OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.09.2005 - 17 E 775/05 - asyl.net: M7513
https://www.asyl.net/rsdb/M7513
Leitsatz:
Schlagwörter: Prozesskostenhilfe, Erfolgsaussichten, Verschulden, Passlosigkeit, Mitwirkungspflichten, Syrien, Kurden, Staatenlose, Reisedokument, Ausweisersatz
Normen: VwGO § 166; ZPO § 114, ZPO § 121 Abs. 2; AufenthG § 25 Abs. 5; AufenthV § 5 Abs. 1
Auszüge:

Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts zu Unrecht versagt. Die diesbezüglichen Voraussetzungen der §§ 166 VwGO, 114, 121 Abs. 2 ZPO liegen vor.

Die durch §§ 166 VwGO, 114 ZPO geforderte Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Die Rechtsverfolgung darf einer unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten nicht unverhältnismäßig erschwert werden. Zur Gewährung von Prozesskostenhilfe ist es daher einerseits nicht erforderlich, dass der Prozesserfolg schon gewiss ist. Andererseits darf die Prozesskostenhilfe verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Januar 1994 - 1 A 14.92 -, Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 33).

Vorliegend besteht die nicht nur entfernte Möglichkeit, dass die Kläger zumindest einen Anspruch auf erneute Bescheidung ihrer Anträge haben.

In Betracht kommt vorliegend eine Erteilung auf der Grundlage von § 25 Abs. 5 AufenthG.

Nach Satz 3 der Vorschrift ist darüber hinaus erforderlich, dass der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt gemäß Satz 4 der Vorschrift unter anderem dann vor, wenn er zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt. Von einem derartigen Verschulden der Kläger kann nach gegenwärtigem Erkenntnisstand nicht ohne weiteres ausgegangen werden.

Das Ausreisehindernis besteht darin, dass die Kläger nach eigenen Angaben über keine Pass- bzw. Passersatzpapiere verfügen. Eine Beseitigung dieses Hindernisses setzt die Klärung ihrer Identität und Herkunft voraus. Insoweit bedarf es seitens des Ausländers einer detaillierten Darlegung seiner Abstammung, insbesondere genauer und umfassender Angaben zu Zeitpunkt und Ort der Geburt von Eltern und Großeltern sowie ihres gegenwärtigen und vergangenen Aufenthaltsorts (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Juni 2005 - 17 E 552/05).

Sollte die weitere Prüfung im Klageverfahren ergeben, dass - auch - die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG vorliegen, ist im Hinblick auf die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts der Kläger, § 5 Abs. 1 Nr. 1.AufenthG, weiterhin zu prüfen, ob das durch § 5 Abs. 3 Hs. 2 AufenthG eröffnete Ermessen zu ihren Gunsten reduziert ist. Sollte dies nicht der Fall sein, bestünde zumindest ein Anspruch auf Neubescheidung.

Soweit die Klage die Erteilung eines Reisedokumentes betrifft, ist sie vom Verwaltungsgericht zu Unrecht nach § 48 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 55 AufenthV beurteilt worden. Diese Vorschriften betreffen den Ausweisersatz; dem Reisedokument alten Rechts entspricht indes nunmehr der Reiseausweis für Ausländer gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV (vgl. Maor, Die Bestimmungen der Aufenthaltsverordnung über Pässe und Ausweise, ZAR 2005, 222, 224).

Seine Erteilung setzt gemäß § 5 Abs. 1 AufenthV voraus, dass der Ausländer nachweislich keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann. Hiervon ist im Falle der Kläger auszugehen, falls sich ihre Zugehörigkeit zur Personengruppe der Maktumin bestätigen sollte. Im Klageverfahren wird darüber hinaus zu klären sein, ob § 6 Satz 1 Nr. 1 AufenthV einer gleichzeitigen klageweisen Geltendmachung des Anspruchs auf Erteilung eines Reiseausweises für Ausländer und desjenigen auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegensteht.