OVG Saarland

Merkliste
Zitieren als:
OVG Saarland, Beschluss vom 23.11.2005 - 2 W 31/05 - asyl.net: M7567
https://www.asyl.net/rsdb/M7567
Leitsatz:

Einer mit einem Deutschen verheirateten Thailänderin steht regelmäßig kein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 2 AufenthG wegen einer besonderen Härte zu; in Thailand droht der zurückkehrenden Frau keine landesweite gesellschaftliche Diskriminierung; auch eine allein stehende Frau kann sich eine wirtschaftliche Existenz außerhalb der Prostitution aufbauen.

Schlagwörter: Thailand, Aufenthaltserlaubnis, Ehegattennachzug, eigenständiges Aufenthaltsrecht, Diskriminierung, Situation bei Rückkehr, alleinstehende Frauen, Prostitution, Deutschverheiratung, besondere Härte, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AufenthG § 30 Abs. 2
Auszüge:

Einer mit einem Deutschen verheirateten Thailänderin steht regelmäßig kein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 2 AufenthG wegen einer besonderen Härte zu; in Thailand droht der zurückkehrenden Frau keine landesweite gesellschaftliche Diskriminierung; auch eine allein stehende Frau kann sich eine wirtschaftliche Existenz außerhalb der Prostitution aufbauen.

(Leitsatz der Redaktion)

Auch vor dem Hintergrund spricht nichts ernsthaft dafür, dass der Antragstellerin ein eigenständiges Aufenthaltsrecht in Anknüpfung an ihre unstreitig nie vollzogene oder "gelebte" und inzwischen auch geschiedene Ehe mit dem deutschen Staatsangehörigen zusteht. Ein solcher Rechtsanspruch könnte sich vorliegend - auch darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit - allenfalls bei Vorliegen einer "besonderen Härte" im Sinne des § 31 Abs. 2 AufenthG ergeben, bei deren Vorliegen der Gesetzgeber von dem ansonsten zwingenden, hier offensichtlich nicht erfüllten, Erfordernis des Führens der ehelichen Gemeinschaft für die Mindestdauer von zwei Jahren (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) absieht.

Hinsichtlich der Rückkehrverpflichtung kann dem Ausländer oder - hier - der Ausländerin das Vorliegen einer "besonderen" Härte (vgl. zur Härteklausel des § 19 AuslG und insbesondere zum Begriff der "besonderen" Härte im Sinne der Vorschrift beispielsweise OVG des Saarlandes, Beschluss vom 18.9.2001 - 1 V 16/01 -, SKZ 2002, 168, Leitsatz Nr. 69) nur zugebilligt werden, wenn die von ihm/ihr zu gewärtigenden Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Herkunftslandes deutlich über die damit naturgemäß immer verbundenen Probleme deutlich hinausgehen. Ansonsten würde der nach der gesetzlichen Konstruktion die Ausnahme bildende Härtefall über eine entsprechend weite Interpretation dieses Tatbestandsmerkmals zur Regel gemacht. Ungeachtet der durch die Gesetzesänderung im Jahre 2000 zu § 19 AuslG vorgenommenen Konkretisierungen des Härtekriteriums durch Beispielsfälle (vgl. dazu das Gesetz zur Änderung des Ausländerrechts vom 25.5.2000, BGBl. I, 742) ist daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung etwa der Aufenthaltsdauer und der individuellen Integrationsleistungen speziell mit Blick auf geltend gemachte Rückkehrschwierigkeiten eine Härte nur annehmbar, wenn im Einzelfall über die regelmäßig mit der Aufenthaltsverlagerung in ein anderes Land verbundenen Schwierigkeiten hinaus besondere Umstände vorliegen, aus denen heraus die Ausreisepflicht den konkreten Ausländer oder die Ausländerin ungleich härter trifft als andere in vergleichbarer Situation (vgl. dazu etwa BVerwG, Beschluss vom 3.3.1997 - 1 B 118.96 -, DÖV 1997, 835, zu § 19 AuslG, wonach über die mit der Auflösung der Ehe verbundenen Nachteile hinausgehenden Probleme aufgrund politischer oder wirtschaftlicher Verhältnisse im Heimatland keine besondere Härte im Einzelfall zu begründen vermögen; dazu auch OVG des Saarlandes, Beschluss vom 8.6.2000 - 9 V 14/00 -, SKZ 2000, 265 Leitsatz Nr. 126, wonach die bei der Rückkehr zu erwartenden Schwierigkeiten nach Art und Schwere so erheblich sein müssen, dass die Versagung der Aufenthaltserlaubnis als nicht mehr vertretbar erscheinen würde). Da somit die alle Rückkehrer beziehungsweise Rückkehrerinnen nach Thailand gleichermaßen treffenden geringeren wirtschaftlichen Lebensstandards wie auch ein damit verbundener etwaiger Verlust eines in Deutschland gelungenen sozialen Aufstiegs oder eines Arbeitsplatzes (vgl. insbesondere auch dazu OVG des Saarlandes, Beschluss vom 18.9.2001 - 1 V 26/01 -, SKZ 2002, 168, Leitsatz Nr. 69) stellen bei einem ungeplanten Abbruch eines Auslandsaufenthalts typischerweise zu verzeichnende Rückkehreffekte dar. Sie können von daher die Ausreisepflicht von vornherein nicht über das Merkmal der "besonderen Härte" in § 31 Abs. 2 AufenthG suspendieren. Zu berücksichtigen sind in dem Zusammenhang allenfalls Eigenheiten des Rechts- oder Kulturkreises im Heimatstaat, die zu einer erheblichen rechtlichen oder - wie hier von der Antragstellerin eingewandt - gesellschaftlichen Diskriminierung wegen der Auflösung der Ehe führen (vgl. insoweit auch die vorläufigen Anwendungshinweise zu § 31 AufenthG, Ziffer 31.2.4.3, abgedruckt bei Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage 2005, zu § 31 AufenthG).

