LG Braunschweig

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Zitieren als:
LG Braunschweig, Beschluss vom 16.09.2005 - 3 T 776/05 (039) - asyl.net: M7346
https://www.asyl.net/rsdb/M7346
Leitsatz:

Die Haftdauer beginnt mit Erlass des Haftbeschlusses und nicht erst mit der Festnahme, auch wenn im Haftbeschluss eine abweichende Regelung getroffen worden ist.

 

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Anhörung, Verfahrensmangel, Haftbefehl, Haftdauer, Fristbeginn, Festnahme
Normen: AufenthG § 62 Abs. 2; FEVG § 5 Abs. 1
Auszüge:

Die Haftdauer beginnt mit Erlass des Haftbeschlusses und nicht erst mit der Festnahme, auch wenn im Haftbeschluss eine abweichende Regelung getroffen worden ist.

(Leitsatz der Redaktion)

 

b.) Dagegen ist die sofortige Beschwerde hinsichtlich des Feststellungsantrages erfolgreich.

aa.) Bedenken gegen die Wirksamkeit des Beschlusses vom 15.03.2005 bestehen bereits unter dem Gesichtspunkt, dass vor dem Erlass des Beschlusses nach § 62 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz keine Anhörung des Betroffenen erfolgt ist. Nach § 5 Abs. 1 FEVG hat das Gericht die Person, der die Freiheit entzogen werden soll, mündlich zu hören. Die vorherige mündliche Anhörung gehört zu den wesentlichen Verfahrensgarantien gem. § 104 GG und trägt entscheidend zur Sachverhaltsermittlung bei (BVerfG InfAuslR 1996, 198, Marschner/Volckart, Freiheitsentziehung; 4, Aufl., F § 5 Rdn. 2). Die Anhörung kann auch dann nicht unterbleiben, wenn der Betroffene unbekannten Aufenthalts ist, selbst wenn sie sofort nach Festnahme des Betroffenen vom Amtsgericht nachgeholt und unter Berücksichtigung neuer Tatsachen erneut über die Freiheitsentziehung entschieden und ggfs. die Haftanordnung aufgehoben wird (Marschner/Volckart, aaO, F § 5 Rdn. 3). In diesen Fällen kommt nur eine einstweilige Haftanordnung gem. § 11 FEVG in Betracht (KG FGPrax 1997, 74, Marschner/Volckart, aaO, F § 5 Rdn. 3), die auch - soweit sie nicht möglich ist - ohne vorherige Anhörung erfolgen kann.

bb.) Jedenfalls war der Feststellungsantrag aber deshalb begründet, weil die Dauer der bis zu 3 Monate angeordneten Freiheitsentziehung am 16. Juni 2005 durch Zeitablauf entfallen war.

Der grundsätzlich garantierte Schutz der persönlichen Freiheit (Artikel 2 Abs. 1, 104 GG) erfordert für Anordnung, Dauer und Vollzug einer Abschiebehaftsache eine klare und eindeutige Grundlage (BGH, Beschl. v. 19.10.1989, - V ZB 9/89 -, NJW 1990, 1417). Das bedeutet, dass entweder das Haftende datumsmäßig bestimmt sein muss oder dass die Dauer nach Monaten bestimmt wird (OLG Braunschweig, Beschl. v. 28.05.2001 - 6 W 11/01). Dabei ist jedoch die Anordnung, dass die nach Wochen oder Monaten bemessene Dauer der Haft erst mit der Ergreifung bzw. Festnahme des Ausländers beginnen soll, unzulässig (OLG Frankfurt, NVWZ-Beilage 1996, 38, KG, Beschl. v. 12.09.1996 - 25 W 5611/96 -, FGPrax 1997, 74, BayObLG, Beschl. v. 14.08.1996, - 3 Z BR 205/96 -, FGPrax 1996, 240). Auch wenn in diesem Fall die Haftdauer hinreichend bestimmt ist, steht einer solchen Anordnung jedenfalls entgegen, dass für die Frage, ob Sicherungshaft zulässig und für welchen Zeitraum sie ggfs. erforderlich ist, die Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich sind. Zu unterstellen, dass diese bis zu der ungewissen und möglicherweise erst in ferner Zukunft erfolgenden Festnahme unverändert fortbestehen, würde den grundgesetzlich garantierten Schutz der Freiheit (Artikel 2 Abs. 1, Artikel 104 GG) nicht hinreichend gewährleisten (BayObLG, aaO).

Die Dauer der Freiheitsentziehung von bis zu 3 Monaten begann daher trotz des Zusatzes "ab Festnahme" bereits mit Erlass des Beschlusses vom 15.03.2005 (Beschluss vom 01.06.2005 - 3 T 459/05 (023) -, OLG Braunschweig, Beschl.v. 28.05.2001 -6 W 11/01) und war damit - ungeachtet der Wirksamkeit des Beschlusses - jedenfalls am 16.06.2005 abgelaufen. Die Inhaftierung des Betroffenen war daher vom 16.0.6.2005 bis zum Erlass des neuen Beschlusses vom 28.06.2005 rechtswidrig.