VG Braunschweig

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VG Braunschweig, Urteil vom 01.09.2005 - 5 A 15/05 - asyl.net: M7819
https://www.asyl.net/rsdb/M7819
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Ausreisehindernis, Passlosigkeit, Passbeschaffung, Mitwirkungspflichten, Privatleben, Integration, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK, Ausreisepflicht, vorübergehende Gründe, Schulabschluss, Aufenthaltserlaubnis, Dauer, Verlängerung, Ermessen, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, Schüler
Normen: AufenthG § 25 Abs. 5; EMRK Art. 8; AufenthG § 25 Abs. 4 S. 1; AufenthG § 25 Abs. 4 S. 2; AufenthG § 26 Abs. 1; AufenthG § 8 Abs. 1; AufenthG § 8 Abs. 2; AufenthG § 5 Abs. 3 2. Hs.
Auszüge:

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG.

Rechtliche Ausreisehindernisse i. S. d. § 25 Abs. 5 AufenthG liegen nicht vor. Entgegen der Auffassung des Klägers begründet Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) im Hinblick auf die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet und seine Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse kein Ausreisehindernis. Art. 8 Abs. 1 EMRK schützt unter anderem das Privat- und Familienleben. Ein Eingriff in die Ausübung dieser Rechte ist nach Art. 8 Abs. 2 EMRK unter anderem dann statthaft, wenn er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die öffentliche Ordnung notwendig ist, wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist. Die Regelungen des Aufenthaltsgesetzes und vormals des Ausländergesetzes entsprechen in ihren differenzierten Aufenthaltsregelungen generell dem Standard der Konvention und stellen zulässige Schranken des Aufenthaltsbestimmungsrechts eines Ausländers dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.1997 - 1 C 19/96 - BVerwGE 106, 13 ff.). Sie dienen unter anderem der Steuerung, Begrenzung und Gestaltung der Zuwanderung (§ 1 Abs. 1 AufenthG). Nach § 4 AufenthG ist es grundsätzlich erforderlich, einen Aufenthaltstitel zu besitzen, wobei in den Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes im Einzelnen geregelt ist, unter welchen Voraussetzungen ein Aufenthaltstitel erteilt werden kann. Dem steht es entgegen, einem Ausländer, der sich über längere Zeit ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufgehalten hat und dessen Aufenthalt lediglich geduldet wurde, allein wegen seines faktischen Aufenthalts im Bundesgebiet und der damit verbundenen Integration ein Bleiberecht zu gewähren (vgl. VG Oldenburg, Urt. v. 11.5.2005 - 11 A 2574/03 - Homepage des Nds. OVG im Internet). Der Kläger war während der bisherigen Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet zu keinem Zeitpunkt im Besitz eines Aufenthaltstitels nach den Bestimmungen des Ausländer- oder des Aufenthaltsgesetzes.

Angesichts seines Aufenthaltsstatus durfte er zu keinem Zeitpunkt darauf vertrauen, dauerhaft in Deutschland bleiben zu können. Damit unterscheidet sich die Sachlage wesentlich von Fällen, in denen ein langjähriger rechtmäßiger Aufenthalt eines Ausländers beendet werden soll.

Der Kläger hat jedoch einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, der vom Beklagten bislang nicht erfüllt worden ist.

Auch die erkennende Kammer hält die Regelung (auch) für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer - wie den Kläger - für anwendbar und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf die Ausführungen des Nds. Oberverwaltungsgerichts im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes Bezug (Beschl. v. 27.6.2005 - 5 B 16/05 -).

Über die Bestimmung des § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG soll die Ausländerbehörde in die Lage versetzt werden, einem Ausländer einen vorübergehenden, zeitlich beschränkten Aufenthalt ermöglichen zu können. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Norm, aber auch aus den in der Gesetzesbegründung beispielhaft genannten dringenden persönlichen Gründen der Durchführung einer Operation, die im Herkunftsland nicht gewährleistet ist, der vorübergehenden Betreuung eines schwerkranken Familienangehörigen oder dem Abschluss einer Schul- oder Berufsausbildung (BT-Drs. 15/420, S. 79 f.). Wird dagegen ein Daueraufenthalt bzw. ein zeitlich nicht absehbarer Aufenthalt im Bundesgebiet angestrebt, kann eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht beansprucht werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 6.4.2005 - 11 S 2779/04 - juris-Länderrechtsprechung). Hiervon ist eine Ausnahme möglich, wenn der Ausländer daneben weitere Gründe geltend macht, die einen vorübergehenden Aufenthaltszweck erkennen lassen (Nds. OVG, a. a. O. unter Hinweis auf VG Koblenz, Urt. v. 24.1.2005 - 3 K 3819/03.KO - juris-Länderrechtsprechung).

