Der Haftrichter muss vor Verhängung von Abschiebungshaft prüfen, ob der Verwaltungsakt, der die vollziehbare Ausreisepflicht begründet (hier: Rücknahme der Aufenthaltserlaubnis) wirksam zugestellt worden ist.
Der Haftrichter muss vor Verhängung von Abschiebungshaft prüfen, ob der Verwaltungsakt, der die vollziehbare Ausreisepflicht begründet (hier: Rücknahme der Aufenthaltserlaubnis) wirksam zugestellt worden ist.
(Leitsatz der Redaktion)
Die Anordnung der Abschiebungshaft nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 bzw. 5 AufenthG setzt voraus, dass der Ausländer vollziehbar ausreisepflichtig ist (§ 58 AufenthG). Das war hier nicht der Fall.
1. Das Landgericht hat dazu ausgeführt, die dem Betroffenen aufgrund seiner Eheschließung erteilte Aufenthaltserlaubnis sei mit Verfügung der Ausländerbehörde vom 23. Mai 2005 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung widerrufen und der Betroffene gleichzeitig zur Ausreise aufgefordert worden. Da der Betroffene seit dem 20. Januar 2005 unbekannten Aufenthalts gewesen sei, sei diese Verfügung öffentlich zugestellt worden.
Das Landgericht hat vorgetragene und aktenkundige Tatsachen übergangen, die entscheidungserheblich sind.
Der Betroffene hat gegen den Widerruf seiner Aufenthaltserlaubnis vor dem Verwaltungsgericht Hannover unter dem 12. September 2005 Klage erhoben und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beantragt (Az. 4 B 5393/05). Mit Beschluss vom 14. September 2005, den der Beschwerdeführer dem Landgericht bereits unter dem 19. September 2005 vorgelegt hat, hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt und in der Entscheidung u.a. ausgeführt, die Verfügung der Ausländerbehörde vom 23. Mai 2005 sei dem Betroffenen nicht wirksam im Wege der öffentlichen Zustellung bekannt gemacht worden, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§ 15 Abs. 1 a VwZG) nicht vorgelegen hätten. Von dieser verwaltungsgerichtlichen Bewertung will und kann der Senat nicht abweichen.
Damit aber war der Betroffene schon zum Zeitpunkt der Anordnung der Abschiebehaft nicht vollziehbar ausreisepflichtig, denn ein Verwaltungsakt wird erst dann wirksam, wenn er dem Betroffenen bekannt gemacht wird, § 43 Abs. 1 VwVfG.
2. Der Senat verkennt nicht, dass der Haftrichter an die der Ausweisung und Abschiebung zugrunde liegenden Verwaltungsakte gebunden ist, wenn keine Anhaltspunkte für ihre Nichtigkeit vorliegen. Dies entspricht auch den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Regelungen, nach denen ein Verwaltungsakt - ausgenommen, er wäre nichtig - wirksam ist und bleibt, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist, § 43 Abs. 2 VwVfG. Die Gewährung von Rechtsschutz für den Bereich der Abschiebung im Übrigen obliegt ausschließlich den Verwaltungsgerichten (BGHZ 98, 109). Der Haftrichter hat nicht zu prüfen, ob die Ausländerbehörde die Abschiebung zu Recht betreibt, insbesondere, ob eine Ausweisungsverfügung zu Recht ergangen ist und fortwirkt (BGHZ 78, 145).
Hier aber steht nicht die materielle Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung in Rede, sondern die Zustellung als deren Wirksamkeitsvoraussetzung. Ohne wirksamen Widerruf aber dauerte die Aufenthaltsgestaltung fort; der Betroffene war nicht vollziehbar ausreisepflichtig. Dies ist von Amts wegen zu beachten (Renner, AuslR, 8. Aufl. § 62 AufenthG Rdn. 14; zur fehlenden Zustellung eines Asylablehnungsbescheides s.a. OLG Stuttgart, Urteil v. 20. Juli 2005, Az. 4 U 71/05).