VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Urteil vom 20.01.2006 - 5 UE 977/04.A - asyl.net: M7918
https://www.asyl.net/rsdb/M7918
Leitsatz:
Schlagwörter: Jemen, Krankheit, Abschiebungshindernis, psychische Erkrankung, posttraumatische Belastungsstörung, Situation bei Rückkehr, Suizidgefahr, Retraumatisierung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Nach der im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 Satz 2 Asylverfahrensgesetz - AsylVfG -) hat der Kläger einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 AufenthG, der mit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 gemäß Art. 15 Abs. 3 dieses Gesetzes am 1. Januar 2005 an die Stelle des § 53 Abs. 6 AuslG getreten ist.

Unter Beachtung dieser Grundsätze liegt ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in der Person des Klägers vor. Ausweislich des fachpsychologischen Gutachtens des Dipl.-Psych. Dr. ... vom 1. Juni 2005 leidet der Kläger unter einer posttraumatischen Belastungsstörung (F 43.1) sowie unter einer Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung (ICD 10 F 62.0). Begleitet wird das Zustandsbild durch eine schwere Episode mit psychotischen Anteilen, innerhalb derer auch Erinnerungen halluziniert werden bzw. der Kläger einem Verfolgungswahn unterliegt. Zum anderen leidet der Kläger unter einer dissoziativen Störung (F 44) mit häufig auftretender passageren Abwesenheitszuständen.

Aufgrund der Darlegungen des Sachverständigengutachtens steht zur Überzeugung des erkennenden Gerichts auch fest, dass der Kläger im Falle seiner zwangsweisen Rückführung in den Jemen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf eine solche Situation mit autoaggressiven und gegebenenfalls fremdgefährdenden Handlungen reagieren wird, die einen tödlichen Ausgang zur Folge haben können, und zwar selbst dann, wenn die Behandlungsmöglichkeiten für die Erkrankung im Jemen grundsätzlich hinreichend wären, Dies beruht darauf - was der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung zur Erläuterung seines Gutachtens nochmals anschaulich dargelegt hat - dass der Kläger in seinem Heimatland zwangsläufig mit Begebenheiten und Erscheinungen konfrontiert sein wird, die er mit der erlittenen Folter assoziiert. Derartige Assoziationen - die durch Uniformen, aber auch sprachliche Dialekte, Bilder oder Ereignisse hervorgerufen werden können - sind geeignet, die programmierten traumatisierenden Erlebnisse zu aktivieren. Zwangsläufige Folge sind Panik und massive (Todes-)Angst, die - so die nachvollziehbare Folgerung des Sachverständigen - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit autoaggressive bzw. fremdgefährdende Handlungen nach sich ziehen würden. Derartige Situationen lassen sich - so die weiteren nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen - auch bei gut dosierter Medikation nicht verhindern.