Kein Flüchtlingsschutz wegen Übertritts zum Christentum, da im Iran das "religiöse Existenzminimum" gewährleistet ist; keine Anwendung von Art. 10 Abs. 1 Bst. b Qualifikationsrichtlinie vor Umsetzung oder Ablauf der Umsetzungsfrist, da dadurch die Umsetzung durch den Gesetzgeber vorweggenommen würde.
Kein Flüchtlingsschutz wegen Übertritts zum Christentum, da im Iran das "religiöse Existenzminimum" gewährleistet ist; keine Anwendung von Art. 10 Abs. 1 Bst. b Qualifikationsrichtlinie vor Umsetzung oder Ablauf der Umsetzungsfrist, da dadurch die Umsetzung durch den Gesetzgeber vorweggenommen würde.
(Leitsatz der Redaktion)
Unabhängig davon steht dem Kläger - nach nationalem Recht - aber auch kein Abschiebungsschutz nach § 60 Abs.1 AufenthG zu, weil ihm wegen seines Glaubenswechsels und seiner Glaubensbetätigung bei einer Rückkehr in den Iran nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht.
Nach der nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 20.01.2004 - 1 C 9.03 -) nicht zu beanstandenden Bewertung der Auskunftslage durch das OVG Bautzen vom 10.12.2002 (A 2 B 771/02) droht einem Christen, der regelmäßig in der Bundesrepublik Gottesdienste besucht hat und Gespräche mit Gleichgesinnten über die christliche Glaubenslehre geführt hat, aber nicht missionarisch tätig war, deshalb im Iran nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Bestrafung oder sonstige Verfolgung.
Der weitere Vortrag des Klägers, er werde sich im Falle einer Rückkehr in den Iran für seinen Glauben in der Öffentlichkeit betätigen, ist asylrechtlich bzw. im Hinblick auf die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG unerheblich. Glaubensbetätigungen in der Öffentlichkeit einschließlich der Missionierung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zum religiösen Existenzminimum. Insbesondere wenn ein Staat seine Existenz auf eine bestimmte Religion gründet - wie dies im Iran der Fall ist -, sind Maßnahmen, die er zur näheren Definition und Abgrenzung der Zugehörigkeit zu dieser Staatsreligion sowie zu deren Schutz ergreift, ungeachtet ihres Eingriffs in die Religionsfreiheit solange nicht als Verfolgung anzusehen, als sie das von der Menschenwürde gebotene religiöse Existenzminimum belassen (BVerwG. Urt. v. 20.01.2004).
Für den Kläger ist vor diesem Hintergrund als Apostat bei einer Rückkehr in den Iran auch das religiöse Existenzminimum gewährleistet.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs.5 AufenthG (zum entsprechenden Schutzumfang des zum menschenrechtlichen Mindeststandard gehörenden Kerns der Religionsfreiheit nach Art. 9 EMRK vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2000 - BVerwG 9 C 34.99 - BVerwGE 111, 223 (229 f.)).
Darüber hinaus kann dem Kläger auch auf der Grundlage von Artikel 10 Abs.1 b der Richtlinie 2004/83/EG weder ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs.1 AufenthG noch nach § 60 Abs.5 bzw. Abs.7 AufenthG zugesprochen werden. Die Voraussetzungen, unter denen sich ein Einzelner vor einem nationalen Gericht gegenüber dem Staat unmittelbar auf die Bestimmungen einer Richtlinie berufen kann, liegen hier nicht vor, weil die Umsetzungsfrist der Richtlinie gemäß Artikel 38 Abs.1 der Richtlinie erst am 10.10.2006 abläuft (vgl. Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Urt. v. 04.05.2005 - A 2 B 524/04 -). Darüber hinaus gebietet es auch die zu beachtende Vorwirkung von EG-Richtlinien nicht, Artikel 10 Abs.1 b der Richtlinie bei der Auslegung der nationalen Vorschriften auf Gewährung von Abschiebungsschutz - sei es nach § 60 Abs.1 AufenthG, sei es nach § 60 Abs.5 oder 7 AufenthG - zu berücksichtigen.
Es ist anerkannt, dass auch mitgliedstaatliche Gerichte ab Inkrafttreten einer Richtlinie bis zur Verkündung des nationalen Umsetzungsgesetzes bzw. zum Ablauf der Umsetzungsfrist alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen haben, um sicherzustellen, dass die in der Richtlinie vorgeschriebenen Ziele im Umsetzungszeitpunkt erreicht werden.
Auch sie dürfen diese Ziele nicht unterlaufen und keine vollendeten Tatsachen schaffen, die die Erfüllung der durch eine Richtlinie begründeten mitgliedstaatlichen Pflichten unmöglich machen (vgl. etwa VGH Bad.-Wütt, Beschl. v. 12.05.2005 - A 3 S 358/05 - zitiert nach juris).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsgrundsätze kann die gemeinschaftsrechtliche Vorwirkung nicht bei der hier streitgegenständlichen Gewährung von Abschiebungsschutz berücksichtigt werden. Denn dies käme einer Vorwegnahme von Artikel 10 Abs.1 b der Richtlinie 2004/84/EG gleich. Zur Umsetzung von gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien ist aber in erster Linie der Gesetzgeber aufgerufen, erst in zweiter Linie haben dann die Gerichte diese bei ihrer Auslegung zu berücksichtigen. Dabei ist hier auch einzustellen, dass Artikel 10 Abs.1 b der Richtlinie sehr unbestimmt ist und dem nationalen Gesetzgeber einen beachtlichen Spielraum bei der Umsetzung lässt.
Vor dem Hintergrund dieses Wortlautes hat zunächst der Gesetzgeber zu entscheiden, in welchem Umfang die in Artikel 10 b der Richtlinie enthaltene Definition des Begriffs der Religion bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach nationalem Recht berücksichtigt wird. Damit ist zunächst der Gesetzgeber innerhalb der Umsetzungsfrist aufgerufen, darüber zu entscheiden, ob nicht nur etwa die Teilnahme an öffentlichen Gottesdienstes, sondern tatsächlich auch Missionierungsaktivitäten im Sinne von Artikel 10 Abs.1 b der Richtlinie unter "religiöse Riten" im öffentlichen Bereich zu subsumieren sind, ob als "öffentlicher Bereich" insoweit möglicherweise nur das religiöse Bekenntnis im nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum religiösen Existenzminimum verstanden werden könnte, oder ob Missionierungsaktivitäten nicht allein unter dem Begriff der "sonstigen religiösen Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind", zu fassen sind, und ob solche Betätigungen nicht auf den privaten Bereich beschränkt werden dürfen, weil diesbezüglich der öffentliche Bereich in der Qualifikationsrichtlinie nicht mehr explizit genannt wird (vgl. dazu auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.05.2005, aaO.).