LG Aachen

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Zitieren als:
LG Aachen, Urteil vom 05.10.2005 - 4 O 38/04 - asyl.net: M7774
https://www.asyl.net/rsdb/M7774
Leitsatz:

Schadensersatz für Rechtsanwaltsgebühren wegen Amtspflichtverletzung, wenn einem Einbürgerungsantrag ohne besonderen Grund länger als drei Monate (hier: 14 Monate) nicht entsprochen wird und eine baldige Entscheidung nicht zu erwarten ist; allein die unzureichende Ausstattung der Einbürgerungsabteilung ist kein besonderer Grund.

 

Schlagwörter: Einbürgerung, Amtspflichtverletzung, Rechtsanwaltsgebühren, Schadensersatz, Staatenlose, Staatenlosenübereinkommen, Verfahrensdauer
Normen: BGB § 839; GG Art. 34; VwGO § 75; VwVfG § 80; BGB § 254;
Auszüge:

Schadensersatz für Rechtsanwaltsgebühren wegen Amtspflichtverletzung, wenn einem Einbürgerungsantrag ohne besonderen Grund länger als drei Monate (hier: 14 Monate) nicht entsprochen wird und eine baldige Entscheidung nicht zu erwarten ist; allein die unzureichende Ausstattung der Einbürgerungsabteilung ist kein besonderer Grund.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Ersatz der ihr entstandenen Kosten der anwaltlichen Betreuung im Einbürgerungsverfahren aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung nach § 839 BGB i.V. mit Art. 34 GG zu.

Vorliegend ist auch in der über ein Jahr dauernden Tätigkeit der Beklagten eine Amtspflichtverletzung zu sehen. Der Bürger hat einen Anspruch darauf, dass seine Anträge von den Behörden in zeitlich vertretbarem Rahmen bearbeitet werden. Als Maßstab für den zeitlich vertretbaren Rahmen kann hier die 3-Monats-Frist des § 75 VwVGO angenommen werden, mit der Maßgabe, dass keine besonderen Gründe für das Nichtentscheiden der Behörde innerhalb der 3-Monats-Frist vorliegen. Hierzu ist aber nichts hinreichendes vorgetragen. Der Vortrag der Beklagten, auf die Vielzahl der vorliegenden Anträge und die dadurch bedingte längere Bearbeitungsdauer, kann nicht zur Annahme eines zureichenden Grundes im Sinne des § 75 VwVGO führen. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer außergewöhnlichen Belastung der Behörde sind nicht vorhanden. Soweit die beklagte Stadt einzelne Abteilungen auf Dauer unzureichend mit Personal ausgestattet hat, liegt ein Organisationsverschulden vor.

Die Einschaltung eines Rechtsanwaltes war, nachdem der Einbürgerungsantrag 14 Monate unbearbeitet liegen geblieben war und die 4-maligen Vorsprachen des Vaters der Klägerin nicht zu einer Beschleunigung des Verfahrens führten, auch erforderlich, wie schon der prompte zeitliche Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit zeigt.

Letztlich kann die Beklagte auch mit dem Argument, eine Einschaltung des Anwaltes sei nicht erforderlich gewesen, weil die Eltern der Klägerin selbst ein entsprechendes Schreiben an die Behörden hätten richten können kein Gehör finden. Nach dem der Vater der Klägerin selbst 4 Mal fruchtlos vorgesprochen hatte, muss als extrem unwahrscheinlich angesehen werden, dass eine schriftliche Mahnung von seiner Seite zum Erfolg geführt hätte. Vielmehr spricht alles dafür, dass die Einschaltung des Anwalts und dessen recht knapp bemessene Fristsetzung unter Androhung der verwaltungsgerichtlichen Untätigkeitsklage zum raschen Abschluß des Einbürgerungsverfahrens führte.

Ein Schadensersatzanspruch aus Amtspflichtsverletzung scheidet auch nicht deshalb aus, weil in § 80 VwVfG die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten in behördlichen Verfahren abschließend geregelt wäre. Diese Vorschrift regelt die Erstattungsfähigkeit bzw. Nichterstattungsfähigkeit von Anwaltskosten für ein ordnungsgemäß durchgeführtes Verwaltungsverfahren. Bei einer auf mangelnder personeller Besetzung oder auf Säumigkeit des Sachbearbeiters beruhenden Untätigkeit der Behörde liegt aber kein ordnungsgemäßes Verwaltungsverfahren vor, sondern eine Amtspflichtsverletzung die zu einem Schadensersatzanspruch führt.

Auch dem Argument der Beklagten die Klägerin sei auf die verwaltungsrechtliche Untätigkeitsklage zu verweisen und soweit sie auf diese verzichtet habe, liege eine Verletzung der Schadensminderungspflicht im Sinne von § 254 BGB vor, muss der Erfolg versagt bleiben. Bei Durchführung der Untätigkeitsklage wären nämlich höhere anwaltliche Gebühren, eine 10/10 Gebühr statt einer 7,5/10 Gebühr angefallen, so dass das konkrete Vorgehen der Klägerin letztlich schadensmindernd ist.