Soweit der Kläger geltend macht, dass ihm zumindest bis zum Abschluss seiner Schulausbildung Ende Juli 2006 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden müsse, handelt es sich in diesem Sinn um einen Aufenthalt für einen vorübergehenden Zweck. Zwar ist der danach erstrebte weitere Aufenthalt im Bundesgebiet auf einen längeren Zeitraum als sechs Monate angelegt. Die Kammer vermag aber nicht zu erkennen, dass eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht auch dann erteilt und bei Fortdauer der Voraussetzungen verlängert werden kann, wenn der vorübergehende Aufenthaltszweck einen Zeitraum von sechs Monaten überschreitet. Regelungen zur Dauer einer nach den §§ 22 ff. AufenthG zu erteilenden Aufenthaltserlaubnis hat der Gesetzgeber in § 26 Abs. 1 AufenthG getroffen. Danach kann eine Aufenthaltserlaubnis nach dem 5. Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden, in den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 AufenthG jedoch für längstens sechs Monate, solange sich der Ausländer - wie der Kläger - noch nicht mindestens 18 Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Im Hinblick auf die in § 26 Abs. 1 AufenthG eingangs gewählte Formulierung, nach der die erfassten Aufenthaltserlaubnisse grundsätzlich "für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden", ist die weitere Regelung des Absatzes dahin zu verstehen, dass Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 AufenthG abweichend davon nur "für längstens sechs Monate erteilt und verlängert" werden können (so auch Ziffer 26.1 der Vorläufigen Nds. Verwaltungsvorschrift zum AufenthG). Eine Verlängerung ist dabei nicht nur gemäß § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG möglich, wonach eine Aufenthaltserlaubnis abweichend von § 8 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG verlängert werden kann, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebietes für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde, sondern auf der Grundlage des allgemein für die Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen geltenden § 8 AufenthG auch bei fortdauerndem Vorliegen der ursprünglichen Erteilungsgründe.

Mit § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG hat der Gesetzgeber eine eigenständige Möglichkeit der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis geschaffen (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 80; Ziffer 25.4.2.1 der Vorläufigen Anwendungshinweise des BMI und der Vorläufigen Nds. Verwaltungsvorschrift zum AufenthG). Obgleich sich die Bestimmung im selben Absatz wie § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG findet, besteht zwischen beiden Vorschriften kein systematischer Zusammenhang. Nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG kann Ausländern, die bereits im Besitz einer anderen (befristeten) Aufenthaltserlaubnis sind, deren Voraussetzungen aber nicht mehr erfüllen, bei Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte ein Folgeaufenthaltsrecht gewährt werden. Die Regelung gilt nicht nur nach Wegfall der Umstände, die ursprünglich zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG geführt haben, sondern auch bei ursprünglicher Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf anderer Grundlage. Dies folgt zum Einen aus dem Wortlaut der Norm, nach der "eine Aufenthaltserlaubnis" verlängert werden kann und zum Anderen auch daraus, dass die Regelung an die Stelle der nach § 30 Abs. 2 AuslG möglichen Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis getreten ist, wonach es insofern ebenfalls ohne weitere Voraussetzungen allein auf einen rechtmäßigen Voraufenthalt ankam (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 80; Heinholdt, a. a. O., Abschnitt VI; Storr/Wenger/Eberle, § 25 Rdnr. 18; VGH Mannheim, Beschl. v. 9.2.2005 - 11 S 1099/04 - juris-Länderrechtsprechung). Mit § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG ist der Anwendungsbereich des § 30 Abs. 2 AuslG lediglich insofern geändert, nämlich erweitert worden, als er nunmehr ein Folgeaufenthaltsrecht auch für unanfechtbar abgelehnte Asylbewerber und für Ausländer ermöglicht, denen bis zum Wegfall der Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erteilt worden ist, denn dies war unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 30 Abs. 5 AuslG bzw. der durch § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ersetzten Regelung des § 55 Abs. 3 AuslG, die lediglich die Erteilung einer Duldung ermöglichte und damit keinen rechtmäßigen Voraufenthalt begründete, auf der Grundlage von § 30 Abs. 2 AuslG nicht möglich (vgl. Ziffer 25.4.2.1 der Vorläufigen Nds. Verwaltungsvorschrift zum AufenthG; Fleuß, BDVR-RdSchr. 01 und 02/2005, S. 16, 30; Storr/Wenger/Eberle, a. a. O.).

