VG Magdeburg

Merkliste
Zitieren als:
VG Magdeburg, Urteil vom 03.11.2005 - 7 A 307/05 MD - asyl.net: M7584
https://www.asyl.net/rsdb/M7584
Leitsatz:

Folgeanträge, die vor dem 1. Januar 2005 gestellt und beschieden wurden, lösen für die in Deutschland vor der Folgeantragstellung geborenen Kinder des Folgeantragstellers die Fiktion einer Asyl-Erstantragstellung nicht aus.

 

Schlagwörter: Antragsfiktion, Asylantrag, Zuwanderungsgesetz, Folgeantrag, Anzeigepflicht, Kinder, in Deutschland geborene Kinder, Rückwirkung, Entscheidungszeitpunkt, Altfälle
Normen: AsylVfG § 14a; AsylVfG § 71
Auszüge:

Folgeanträge, die vor dem 1. Januar 2005 gestellt und beschieden wurden, lösen für die in Deutschland vor der Folgeantragstellung geborenen Kinder des Folgeantragstellers die Fiktion einer Asyl-Erstantragstellung nicht aus.

(Amtlicher Leitsatz)

 

Der Bescheid des Bundesamtes für vom 24.08.2005 ist rechtswidrig und rechtsverletzend und aufzuheben, weil er den Klägern Rechtspositionen abspricht, die ohne Antragstellung nicht beschieden werden dürfen.

Die Auffassung der Beklagten, dass es an keiner Antragstellung fehle, weil § 14a AsylVfG die Asylantragstellung fingiere, trifft im vorliegenden Fall nicht zu.

Der durch das Zuwanderungsgesetz vom 30. Juli 2004 (Art. 3 Nr. 10 und Art. 15 Abs. 3) zum 01.01.2005 in Kraft gesetzte § 14 a Abs. 1 AsylVfG bestimmt, dass "mit der Asylantragstellung nach § 14 ... ein Asylantrag auch für jedes Kind des Ausländers als gestellt [gilt], das ledig ist, das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und sich zu diesem Zeitpunkt im Bundesgebiet aufhält, ... wenn es zuvor noch keinen Asylantrag gestellt hatte".

Eine "Asylantragstellung nach § 14" liegt nicht vor. Es liegt lediglich ein vom Vater der Kläger gestellter Folgeantrag i. S. d. § 71 AsylVfG vor, der seit Herbst 2004 in zweiter Instanz rechtshängig ist. Eine "Folgeantragstellung nach § 71" ist aber keine "Asylantragstellung nach § 14". Ein Folgeantrag löst andere Rechtsfolgen aus. Er muss grundsätzlich persönlich gestellt werden und führt nicht automatisch zu einer Verlängerung der Aufenthaltsgestattung oder Abschiebungsschutzes.

Die Formulierung "mit der Asylantragstellung nach § 14" ist auch nicht gleichbedeutend mit der Formulierung, dass ein "alter", vor dem 01.01.2005 gestellter, aber noch nicht unanfechtbar entschiedener Folgeantrag eine solche Rechtsfolge haben soll. Wenn das gewünscht gewesen wäre, hätte es vom Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht werden müssen. Das ist aber nicht geschehen. Eine Ausnahmevorschrift, wie sie § 14 a AsylVfG darstellt, darf nicht extensiv ausgelegt werden.

Es kann auch nicht als gewollt betrachtet werden, das "alte", vor dem 01.01.2005 gestellte Folgeanträge, ob bereits beschieden oder nicht, ab dem 01.01.2005 für ledige Kinder unter 16 Jahren die Fiktion einer Erstantragstellung auslösen. Die gegenteilige Ansicht produziert nicht nur neue, sondern zeitlich nachgeschaltete Asylverfahren, was mit dem Gesetzeszweck nicht zu vereinbaren ist.

Ebenso wenig lässt sich aus § 14 a Abs. 2 AsylVfG eine Antragsfiktion ableiten. § 14 a Abs. 2 Satz 1 und 2 AsylVfG bestimmen, dass die Einreise oder die Geburt eines ledigen, unter 16 Jahren alten Kindes eines Ausländers nach dessen Asylantragstellung unverzüglich dem Bundesamt anzuzeigen sind und die Anzeigepflicht "neben dem Vertreter des Kindes i. S. v. § 12 Abs. 3 auch der Ausländerbehörde" obliegt. In diesen Fällen - so § 14 a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG - gilt ein Asylantrag für das Kind "mit Zugang der Anzeige beim Bundesamt" als gestellt.

Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift erfasst die Kläger nicht. Sie sind nicht "nach dessen Asylantragstellung" eingereist oder im Bundesgebiet geboren. Sie lebten schon vor dem letzten Folgeantrag ihres Vaters vier beziehungsweise acht Jahre im Bundesgebiet.

Aus dem Vorstehenden folgt, dass § 14 a AsylVfG auf Folgeanträge, die vor dem 01.01.2005 gestellt und beschieden wurden, keine Anwendung findet, weil ihm keine Rückwirkung beigelegt worden ist und sich aus dem Wortlaut und der systematischen Stellung der Vorschrift im zweiten Abschnitt des Asylverfahrensgesetzes ergibt, dass sie nur für Erstanträge gilt.