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VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Beschluss vom 28.10.2005 - VG 15 A 275.05 - asyl.net: M7378
https://www.asyl.net/rsdb/M7378
Leitsatz:

Eine vor dem 1.1.2005 erfolgte Ausweisung eines Unionsbürgers wirkt nicht als Feststellung, dass kein Einreise- und Aufenthaltsrecht besteht, gemäß § 7 Abs. 1 FreizügG/EU fort; sie entfaltet seit dem 1.1.2005 keine Sperrwirkung mehr.

 

Schlagwörter: Ausweisung, Freizügigkeit, Unionsbürger, Verlust des Aufenthaltsrechts, Freizügigkeitsgesetz/EU, Sperrwirkung, Zuwanderungsgesetz, Übergangsregelung, Ausreisepflicht, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: FreizügG/EU § 1; FreizügG/EU § 7; FreizügG/EU § 6 Abs. 2; FreizügG/EU § 11
Auszüge:

Eine vor dem 1.1.2005 erfolgte Ausweisung eines Unionsbürgers wirkt nicht als Feststellung, dass kein Einreise- und Aufenthaltsrecht besteht, gemäß § 7 Abs. 1 FreizügG/EU fort; sie entfaltet seit dem 1.1.2005 keine Sperrwirkung mehr.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Antragsteller hat zudem einen Anordnungsanspruch mit der notwendigen überwiegenden Wahrscheinlichkeit i.S. von §§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 ZPO i.V. mit § 7 Abs. 1 FreizügG/EU glaubhaft gemacht.

Im Rahmen der im vorliegenden Verfahren nur möglichen und ausreichenden summarischen Prüfung gelangt die Kammer zu dem Ergebnis, dass eine Abschiebung des Antragstellers derzeit rechtlich aufgrund § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU nicht zulässig ist. Hiernach sind Unionsbürger, also gemäß § 1 FreizügG/EU auch französische Staatsangehörige wie der Antragsteller, nur ausreisepflichtig, wenn die Ausländerbehörde unanfechtbar festgestellt hat, dass das Recht auf Einreise und Aufenthalt nicht besteht. Eine solche Feststellung ist bisher nicht erfolgt.

Die dem Antragsteller gegenüber verfügte und bestandskräftige Ausweisungsverfügung vom 11. November 2003 stellt keine solche Feststellung dar. Für die Feststellung des Verlustes des Rechtes auf Einreise und Aufenthalt sind in den §§ 7 Abs. 1, 6 FreizügG/EU ein anderes Verfahren, ein anderer behördlicher Ausspruch und andere Voraussetzungen vorgesehen, als früher für die Beendigung des Aufenthaltes eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, als u.a. § 12 AufenthG/EWG zu beachten war. So müssen nunmehr bspw. Umstände vorliegen, die ein persönliches Verhalten der Person erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Es muss ferner eine tatsächlich und hinreichend schwere Gefährdung bestehen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 FreizügG/EU).

Aus der seit Ende 2003 bestandskräftig verfügten Ausweisung des Antragstellers ergeben sich auch keine rechtlichen Wirkungen, die heute noch seine Ausreisepflicht begründen könnten. Mit der Ausweisungsverfügung ist zwar seinerzeit die Aufenthaltserlaubnis/EG des Antragstellers erloschen und ein Verbot, erneut ins Bundesgebiet einzureisen und sich darin aufzuhalten, entstanden (vgl. die damals geltenden §§ 44 Abs. 1 Nr. 1 und 8 Abs. 2 Satz 1 AuslG). Die Sperrwirkung einer solchen nach dem Ausländergesetz bestandskräftig verfügten Ausweisung gilt jedoch für Unionsbürger seit dem 1. Januar 2005 - also mit Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes/EU - nicht mehr fort (so Dr. Rolf Gutmann, Die verborgene Altfallregelung für ausgewiesene Unionsbürger, InfAuslR 4/2005, 125 f.; vgl. hierzu auch Hess. VGH, Beschluss vom 29. Dezember 2004, 12 TG 32.12/04, zitiert nach Juris; a.A. aber Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 22. März 2005, 3 Bf 294104, zitiert nach Juris; VG Sigmaringen, Urteil vom 22. Februar 2005, 4 K 16/05, zitiert nach Juris; Hendrik Lüdke, Die Irrungen und Wirrungen des neuen FreizügG/EU, InfAuslR 5/2005, S. 177, 178 f.).