VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.11.2005 - 13 S 2223/04 - asyl.net: M8004
https://www.asyl.net/rsdb/M8004
Leitsatz:

Die Anspruchseinbürgerung ist auch bei Maßregeln der Besserung und Sicherung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 StAG ausgeschlossen (hier: Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus).

 

Schlagwörter: Einbürgerung, Anspruchseinbürgerung, Straftat, Verurteilung, Maßregeln der Besserung und Sicherung, Bundeszentralregister, Tilgung, Ermessenseinbürgerung, Ausweisungsgrund
Normen: StAG § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5; StGB § 61; StGB § 63; StGB § 69; StAG § 12a; BZRG § 41 Abs. 1 Nr. 6; BZRG § 4; BZRG § 46; BZRG § 46 Abs. 1 Nr. 1; StAG § 8; AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 2
Auszüge:

Die Anspruchseinbürgerung ist auch bei Maßregeln der Besserung und Sicherung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 StAG ausgeschlossen (hier: Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus).

(Leitsatz der Redaktion)

 

Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung ist § 10 Abs. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) in der Fassung des Zuwanderungsgesetzes vom 30.7.2004 (BGBl. IO S. 1950), da er den Antrag auf Einbürgerung nach dem 16.3.1999 gestellt hat (vgl. § 40 c StAG; zur Zulässigkeit der Erteilung einer Einbürgerungszusicherung VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6.7.1994 - 13 S 2147/93 -, InfAuslR 1995, 116; BVerwG, Urteil vom 31.3.1987 - 1 C 26/86 -, NJW 1987, 2180). Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG setzt die Einbürgerung eines Ausländers voraus, dass er "nicht wegen einer Straftat verurteilt worden ist". Zu Recht haben der Beklagte und ihm folgend das Verwaltungsgericht die Auffassung vertreten, dass der Kläger diese Voraussetzung nicht erfüllt, weil das Landgericht Mannheim mit Urteil vom 14.12.1999 nach § 61 Nr. 1, § 63 StGB seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet hat. Denn auch dabei handelt es sich um eine Verurteilung wegen einer Straftat i. S. des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG.

Der Sinn des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG besteht darin, die Einbürgerung von Personen auszuschließen, die sich trotz ihres längeren Aufenthaltes nicht in die (bundesdeutsche) Gesellschaft integriert haben bzw. bei denen es an einer dauerhaften Hinwendung zur deutschen Rechtsordnung fehlt oder hieran zumindest erhebliche Zweifel bestehen. Der Staat soll von einer Verpflichtung zur Einbürgerung solcher Ausländer freigestellt werden, die mit Rücksicht auf die Begehung von gewichtigen Straftaten die deutsche Staatsangehörigkeit nicht verdienen oder bei denen dies derzeit jedenfalls als möglich erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.12.1993 - 2 BvR 2632/93 -. NJW 1994. 2016; Makarov/v.Mangoldt, a.a.O., Rnr. 45, 47 zu § 85 AuslG). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, liegt § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG vor diesem Hintergrund gerade auch die Vorstellung zu Grunde, eine Verpflichtung zur Einbürgerung eines Ausländers - und damit zu einer dauerhaften Aufenthaltsverfestigung - dann nicht entstehen zu lassen, wenn von diesem Gefahren für Rechtsgüter der Bundesrepublik Deutschland ausgehen. Dieser Gesetzeszweck spricht dafür, auch die Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung als Verurteilung wegen einer Straftat i. S. des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG anzusehen. Für die Frage, ob von einem Ausländer, der gegen eine Strafvorschrift verstoßen hat, eine Gefahr für Rechtsgüter ausgeht, kommt es nämlich nicht entscheidend darauf an, ob dieser schuldhaft gehandelt hat. Vielmehr kann eine solche Gefahr - wie auch im vorliegenden Fall - beispielsweise auch beim Vorliegen einer krankheitsbedingten Schuldunfähigkeit bestehen. Dies wird gerade daran deutlich, dass eine Maßregel der Besserung und Sicherung nur angeordnet werden kann, wenn vom Täter infolge seines Zustandes eine Gefahr ausgeht (vgl. §§ 63, 64 Abs. 1, 66 Abs. 1 Nr. 3, 68 Abs. 1, 69 Abs. 1 und 70 Abs. 1 StGB).

Gestützt wird diese vom strafrechtlichen Begriffsverständnis abweichende, weitere Auslegung auch durch die Vorschriften des Bundeszentralregistergesetzes, welche im Zusammenhang mit einer Einbürgerung deshalb von besonderer Bedeutung sind, weil dessen Auskunftsregelungen auch die Einbürgerungsbehörden betreffen (vgl. § 41 Abs. 1 Nr. 6 BZRG). So nennt § 4 BZRG unter der Überschrift "Verurteilungen" u.a. die Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung (§ 4 Nr. 2 BZRG). Zudem geht § 46 Abs. 1 Nr. 1 g BZRG davon aus, dass es sich bei der dort u.a. genannten Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB) um eine Verurteilung handelt; gleiches gilt z.B. für § 32 Abs. 2 Nr. 8 und § 49 Abs. 1 Satz 3 BZRG.