SG Dessau

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Zitieren als:
SG Dessau, Beschluss vom 21.07.2005 - S 9 AS 386/05 ER - asyl.net: M7338
https://www.asyl.net/rsdb/M7338
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Grundsicherung für Arbeitssuchende, Erwerbsfähigkeit, Zustimmung, Bundesagentur für Arbeit
Normen: SGB II § 7 Abs. 1; SGB II § 8 Abs. 2
Auszüge:

Dem Antragsteller steht gegen die Antragsgegnerin ein Anordnungsanspruch zu, weil er einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II hat. Gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung.

Erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des SGB II sind gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Ausländer haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland und erhalten Leistungen nach diesem Buch, wenn die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 2 vorliegen; dies gilt nicht für Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.

Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 SGB II sind ebenfalls erfüllt. Danach können Ausländer der nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte.

Der Antragsteller besitzt eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 32 Abs. 2 AufenthG. Die Bechäftigungserlaubnis wurde in den Aufenthaltstitel aufgenommen. Danach kann eine Erwerbstätigkeit nur mit Zustimmung der Agentur für Arbeit aufgenommen werden.

Für die Erfüllung der Voraussetzung des § 8 Abs. 2 SGB II ist es ausreichend, dass die Aufnahme einer Beschäftigung nur unter der Einschränkung "mit Zustimmung der Agentur für Arbeit" erlaubt ist. Der Zustimmungsvorbehalt hat keine Auswirkungen auf das Bestehen der Erwerbsfähigkeit. Dies entspricht gerade der Voraussetzung "erlaubt werden könnte".

Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des § 8 Abs. 2 SGB II. In der früheren Fassung (damals noch § 8 Abs. 3) wurde bestimmt: "Im Sinne von Absatz 1 können Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung ohne Beschränkung erlaubt ist oder durch die Bundesagentur erlaubt werden könnte" (BT-Drucks 15/1516, S. 11).

Bereits § 8 Abs. 3 SGB II enthielt folgende Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1516, S. 52): "Da die Beschäftigung von Ausländern grundsätzlich unter Erlaubnisvorbehalt steht, ist für die in Absatz 3 geregelte Frage der Erwerbsfähigkeit nur allgemein nach dem Bestimmungen des Arbeitsgenehmigungsrechts darauf abzustellen, ob rechtlich ein Zugang zum Arbeitsmarkt besteht oder zulässig wäre, wenn keine geeigneten inländischen Arbeitskräfte verfügbar sind. Die Frage, ob ein solcher unbeschränkter oder nachrangiger Arbeitsmarktzugang rechtlich gewährt wird, richtet sich dabei ausschließlich nach den - durch dieses Gesetz insoweit unberührten - arbeitsgenehmigungsrechtlichen Gründen."

Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahren wurden dann die Worte "ohne Beschränkung" und "durch die Bundesagentur" zur Klarstellung gestrichen. Hierzu wurde in, der Gesetzesbegründung ausgeführt (BT-Drs. 15/1749, S. 31): "Redaktionelle Anpassung. Zur Vermeidung von Missverständnissen soll geregelt werden, dass Ausländer, die die sonstigen Voraussetzungen nach §§ 7 und 8 erfüllen, sowohl mit unbeschränktem als auch mit nachrangigem Arbeitsmarktzugang erfasst werden."

Das Gericht vertritt daher die Auffassung, dass trotz des Zustimmungsvorbehalts der Agentur für Arbeit die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 SGB II erfüllt sind.

Erwerbsfähige Ausländer mit nachrangigem Arbeitsmarktzugang können deshalb - sofern sie nicht unter das AsylbLG fallen - Grundsicherung für Arbeitssuchende beanspruchen, und zwar unabhängig davon, ob für sie aufgrund der konkreten Arbeitsmarktlage eine realistische Chance auf eine Arbeitserlaubnis besteht. Eine Prognose der Arbeitsmarktlage entsprechend zur Verfügbarkeit nach § 119 SGB III ist nicht mehr durchzuführen.

Es muss insbesondere auch berücksichtigt werden, dass gemäß §§ 1 bis 4 der Beschäftigungsverfahrensverordnung (BeschVerfV) vom 22. November 2004 der Antragsteller eine zustimmungsfreie Beschäftigung aufnehmen könnte, z.B. eine Beschäftigung bei Familienangehörigen, mit denen er in häuslicher Gemeinschaft lebt.