Keine mittelbare Gruppenverfolgung von Yeziden in der Türkei mehr (Änderung der Rechtsprechung des Gerichts).
Keine mittelbare Gruppenverfolgung von Yeziden in der Türkei mehr (Änderung der Rechtsprechung des Gerichts).
(Leitsatz der Redaktion)
Die Klägerin wird in der Türkei nicht i.S. v. § 60 Abs. 1 AufenthG verfolgt, wobei allein eine von der Klägerin geltend gemachten Gruppenverfolgung der Yeziden in der Türkei in Betracht zu ziehen ist.
Das erkennende Gericht ist seit Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts davon ausgegangen, dass ihren Glauben praktizierende Yeziden in ihren angestammten Siedlungsgebieten im Südosten der Türkei wegen ihrer Religionszugehörigkeit einer mittelbaren Gruppenverfolgung durch die muslimische Mehrheitsbevölkerung ausgesetzt waren (vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Januar 1993 - 25 A 10241/88 -).
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, Yeziden seien einer Vielzahl von Übergriffen wie Mord, Vergewaltigung, Entführung, Raub, Viehdiebstahl sowie Zerstörung des Eigentums ausgesetzt. Diese Verfolgungsschläge fielen nach ihrer Intensität und Häufigkeit so dicht und eng gestreut, dass bei objektiver Betrachtung für jedes Mitglied dieser Gruppe die Furcht begründet sei, selbst ein Opfer solcher Verfolgungsmaßnahmen zu werden. Die Übergriffe der Moslems seien dem türkischen Staat zuzurechnen. Er nehme die asylrelevante Verfolgung der Yeziden hin und versage den Yeziden den erforderlichen Schutz, obwohl er in der Lage sei, sein legitimes Gewaltmonopol auch im Südosten der Türkei zu verwirklichen. An dieser Bewertung hat das Gericht auch im Jahre 2003 noch festgehalten (vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 6. Februar 2003 - 8 A 3059/01.A -).
Nach erneuter Überprüfung besteht zum jetzigen Zeitpunkt keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass Yeziden einer asylerheblichen Gruppenverfolgung in der Türkei ausgesetzt sind. Soweit die Angehörigen der Gruppe überhaupt von Verfolgungsschlägen getroffen werden sollten, fallen diese jedenfalls nicht mehr so dicht und eng gestreut, dass für jedes Gruppenmitglied die Furcht begründet ist, in eigener Person Opfer der Übergriffe zu werden.
Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sind auch dann nicht gegeben, wenn in der Türkei yezidische Gemeinden sowie die für die Murids zuständigen Sheiks bzw. Pirs nicht oder nur eingeschränkt vorhanden sein sollten.
Eine asylerhebliche Verletzung des religiösen Existenzminimums droht der Klägerin im Falle der Rückkehr in die Türkei nicht. Dabei verkennt der Senat nicht die Bedeutung, die der religiösen Betreuung durch einen Sheikh und einen Pir für ein funktionierendes Gemeindeleben der Yeziden zukommt. Nicht jede Beeinträchtigung eines funktionierenden Gemeindelebens führt jedoch bereits zu einer Verletzung des religiösen Existenzminimums.