VG Aachen

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Zitieren als:
VG Aachen, Urteil vom 09.09.2005 - 7 K 2270/02 - asyl.net: M7773
https://www.asyl.net/rsdb/M7773
Leitsatz:

Bei der Entscheidung über die Befreiung oder den Erlass einer Einbürgerungsgebühr für einen anerkannten Flüchtling ist zwingend Art. 34 GFK im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen.

 

Schlagwörter: Genfer Flüchtlingskonvention, Einbürgerungsgebühren, Antrag, Minderung, Flüchtlingsstatus, Konventionsflüchtlinge, Ermessen
Normen: GFK Art. 34; AuslG § 90 S. 1
Auszüge:

Bei der Entscheidung über die Befreiung oder den Erlass einer Einbürgerungsgebühr für einen anerkannten Flüchtling ist zwingend Art. 34 GFK im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klägerin hat allerdings einen Anspruch auf Neubescheidung ihres mit dem Widerspruch vom 29. Januar 2002 verbundenen Antrags auf Gebührenermäßigung bzw. -erlass unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.

1.) Der Billigkeitsentscheidung steht nicht entgegen, dass ein entsprechender Antrag erst im nachhinein, d.h. nach Festsetzung und vorbehaltloser Zahlung der Gebühr, gestellt worden ist. Das Gesetz sieht eine entsprechende Begrenzung nicht vor. Eine Grenze wird unter dem Aspekt der Verwirkung erst erreicht sein, wenn die Festsetzung der Abgabe unanfechtbar ist (vgl. Fritsch, in: Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2004, § 227 Rn. 28 m.w.N. insbesondere der Rechtsprechung des BFH).

2.) Selbst wenn man die Ausführungen der Widerspruchsbehörde ungeachtet der gewählten eindeutigen Formulierung in dem Widerspruchsbescheid als Ermessensbetätigung verstehen wollte (vgl. zur Differenzierung zwischen Tatbestand und Rechtsfolge bei § 90 AuslG Berlit, in: Gemeinschaftskommentar Staatsangehörigkeitsrecht, § 90 Rn. 19 m; allgemein Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 40 Rn. 38 ff. m.w.N.), wäre die Entscheidung als ermessensfehlerhaft anzusehen. Die Fehlerhaftigkeit folgte daraus, dass die Regelung des Art. 34 Satz 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention - GK) nicht beachtet worden ist. Durch diese Vorschrift haben sich die Vertragsstaaten verpflichtet, die Eingliederung und Einbürgerung Staatenloser soweit wie möglich zu erleichtern. Konkretisierend heißt es weiter in Art. 34 Satz 2 GK: "Sie werden insbesondere bestrebt sein, Einbürgerungsverfahren zu beschleunigen und die Kosten dieses Verfahrens soweit wie möglich herabzusetzen". Die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention sind gemäß Art. 2 des sie betreffenden Gesetzes vom 01. September 1953 (BGBl. II S. 559) Bestandteil des innerstaatlichen Rechts. Es ist anerkannt, dass Art. 34 GK unmittelbar anwendbar ist im Sinne eines Wohlwollensgebots (vgl. zur Billigkeitsentscheidung in Bezug auf die Einbürgerungsgebühr VG Bremen, Urteil vom 10. Mai 2004 - 4 K 232/04 -, InfAuslR 2004, 357; zur Einbürgerung selbst: BVerwG, Urteile vom 27. September 1988 - 1 C 20/88 -, InfAuslR 1989, 91, vom 27. September 1988 - 1 C 3/85 -, DVBI. 1989, 252, und vom 01. Juli 1975, 1 C 44.70 -, BVerwGE 49, 44 m.w.N.; Beschluss vom 23. Dezember 1993 - 1 B 61/93 - DVBl 1994 S. 526 (zur Einbürgerung aufgrund des Art. 32 Satz 1 des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen, der inhaltlich Art. 34 GFK entspricht); Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 3. Auflage 2001, § 8 StAG Rn. 98).

Geboten ist auf dieser Grundlage eine sorgfältige Abwägung des öffentlichen Interesses an einer möglichst kostendeckenden Gebühr zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung mit dem Interesse von Asylberechtigten an einer möglichst kostengünstigen Einbürgerung.