VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Beschluss vom 30.01.2006 - 24 L 114/06 - asyl.net: M7760
https://www.asyl.net/rsdb/M7760
Leitsatz:

Wird ein Ausländer durch die Ausländerbehörde schriftlich gebeten, sich an einem bestimmten Termin zum Zweck der Vorführung bei einer Auslandsvertretung bereitzuhalten, und ist das Schreiben nach Form und Inhalt nicht hinreichend deutlich als Verwaltungsakt zu erkennen, handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, so dass eine zwangsweise Durchsetzung der Vorsprache bei der Auslandsvertretung nicht möglich ist.

 

Schlagwörter: Passbeschaffung, Mitwirkungspflichten, Verwaltungsakt, unmittelbarer Zwang, Passverfügung, Passlosigkeit, Zwangsvorführung, Grundverfügung, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Rechtsschutzbedürfnis, vorbeugender Rechtsschutz
Normen: VwGO § 123 Abs. 5; AsylVfG § 15 Abs. 2 Nr. 6; AufenthG § 48 Abs. 3 S. 1; AufenthG § 82 Abs. 4 S. 1
Auszüge:

Wird ein Ausländer durch die Ausländerbehörde schriftlich gebeten, sich an einem bestimmten Termin zum Zweck der Vorführung bei einer Auslandsvertretung bereitzuhalten, und ist das Schreiben nach Form und Inhalt nicht hinreichend deutlich als Verwaltungsakt zu erkennen, handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, so dass eine zwangsweise Durchsetzung der Vorsprache bei der Auslandsvertretung nicht möglich ist.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der am 18. Januar 2006 bei Gericht eingegangene Antrag, "den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen, insbesondere auch einer Vorführung beim türkischen Konsulat, abzusehen", hat keinen Erfolg. Er ist unzulässig.

1. a. Soweit der Antrag sich auf eine "Vorführung" der Antragstellerin zu 2. beim türkischen Generalkonsulat bezieht, steht ihm zwar nicht gemäß § 123 Abs. 5 VwGO der Vorrang des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO entgegen.

Denn bei dem Schreiben des Antragsgegners vom 17. Januar 2006, mit dem die Antragstellerin zu 2. gebeten wird, sich am 31. Januar 2006 um 11.30 Uhr bei ihrer Meldeadresse bereitzuhalten, wo sie von Außendienstmitarbeitern abgeholt werde, oder aber sich selbst zum türkischen Generalkonsulat in Düsseldorf zu begeben und sich dort um 14.45 Uhr mit den Außendienstmitarbeitern zu treffen, handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, weder der Form noch dem Inhalt nach. Das Schreiben weist äußerlich keine typischen Merkmale eines Bescheides auf. Insbesondere enthält es weder eine Überschrift "Ordnungsverfügung" oder dergleichen, noch einen abgesetzten Tenor, noch eine Rechtsbehelfsbelehrung. Auch dem Inhalt nach liegt kein Verwaltungsakt vor; es fehlt an einer Regelung i.S.d. § 35 Satz 1 VwVfG. Eine "Regelung" ist dann anzunehmen, wenn die Maßnahme der Behörde darauf gerichtet ist, eine verbindliche Rechtsfolge zu setzen, d.h. wenn Rechte des Betroffenen unmittelbar begründet, geändert, aufgehoben, mit bindender Wirkung festgestellt oder verneint werden (s. etwa BVerwG, Urteil vom 20. Mai 1987, 7 C 83/84, BVerwGE 77, 268).

Dies ist hier nicht der Fall.

Die Antragstellerin zu 2., die, soweit ersichtlich, keinen gültigen Pass oder Passersatz besitzt, ist von Gesetzes wegen verpflichtet, an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken (§ 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG und/oder jedenfalls § 48 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 AufenthG). Die Pflicht zur Mitwirkung bei der Beschaffung eines Identitätspapiers kann durch Verwaltungsakt für den Einzelfall mit Bindungswirkung konkretisiert werden. Für die Anordnung des persönlichen Erscheinens bei der Vertretung eines Staates, dessen Staatsangehörigkeit der Ausländer vermutlich besitzt, besteht dabei mit § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG eine spezielle Ermächtigungsgrundlage. Das Schreiben des Antragsgegners vom 17. Januar 2006 ist aber nicht so auszulegen, dass hier ein solcher Verwaltungsakt vorläge.

In dem Schreiben heißt es, nachdem auf die Ablehnung des Asylfolgeantrags hingewiesen wurde: "Ich bitte Sie, sich am Dienstag, 31.01.2006 bei Ihrer Meldeadresse [...] bereitzuhalten, zum Zwecke einer Botschaftsvorführung bei der türkischen Auslandsvertretung. Meine Außendienstmitarbeiter werden Sie dort ab 11.30 Uhr abholen. [...] Da dieser Termin lediglich zur Klärung der Staatsangehörigkeit dient, bitte ich diesen Termin wahr zu nehmen." Alternativ werde eine eigenständige Anreise zum Generalkonsulat angeboten, in diesem Fall würden die Außendienstmitarbeiter die Antragstellerin zu 2. dort um 14.45 Uhr treffen. Weiter heißt es: "Für eine kurze Mitteilung, ob Sie zuhause abgeholt werden wollen oder eine eigene Anreise zum Generalkonsulat wünschen, wäre ich dankbar."

Dass mit Bindungswirkung eine Pflicht der Antragstellerin zu 2. statuiert werden sollte, wird mit diesem Schreiben nicht zum Ausdruck gebracht. Insbesondere der Satz "Da dieser Termin lediglich zur Klärung der Staatsangehörigkeit dient, bitte ich diesen Termin wahr zu nehmen." [Hervorhebung durch das Gericht] spricht dagegen, dem Schreiben ein - lediglich in höfliche Worte gekleidetes - zwingendes Gebot zu entnehmen. Es ist bei der gebotenen Auslegung vom Empfängerhorizont vielmehr als Appell an die Antragstellerin zu 2. zu verstehen, in freiwilliger Befolgung ihrer gesetzlichen Mitwirkungspflichten den angegebenen Termin wahrzunehmen. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass Unklarheiten, ob eine Regelung und damit ein Verwaltungsakt vorliegt, zu Lasten der Behörde gehen (BVerwG, Urteil vom 17. August 1995, 1 C 15/94, BVerwGE 99, 101 m.w.N.).

Will sie sich des Instrument des Verwaltungsakts bedienen - der verbindlich, bestandskraftfähig und von ihr selbst mit Zwangsmitteln durchsetzbar ist - muss dies hinreichend deutlich werden.