Mit Blick auf die von der Antragstellerin behauptete zu erwartende (gesellschaftliche) Diskriminierung als "Nutte" haben sowohl die Antragsgegnerin im Abhilfeverfahren als auch die Widerspruchsbehörde im Anschluss an die eine entsprechende Vorgabe zur Sachverhaltsklärung enthaltende Aussetzungsentscheidung des Verwaltungsgerichts vom 28.11.2003 - 2 F 32/03 - (veröffentlicht in InfAuslR 2004, 116, und insoweit unvollständig beziehungsweise missverständlich zitiert bei Storr u.a., Kommentar zum Zuwanderungsgesetz, 1. Auflage 2005, § 31 AufenthG RNr. 22) Auskünfte der Deutschen Botschaft in Bangkok und des Auswärtigen Amts zu den Befürchtungen der Antragstellerin eingeholt. Aus diesen lässt sich nicht ansatzweise entnehmen, dass ihre Besorgnisse berechtigt sind.

Nach Einschätzung der deutschen Botschaft vor Ort ist es "schlichtweg undenkbar", dass es der Antragstellerin, selbst wenn sie in ihrem Dorf so in Verruf geraten wäre, dass sie sich dort nicht mehr aufhalten könnte, in Thailand keinen Platz mehr finden könnte, wo sie unbelastet von ihrer "Vergangenheit" leben könnte. Auch die Behauptung, dass eine Arbeitsaufnahme ohne entsprechende Kontakte mit Verwandten oder Bekannten nicht möglich sei, sei "schlichtweg falsch". Im Gegenteil sei Thailand ein wirtschaftlich aufstrebendes Land, in dem sich auch für eine junge Frau allerhand Opportunitäten auftäten, die keine Gemeinsamkeiten mit Prostitution hätten. In Thailand sei es durchaus möglich, mit weniger als 1.000,- € eine Existenz zu gründen. Daher sei es der Antragstellerin aus Sicht der Botschaft durchaus zumutbar, nach Thailand zurückzukehren, ohne dass sie damit allgemeiner Verachtung oder finanzieller Flucht in die Prostitution ausgesetzt würde (vgl. insoweit insgesamt das Schreiben der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Bangkok vom 16.12.2003 - 516.20 allg. - an die Antragsgegnerin, Blätter 145 f. der Ausländerakte).