Keine nichtstaatliche Gruppenverfolgung von Christen im Irak.
Keine nichtstaatliche Gruppenverfolgung von Christen im Irak.
(Leitsatz der Redaktion)
Der Bescheid des Bundesamts vom 29. September 2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Widerruf der Feststellungen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG findet seine Rechtsgrundlage in § 73 Abs. 1 AsylVfG.
Der Kläger hat nach Überzeugung des Senats zum gegenwärtigen Zeitpunkt und in absehbarer Zukunft bei Rückkehr in den Irak in Folge der inzwischen eingetretenen grundlegenden Änderung der Verhältnisse keinen Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG.
Allerdings sind im Irak terroristische Anschläge an der Tagesordnung.
Wie den genannten Informationsquellen weiter entnommen werden kann, ist gleichzeitig auch die allgemeine Kriminalität stark angestiegen und mancherorts außer Kontrolle geraten. Gemessen an der Vielzahl der Anschläge auf verschiedene Bevölkerungsgruppen sind die Übergriffe gegenüber Christen aber nicht derart häufig, dass sie mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegenwärtig und in näherer Zukunft eine Gruppenverfolgung der Christen im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 4 c AufenthG begründen könnten (so auch OVG Rheinland-Pfalz vom 24.1.2005 Az. 10 A 10001/05.OVG; Niedersächsisches OVG vom 24.11.2004 AuAS 2005, 65). Gegenteiliges kann den vom Kläger vorgelegten Informationsquellen nicht entnommen werden.
Aus der EU-Richtlinie 2004/83 vom 29. April 2004, welche spätestens am 10. Oktober 2006 in nationales Recht umgesetzt werden muss, kann die Klagepartei noch keine weitergehenden Ansprüche herleiten. Im Ausländer- und Asylrecht ist vor Ablauf der Umsetzungsfrist eine beachtliche Vorwirkung von EG-Richtlinien nicht anzunehmen, weil dies dem gesetzgeberischen Willen vorgreifen würde (in diesem Sinne auch VGH BW vom 12.5.2005 DÖV 2005, 747).
Soweit die Klagepartei sich wegen des ihrer Ansicht nach fehlenden Wegfalls der Verfolgungsgefahr durch eine grundlegende und dauerhafte Änderung der Umstände im Herkunftsland auf Art. 1 C Nr. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) beruft, verkennt sie, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dem Ausländer, dessen Asylanerkennung mangels gegenwärtiger Verfolgungsbetroffenheit nicht in Betracht kommt, Schutz vor existenzbedrohenden wirtschaftlichen Notlagen bei Rückkehr ins Heimatland nach allgemeinem Ausländerrecht (Gestattung weiteren Aufenthaltes) zu gewähren ist (BVerwG v. 31.1.1989, BVerwG 9 C 43.88, Buchholz 412.25 § 1 AsylVfG Nr. 103).
Der am 1. Januar 2005 in Kraft getretene § 73 Abs. 2 a AsylVfG steht der Rechtmäßigkeit des vor diesem Zeitpunkt erlassenen Widerrufsbescheides nicht entgegen.
Diese Regelung konnte (und durfte) das Bundesamt bei seiner Entscheidung am 8. November 2004 nicht berücksichtigen.
Das Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30. Juli 2004 (BGBl I S. 1950) führte unter anderem zwar § 73 Abs. 2 a in das Asylverfahrensgesetz ein. Diese Änderung trat aber erst am 1. Januar 2005 in Kraft (Art. 15 Abs. 3 1. HS Zuwanderungsgesetz). Entsprechende Überleitungsregelungen oder Rückwirkungsbestimmungen fehlen (vgl. auch § 87 Abs. 1, § 87 b AsylVfG). Daher kann die in § 73 Abs. 2 a Satz 1 normierte Drei-Jahres-Frist erst mit dem 1. Januar 2005 zu laufen begonnen haben. Weiter bedeutet dies, dass das Bundesamt das im Zeitpunkt seiner Entscheidung geltende Verfahrensrecht, nämlich § 73 Abs. 1 AsylVfG a.F., anzuwenden und eine Rechtsentscheidung zu treffen hatte (vgl. BVerwG vom 26.3.1985 NVwZ 1986, 45 f. zu nach altem Recht bereits abgeschlossenen Verfahrensabschnitten).
Nur wenn das Verwaltungsverfahren im Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 73 Abs. 2 a AsylVfG noch nicht abgeschlossen gewesen wäre, hätte die Behörde ihre Vorgehensweise an den Vorgaben dieser neuen Bestimmung ausrichten müssen, weil das Gesetz unschwer erkennbar für das Bundesamt in Zukunft eine obligatorische Prüfpflicht einführt, nicht aber rückwirkend, für die Vergangenheit, eine solche - mit allen ihren verwaltungstechnischen Schwierigkeiten - schafft (vgl. insoweit auch BVerwG vom 26.3.1985 a.a.O.).