Vor diesem Hintergrund ist § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG als Verlängerungsmöglichkeit bei Wegfall der ursprünglichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis einschlägig, ohne die bei Fortdauer der Erteilungsvoraussetzungen, etwa der dringenden persönlichen Gründe i. S. d. § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, mögliche Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 8 AufenthG auszuschließen (vgl. auch im Umkehrschluss § 26 Abs. 2 AufenthG). In den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 AufenthG darf die Verlängerung dabei gemäß § 26 Abs. 1 AufenthG höchstens für sechs Monate erfolgen. Mit der verkürzten Höchstdauer für die erstmalige Erteilung und die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in den genannten Fällen soll erreicht werden, dass das Fortbestehen der Umstände, auf denen der Aufenthalt beruht, regelmäßig nach angemessener Zeit überprüft wird (vgl. Ziffer 26.1 der Vorläufigen Anwendungshinweise des BMI zum AufenthG). Bei dem auf einen vorübergehenden Aufenthalt gerichteten Aufenthaltsrecht des § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG und dem nur für die Dauer des Bestehens von Ausreisehindernissen vorgesehenen Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 5 AufenthG bietet sich für die Überprüfung grundsätzlich eine kürzere Frist als in den übrigen Fällen der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 22 ff. AufenthG an. Wird bei der Überprüfung festgestellt, dass die Umstände, auf denen der Aufenthalt beruht, fortbestehen, weil bei einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 etwa die vorübergehende Betreuung eines schwerkranken Familienangehörigen noch nicht beendet ist, kann die Aufenthaltserlaubnis nach § 8 i. V. m. §§ 25 Abs. 4 Satz 1, 26 Abs. 1 AufenthG für längstens weitere sechs Monate verlängert werden (vgl. auch Storr/Wenger/Eberle, § 26 Rdnr. 3, wonach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG im Verhältnis zu § 26 Abs. 1 AufenthG eine "weitere" Verlängerungsmöglichkeit darstelle).

Würden die Regelungen des Gesetzes dagegen dahin verstanden, dass eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG für höchstens sechs Monate erteilt und anschließend nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG verlängert werde könnte (so Nds. OVG, a. a. O. unter Hinweis auf Lüke, ZAR 2004, 397, 398), müsste dies angesichts der gemäß § 26 Abs. 1 AufenthG auch für Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 5 AufenthG geltenden Höchstdauer von sechs Monaten und des nicht auf Fälle des Satzes 1 beschränkten Anwendungsbereichs des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG wohl auch für Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 5 AufenthG gelten. Dies würde etwa in den nicht seltenen Fällen, in denen auf längere Zeit eine vom Ausländer nicht zu vertretende, insbesondere auf fehlender bzw. zögerlicher Mitwirkung der Heimatbehörden beruhende Passlosigkeit gegeben und damit ein tatsächliches Ausreisehindernis i. S. d. § 25 Abs. 5 AufenthG begründet ist, dazu führen, dass dem Ausländer, sofern er sich noch nicht mindestens 18 Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, die nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilte Aufenthaltserlaubnis nach Ablauf der Geltungsdauer von längstens sechs Monaten regelmäßig nicht verlängert werden könnte, denn in Fällen dieser Art dürfte eine Verlängerung nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nur ausnahmsweise möglich sein, da eine außergewöhnliche Härte im Sinne der Norm zumindest in erster Linie aus Umständen und Verhältnissen im Inland folgen dürfte (vgl. Lüke, a. a. O., S. 399) und die nicht zu vertretende Passlosigkeit nicht erfasst wird. Dies würde dazu führen, dass dem Ausländer nach Ablauf der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis trotz Fortbestehens von Ausreisehindernissen wiederum nur Duldungen gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG gewährt werden könnten, obwohl es erklärtes Ziel des Gesetzgebers war, durch die Regelung des § 25 Abs. 5 AufenthG die Praxis der "Kettenduldung" zu beenden (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 80). Auch dies spricht dafür, dass Verlängerungen von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 AufenthG nicht nur in den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG, sondern auch bei Fortdauer der die Erteilung rechtfertigenden Umstände unter Berücksichtigung von § 8 AufenthG möglich sein sollen. Ist dies aber anzunehmen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nur dann möglich ist, wenn nach einer vor der Erteilung anzustellenden Prognose erwartet werden kann, dass die einen vorübergehenden Aufenthalt rechtfertigenden Gründe nicht länger als sechs Monate bestehen werden.

