VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Urteil vom 06.12.2005 - 12 K 183/04 - asyl.net: M7630
https://www.asyl.net/rsdb/M7630
Leitsatz:

Einem bosnisch-herzegowinischen Staatsangehörigen und seinem Ehegatten ist es grundsätzlich möglich, die eheliche Lebensgemeinschaft in Bosnien und Herzegowina herzustellen.

 

Schlagwörter: D (A), Bosnien-Herzegowina, Serbien und Montenegro, Kosovo, Umverteilung, Duldung, Zustimmung, Schutz von Ehe und Familie, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK, Unterzeichnerstaat, Ehegattennachzug
Normen: AufenthG § 61 Abs. 1; AufenthG § 60a Abs. 2
Auszüge:

Einem bosnisch-herzegowinischen Staatsangehörigen und seinem Ehegatten ist es grundsätzlich möglich, die eheliche Lebensgemeinschaft in Bosnien und Herzegowina herzustellen.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Den Klägern steht gegen den Beklagten kein Anspruch darauf zu, dass der Beklagte sein Einvernehmen zu einem Zuzug der Kläger zu 1), 3) und 4) in das Saarland gegenüber der Ausländerbehörde des Beigeladenen erteilt.

Zwar ist im Grundsatz davon auszugehen, dass ungeachtet der strikten Regelung in § 61 Abs. 1 AufenthG - vormals § 56 Abs. 3 AuslG -, wonach der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt ist, eine länderübergreifende Änderung der räumlichen Beschränkung im Einvernehmen mit den beteiligten Ausländerbehörden der betreffenden Länder zulässig ist (vgl. hierzu Ziffer 61.1.1 der "vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Aufenthaltsgesetz und zum Freizügigkeitsgesetz/EU" - im folgenden: vorläufige Anwendungshinweise).

Ungeachtet dessen kommt auf der Grundlage des § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eine Änderung der räumlichen Beschränkung nur aus dringenden familiären Gründen, wie etwa Hilfsbedürftigkeit, in Betracht (vgl. hierzu Ziffer 61.1.1 der vorläufigen Anwendungshinweise). Derartige dringende familiäre Gründe sind vorliegend jedoch nicht ersichtlich. Ein solcher dringender familiärer Grund kann nicht allein in der Ermöglichung der familiären Lebensgemeinschaft gesehen werden.

Schon gar nicht ist ersichtlich, dass diese familiäre Lebensgemeinschaft gerade im Saarland hergestellt werden muss. Insoweit muss Beachtung finden, dass es den Klägern möglich und zumutbar ist, die familiäre Lebensgemeinschaft jedenfalls im Heimatland der Kläger zu 1), 3) und 4), nämlich Bosnien-Herzegowina, herzustellen und zu führen. Nach den Erkenntnissen der Kammer haben ausländische Staatsbürger, die mit bosnisch-herzegowinischen Staatsbürgern verheiratet sind, Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung in Bosnien-Herzegowina und können daher in Bosnien-Herzegowina zusammen mit dem Ehepartner den Wohnsitz nehmen (vgl. hierzu Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Sarajevo, Auskunft vom 23.08.2000 an VG Stuttgart). Im Weiteren muss gesehen werden, dass nach Art. II. 2 der Verfassung von Bosnien-Herzegowina die europäische Menschenrechtskonvention EMRK mit ihren Zusatzprotokollen direkt und unmittelbar für Bosnien-Herzegowina gilt und Vorrang vor allen anderen Gesetzen hat. Zudem ist die Ratifizierung der EMRK durch Bosnien-Herzegowina schließlich am 12.07.2002 erfolgt (vgl. hierzu Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl und abschiebungsrelevante Lage in Bosnien-Herzegowina vom 02.02.2005). Auch unter diesem Gesichtspunkt ist davon auszugehen, dass die Kläger in Bosnien-Herzegowina unter Berufung auf den in Art. 8 EMRK normierten Schutz des Familienlebens die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem ausländischen Kläger zu 2) herstellen können. Denn Bosnien-Herzegowina ist nach der EMRK gehalten, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem ihr zukommenden Gewicht zu berücksichtigen (vgl. hierzu VG des Saarlandes, Beschluss vom 30.05.2005 -12 F 144/04-; OVG Berlin, Beschluss vom 08.07.2004 -8 S 134.02, 8 M 42.02-).

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass dem Kläger zu 2) vom Landesamt am 23.12.2004 eine Aufenthaltsbefugnis für die Dauer eines Jahres erteilt worden ist. Ungeachtet des Umstands, dass über den Antrag des Klägers zu 2) auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis noch nicht entschieden ist, ist allein maßgeblich, dass es dem Kläger zu 2) möglich und auch zumutbar ist, seinen Aufenthalt mit der Familie in Bosnien-Herzegowina zu nehmen (vgl. OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 11.07.2003 -2 W 34/03- und 17.02.2000 -9 V 22/ 99 -).