Rdnr. 10 zu § 56 u. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 25.09.2003 a.a.O.). Dass die Behörde die Untersagung der Erwerbstätigkeit in den Zusammenhang mit den Anforderungen an den jeweiligen Ausländer hinsichtlich der Passbeschaffung stellen durfte, war höchstrichterlich geklärt (s. BVerwG, Beschl. v. 23.09.1981, Buchholz 402.24 § 7 Nr. 12 und Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht, Bemerkung 19 zu § 56).

Es erscheint der Kammer naheliegend, auch bei Anwendung der neuen Rechtslage diese Gesichtspunkte für zulässige Ermessenserwägungen zu erachten. Ihr ist kein Grund ersichtlich, der dagegen spräche, allerdings wohl mit Ausnahme des Umstandes, dass durch die Eröffnung der Möglichkeit der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nach einem Jahr durch den Verordnungsgeber der Gesichtspunkt einer Verfestigung des Aufenthalts nach dieser Zeit wohl kein zulässiger Ermessensgesichtspunkt mehr sein kann (so jedenfalls Marx a. a. O. Rn. 43 ). Bei der Verhaltenssteuerung zum Zweck der Sicherstellung zügiger Erfüllung von Mitwirkungspflichten bei der Passbeschaffung dürfte es dagegen verbleiben. Jedenfalls ist es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass derartige Erwägungen ermessensfehlerhaft (§ 114 S. 1 VwGO) sind.