Auch handelt es sich für den Kläger um einen vorübergehenden Aufenthalt, denn der Zeitraum ist absehbar begrenzt (vgl. bereits Nds. OVG, a. a. O.). Dass sich der Ausländer bereits im letzten Schuljahr befinden muss, um einen dringenden persönlichen Grund geltend machen zu können, ist dem Gesetz und der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen. In der Gesetzesbegründung ist ohne zeitliche Einschränkung vom Abschluss einer Schulausbildung die Rede. Auch die Verwaltungsvorschriften sind insofern nicht eindeutig. Während sich der Ausländer nach den Vorläufigen Anwendungshinweisen des Bundesinnenministeriums zum Aufenthaltsgesetz zumindest im letzten Schuljahr befinden muss (Ziff. 25.4.1.3), sieht die Vorläufige Nds. Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz (lediglich) vor, dass sich der Ausländer "in der Regel" im letzten Schuljahr befinden muss (Ziff. 25.4.1.2.1). Ob die verbleibende Zeit der Ausbildung zu lang ist, um für einen weiteren Aufenthalt bis zum Abschluss der Schulausbildung einen dringenden persönlichen Grund annehmen zu können, ist deshalb im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung festzustellen. Das Erreichen des letzten Schuljahres ist dabei ein prägnanter, aber keineswegs stets zwingender Gesichtspunkt.

Soweit der Beklagte darauf verweist, dass auch die regelmäßig zu erfüllenden allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 5 Abs. 1 AufenthG nicht erfüllt seien, weil der Kläger insbesondere nicht im Besitz eines gültigen Passes sei, hat der Beklagte ebenfalls gemäß § 5 Abs. 3 2. Halbsatz AufenthG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob von der Erfüllung dieser Voraussetzung abgesehen werden kann. Gleiches gilt für den Sozialhilfebezug im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG.

Im Rahmen der Ermessensausübung nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG sind auch Gesichtspunkte wie die Dauer des Voraufenthalts, der Grund für die Ausreisepflicht und die Folgen einer alsbaldigen Abschiebung für den Ausländer und die Öffentlichkeit zu berücksichtigen (Nds. OVG, a. a. O. unter Hinweis auf Fleuß, a. a. O., S. 30). Dabei wird der Beklagte dem Kläger Gelegenheit zu geben haben, das Zeugnis der Fachoberschule über die Leistungen im 2. Halbjahr des 11. Schuljahres vorzulegen, um prüfen zu können, ob der Kläger die Schulausbildung weiterhin zielgerichtet und mit Aussicht auf Erfolg betreibt. Auch wird zu berücksichtigen sein, ob der Kläger weiterhin ein Daueraufenthaltsrecht geltend macht und deshalb nicht angenommen werden kann, dass er nach Abschluss der Schulausbildung freiwillig ausreisen wird (vgl. Ziffer 25.4.1.1 der Vorläufigen Nds. Verwaltungsvorschrift zum AufenthG). Ebenso ist zu beachten, ob der Kläger weiterhin bei der Beschaffung eines Passersatzes mitwirkt (vgl. Nds. OVG, a. a. O.). Zu Gunsten des Klägers werden die bereits im Rahmen der Prüfung des Vorliegens dringender persönlicher Gründe i. S. d. § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG angeführten Gesichtspunkte in die Entscheidung einzubeziehen sein. Im Rahmen der Ermessensausübung nach § 5 Abs. 3 2. Halbsatz AufenthG ist hinsichtlich des Bezuges von Sozialhilfe zu bedenken, dass derjenige, der einen Schulabschluss machen will, oftmals seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln wird sichern können, so dass ein Abgehen von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nahe liegt (so bereits Nds. OVG, a. a. O. unter Hinwies auf Heinholdt, a. a. O., S. 12).