LG Berlin

Merkliste
Zitieren als:
LG Berlin, Beschluss vom 26.09.2005 - 84 T 371/05 B - asyl.net: M7534
https://www.asyl.net/rsdb/M7534
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Abschiebungshaft, Minderjährige, Verhältnismäßigkeit
Normen: AufenthG § 106 Abs. 2; FEVG § 3 ; FEVG § 7; FGG § 22
Auszüge:

Die nach § 106 Abs. II AufenthG, 3 S.2, 7 Abs. I und II FEVG, 21, 22 FGG zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Der angefochtene Beschluss war aufzuheben und die sofortige Entlassung des Betroffenen anzuordnen. Zwar liegt der von dem Amtsgericht angenommene Haftgrund des § 62 Abs. II S. 1 Nr. 5 AufenthG vor. Gleichwohl ist die Haft unverhältnismäßig. Der Betroffene ist minderjährig und zur Zeit erst 17 Jahre alt. Bei minderjährigen Betroffenen kommt der Sicherung der Abschiebung durch Haft wegen der Schwere des Eingriffes eine ganz besondere Bedeutung zu (KG Beschluss vom 18.3.2005, 25 W 64/04 ). Minderjährige werden von der Vollziehung der Haft besonders betroffen und können dauerhafte psychische Schäden davontragen (KG a.a. O.). Dem ist dadurch Rechnung zu tragen, dass die Unterbringung in einer Jugendeinrichtung als milderes Mittel gegenüber der Abschiebehaft zumindest versucht werden muss, zumal wenn, wie im vorliegenden Fall, der Sozialarbeiter des Abschiebegewahrsams sich dahingehend geäußert hat, der Betroffene sei durch die Haft psychisch stark belastet bzw. stünde unter hohem psychischen Druck. Nicht aber genügt die Darlegung, eine solche Unterbringung komme nicht in Betracht, weil der Betroffene nach den Umständen ohnehin dort nicht bleiben werde. Dann käme bei Annahme des Haftgrundes des § 62 Abs. II S. 1 Nr. 5 AufenthG, der bei nomadisierenden Jugendlichen wie dem Betroffenen nahezu ausnahmslos gegeben ist, eine Unterbringung in einer Jugendeinrichtung niemals in Betracht. Dem Minderjährigenschutz ist unbedingter Vorrang vor einer Sicherung der Abschiebung durch Haft einzuräumen. Nur so kann Minderjährigenschutz überhaupt erreicht, kann die Gefahr psychischer Schäden auf ein Minimum reduziert werden. Meint der Antragsteller, der Betroffene sei in seiner geistigen Entwicklung seinem Alter weit voraus, so steht dem die Aussage des - sachkundigeren - Sozialarbeiters im Abschiebegewahrsam entgegen, der gerade ausgeführt hat, der Betroffene erscheine ihm nicht als altersgerecht entwickelt, eine altersgerechte Alternativunterbringung erscheine wesentlich sinnvoller.