VG Koblenz

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Zitieren als:
VG Koblenz, Urteil vom 29.08.2005 - 7 K 2557/04.KO - asyl.net: M7562
https://www.asyl.net/rsdb/M7562
Leitsatz:

Posttraumatische Belastungsstörung (hier bei Albanerin aus dem Kosovo) ist in Serbien und Montenegro nicht ausreichend behandelbar.

 

Schlagwörter: Serbien und Montenegro, Albaner, Krankheit, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, psychische Erkrankung, posttraumatische Belastungsstörung, Vergewaltigung, Polizei, medizinische Versorgung, Suizidgefahr
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Posttraumatische Belastungsstörung (hier bei Albanerin aus dem Kosovo) ist in Serbien und Montenegro nicht ausreichend behandelbar.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klage hat indessen Erfolg, soweit die Klägerin die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begehrt.

Die Klägerin leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung, die mit einer reaktiven Depression einhergeht und als mittel- bis schwergradig einzustufen ist. Die Gutachterin führt die posttraumatische Belastungsstörung auf eine mehrfache Vergewaltigung durch serbische Polizisten Ende April 1999 zurück.

Das bei der Klägerin aufgetretene Krankheitsbild kann in ihrem Herkunftsland Serbien nicht hinreichend medizinisch behandelt werden. Insoweit ist davon auszugehen, dass psychische Krankheiten in Serbien und Montenegro aufgrund des dort vorherrschenden medizinischen Einsatzes vorwiegend medikamentös behandelt werden. Es besteht dort zwar auch die Möglichkeit anderer Therapieformen, diese sind aber nur in begrenztem Umfange gegeben. Im Rahmen eines aus Mitteln des Auswärtigen Amtes geförderten Pilotprojektes bestehen für kriegsbedingte traumatische Belastungsstörungen regionale Therapiemöglichkeiten. Neben einem Therapiezentrum in der Vojwodina ist zwischenzeitlich ein zweites Therapiezentrum in Vranje/Südserbien eröffnet worden (Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro (ohne Kosovo) vom 19. März 2005 - 508-516.80/3SCG). Hinsichtlich des Standards von Unterbringung, Behandlung und Rehabilitation psychiatrischer Patienten ergeben sich in Serbien und Montenegro erhebliche Unterschiede. Während medizinische Anstalten in den Zentren der Republik annähernd dem Niveau in staatlichen Kliniken der EU-Länder gleichkommen, ist dieser Standard in einigen anderen psychiatrischen Krankenhäusern an der Grenze des Toleranzminimums (vgl. Stellungnahme der Deutschen Botschaft Belgrad an das VG Aachen vom 27. Januar 2005). Ausweislich des "Online-Loseblattwerkes" des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Serbien und Montenegro (inkl. Kosovo), Gesundheitswesen, Stand: Juni 2004, S. 20) sind die Behandlungen psychischer Erkrankungen, insbesondere posttraumatischer Belastungsstörungen medikamentenorientiert. Psychotherapie werde nur punktuell angeboten, am ehesten in großen Städten wie Belgrad und Novi Sad, wobei auch dort die Therapeuten in der Regel nicht für die Behandlungen posttraumatischer Belastungsstörungen ausgebildet sind.

Insoweit ist davon auszugehen, dass die Erkrankung der Klägerin in Serbien in erster Linie medikamentös erfolgen könnte. Die Gutachterin führt indessen aus, dass die Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung einer spezifischen Traumatherapie bedürfe. Diese habe zunächst eine psychische Stabilisierung zum Ziel. Eine derartige psychotherapeutische Behandlung ist aber in Serbien nach den zitierten Auskünften nur sehr eingeschränkt möglich. Dieser Umstand hätte indessen im Falle der Klägerin eine nachhaltige Gesundheitsgefährdung zur Folge. Die Gutachterin führt hierzu aus, dass mit an Sicherheit angrenzender Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr nach Serbien verstärkt Intrusionen bei der Klägerin aufträten, die bei gleichzeitigem Wegfall von Vermeidungsstrategien zu erneuten suizidalen Krisen führten. Insbesondere die von der Gutachterin attestierte Selbstmordgefährdung könnte bei einer Rückkehr der Klägerin in den Kosovo nicht hinreichend durch entsprechende psychotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten vermieden werden, so dass von einer ernsthaften unmittelbar drohenden Lebensgefahr auszugehen ist. Hierbei stellt die Gutachterin vor allem darauf ab, dass eine erneute Konfrontation mit den Angehörigen der serbischen Polizei zu einer krisenhaften Zuspitzung des Krankheitsbildes der Klägerin führen würde.