VG Arnsberg

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Zitieren als:
VG Arnsberg, Urteil vom 23.02.2006 - 7 K 318/05.A - asyl.net: M8071
https://www.asyl.net/rsdb/M8071
Leitsatz:

Kein Widerruf der Flüchtlingsanerkennung eines vorverfolgten Anhängers der Frente de Libertação do Estado de Cabinda (FLEC) in Angola.

 

Schlagwörter: Angola, Widerruf, Flüchtlingsanerkennung, Ermessen, FLEC, Frente de Libertação do Estado de Cabinda, Cabinda, Mitglieder, Sympathisanten, exilpolitische Betätigung, FLEC-BRD, Situation bei Rückkehr, Grenzkontrollen
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1; AsylVfG § 73 Abs. 2a; AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Kein Widerruf der Flüchtlingsanerkennung eines vorverfolgten Anhängers der Frente de Libertação do Estado de Cabinda (FLEC) in Angola.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der angefochtene Bescheid ist aus mehreren Gründen rechtswidrig.

Zum einen hat das Bundesamt nicht berücksichtigt, dass § 73 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung des Art. 3 Nr. 46 des Zuwanderungsgesetzes auf den vorliegenden Fall anzuwenden war, da die Widerrufsentscheidung am "4. Februar 2005" erfolgt ist.

Gemäß § 73 Abs. 2 a Satz 1 AsylVfG hat u.a. die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf nach Abs. 1 vorliegen spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung zu erfolgen. Gemäß § 73 Abs. 2 a Satz 3 AsylVfG steht eine spätere Entscheidung über einen Widerruf im Ermessen der Behörde.

Darüber hinaus ist das Bundesamt bei, der Einleitung des Widerrufsverfahrens von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Denn die Einleitung des Widerrufsverfahrens wurde ausweislich des Anhörungsschreibens vom 12. Oktober 2004 darauf gestützt, dass sich der Kläger im Ausgangsverfahren auf eine Unterstützung der "UNITA" berufen habe und dass sich aufgrund des unterzeichneten Waffenstillstandabkommens zwischen der Regierung und den UNITA-Rebellen vom 4. April 2002 die Sachlage hinsichtlich seiner Person geändert habe (vgl. Bl. 6 der Beiakte Heft 1). Tatsächlich hatte sich der Kläger im Ausgangsverfahren aber auf eine Verfolgung wegen seiner Mitgliedschaft und Tätigkeit in der "FLEC" berufen und auch der Bescheid vom 19. November 1998 ist hierauf gestützt worden.

Der Widerruf der Feststellung des § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt § 60 Abs. 1 AufenthG) bedarf einer nachträglichen Änderung der für die positive asylrechtliche Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage. Hierzu müssen sich die tatsächlichen Verhältnisse so einschneidend und dauerhaft geändert haben, dass der Betroffene mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vor einer neuen Verfolgung sicher ist und daher ohne Verfolgungsfurcht heimkehren kann (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 18. Februar 1997 - 9 C 9.96 -, in: Entscheidungen des BVerwG (BVerwGE) Band 104, S. 97 (99)).

Diese Voraussetzungen liegen indes nicht vor.

Das Waffenstillstandsabkommen vom 4. April 2002 betraf einerseits die MPLA als Regierungspartei und die Rebellenvereinigung UNITA. Die FLEC war - entgegen der Ansicht des Bundesamtes - in dieses Waffenstillstandsabkommen nicht eingebunden (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Angola vom 18. April 2005).

Hiervon ausgehend lässt sich jedenfalls eine generelle landesweite und undifferenzierte Verfolgung von einfachen Mitgliedern und Sympathisanten der FLEC durch den angolanischen Staat nicht feststellen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Angola vom 18. April 2005; hierzu auch: OVG NRW, Beschluss vom 17. Juni 1999 - 1 A 2541/99.A -; siehe auch: BVerwG, Beschluss vom 1. März 2002 - 1 B 352.01 -).

Zu dem vorgenannten Personenkreis gehört im vorliegenden Einzelfall der Kläger aber gerade nicht.

Das Bundesamt hat in seinem Bescheid vom 19. November 1998 wegen der politischen Aktivitäten des Klägers für die FLEC selbst eine Vorverfolgung des Klägers angenommen. Schon vor diesem Hintergrund kann der Kläger nicht mit dem vorbezeichneten Personenkreis gleichgesetzt werden. Hinzu kommt, dass im Falle der Rückkehr des Klägers nach Angola auch dem angolanischen Staat spätestens bei der Einreisekontrolle der Aufenthaltsgrund in der Bundesrepublik Deutschland bekannt wird. Hierin reiht sich dann weiter das politische Engagement des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland für die FLEC-BRD ein.