VG Hannover

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Zitieren als:
VG Hannover, Beschluss vom 17.03.2005 - 6 B 510/05 - asyl.net: M7269
https://www.asyl.net/rsdb/M7269
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Schutz von Ehe und Familie, Umverteilung, Duldung, abgelehnte Asylbewerber, räumliche Beschränkung, örtliche Zuständigkeit, Ermessen, Ermessensreduzierung auf Null, Sozialhilfebezug, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2; GG Art. 6
Auszüge:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Gestalt einer sog. Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist teilweise zulässig und begründet, so dass ihm mit dem aus der Beschlussformel ersichtlichen, nach Ermessen des Gerichts bestimmten Inhalt stattzugeben ist (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 938 Abs. 1 ZPO).

Dabei geht das Gericht davon aus, dass hinsichtlich der Antragstellerin zu 1 die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung als solche unstreitig vorliegen, weil ihre Abschiebung gegenwärtig aus rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist (§ 60a AufenthaltsG), wobei sich an diesem Zustand, soweit ersichtlich, auch in absehbarer Zeit nichts ändern wird. Streitig ist danach hier im Wesentlichen nur, welche Behörde für die Erteilung dieser Duldungen zuständig ist.

Es ist festzustellen, dass eine gesetzliche Regelung für eine länderübergreifende Umverteilung eines Ausländers, der nach erfolglosem Abschluss seines Asylverfahrens wegen eines Ausreise- und/oder Abschiebungshindernisses lediglich im Besitz einer Duldung ist, nicht vorhanden ist. Vielmehr findet sich eine solche Regelung lediglich für die Zeit des Asylverfahrens des betreffenden Ausländers in § 51 AsylVfG. Ist das Asylverfahren abgeschlossen und der Ausländer danach aus asylunabhängigen Gründen im Besitz einer Duldung, sieht das Gesetz selbst die Möglichkeit einer länderübergreifenden "Umverteilung" nicht mehr vor. Dies gilt auch im vorliegenden Verfahren.

Das Gericht ist der Auffassung, dass es nicht in Betracht kommen kann, dass eine Ausländerbehörde des Bundeslandes, auf dessen Gebiet die Duldung des die "Umverteilung" beantragenden Ausländers gegenwärtig räumlich beschränkt ist, diesem eine räumlich auf das Gebiet eines anderen Bundeslandes beschränkte Duldung erteilt. Zuständig für die Erteilung der weiteren Duldung kann vielmehr ggf. nur eine Ausländerbehörde des Bundeslandes sein, für das der weitere Aufenthalt begehrt wird.

Das Gericht ist weiterhin der Auffassung, dass sich aus § 71 AufenthaftsG mittelbar die Befugnis der örtlich zuständigen Ausländerbehörde des Bundeslandes, für das der Ausländer die Erteilung einer weiteren Duldung beantragt, ergibt, dem Ausländer nach Ermessen eine weitere, sodann allerdings Kraft Gesetzes nach § 61 Abs. 1 AufenthaltsG ausschließlich auf das Gebiet dieses Bundeslandes räumlich beschränkte Duldung zu erteilen (vgl. VG Hannover, Beschluss vom 22.06.2004, 6 B 2486/04).

Somit ist hier die Antragsgegnerin für die Erteilung der begehrten Duldungen zuständig. Weiterhin ergibt sich, dass das der Antragsgegnerin hinsichtlich der Erteilung weiterer Duldungen für die Antragstellerin zu 1 grundsätzlich eingeräumte Ermessen hier dahingehend "auf Null" reduziert ist, dass sie zur Erteilung dieser Duldungen verpflichtet ist, weil bei strikter Einhaltung der räumlichen Beschränkungen der Duldung der Antragstellerin zu 1 die Grundrechte der Antragstellerin zu 1 aus Art, 6 Abs. 1 GG verletzt würden.

Dabei kann dahin stehen, ob die nach islamischem Ritus geschlossene Ehe bereits dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG unterfällt. Denn auf Grund der von der Antragstellerin zu 1) als Mutter anerkannten Vaterschaftsanerkennung des Herrn ... für die Antragstellerin zu 2) ist gegenwärtig davon auszugehen, dass Herr ... Vater und die Antragstellerin zu 1) Mutter der noch im Kleinkindalter befindlichen Antragstellerin zu 2) sind. Die sich daraus ergebende familiäre Beziehung unterfällt sodann aber in jedem Fall dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG.

Der somit im vorliegenden Fall nach Art. 6 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Schutz des Familienlebens der Antragstellerinnen gebietet es, ihnen für die Dauer ihres Aufenthaltes in Deutschland ein Zusammenleben mit Herrn ... in Hannover zu ermöglichen. Die Antragsgegnerin kann die Antragstellerin zu 1 weder auf die Erteilung von Besuchserlaubnissen verweisen, noch auf die Möglichkeit des Zusammenlebens in Bamberg. Die wiederholte Erteilung von Besuchserlaubnissen würde dem verfassungsrechtlich legitimierten Begehren der Antragstellerin zu 1 nicht hinreichend gerecht. Denn derartige Besuchserlaubnisse sind lediglich von vorübergehender Natur und könnten das begehrte dauerhafte Zusammenleben der Familie nicht in ausreichendem Maße gewährleisten.