LSG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.05.2006 - L 20 B 9/06 AY ER - asyl.net: M8223
https://www.asyl.net/rsdb/M8223
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, Rechtsmissbrauch, Aufenthaltsdauer, freiwillige Ausreise, Wiedereinsetzungsantrag, Wiederaufgreifen des Verfahrens, Asylverfahren, Iran, Passbeschaffung, Freiwilligkeitserklärung, Zumutbarkeit, Abschiebungshindernis, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung, Eilbedürftigkeit
Normen: AsylbLG § 2 Abs. 1; SGG § 86b Abs. 2
Auszüge:

Der Erlass der einstweiligen Anordnung ist hier erforderlich, um den Lebensunterhalt der Antragstellerin zu sichern. Der Senat hat insoweit bereits wiederholt entschieden, dass der Erlass der begehrten Anordnung auf Gewährung von Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) dann nicht mit der Begründung versagt werden kann, es liege kein Anordnungsgrund vor, wenn der Anordnungsanspruch nach dem Ergebnis der summarischen Prüfung nicht zweifelhaft ist (vgl. Beschlüsse des Senats vom 23.01.2006, Az.: L 20 B 15/05 AY ER; und 15.03.2006, Az. L 20 B 8/06 AY ER).

Hinsichtlich des Anordnungsanspruchs greift die Argumentation der Antragsgegnerin, die ausdrücklich und wiederholt erklärte Weigerung der Antragstellerin, bei der Beschaffung (iranischer) Reisedokumente mitzuwirken, rechtfertige die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Dauer ihres Aufenthalts im Sinne des 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles zu kurz.

Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass der Rechtsmissbräuchlichkeit nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung bereits der Umstand entgegensteht, dass die Antragstellerin derzeit beim Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen (Az.: ...), eine gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Klage betreibt, mit der sie in der Folge eines Wiederaufgreifensantrages verbunden mit dem Antrag auf Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 2 und 4 Ausländergesetz (AuslG) vom 07.05.2004 jetzt das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG festzustellen begehrt.

Für dieses Verfahren hat das VG Gelsenkirchen mit Beschluss vom 26.11.2005 Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und ist in weitere Ermittlungen, eingetreten. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, dass der verwaltungsgerichtlichen Klage von vornherein jede Aussicht auf Erfolg abgesprochen werden kann.

Angesichts dieser Umstände erscheint die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Antragstellerin auch unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der an sich gebotenen Mitwirkungshandlung (vgl. § 82 AufenthG) nicht gerechtfertigt (vgl. auch GK-AsylbLG, Loseblattsammlung Stand November 2005, § 1 a RdNr. 131 unter Verweis auf VG Frankfurt, Beschluss vom 02.06.1999, Az.: 3 G 757/99).

Daher kann dahin stehen, ob das bisherige Verhalten der Antragstellerin für die Dauer des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt beeinflusst hat. Insoweit reicht es nämlich nicht aus, dass die Antragstellerin ein abstrakt für die Verlängerung geeignetes Verhalten an den Tag legt, wenn sich dieses konkret aufgrund anderer Umstände als zur Beeinflussung der Dauer des Aufenthalt ungeeignet erweist, etwa weil eine Ausreise aus von ihr nicht im Sinne des § 2 AsylbLG zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Dass schließlich ein rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne von § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht alleine in dem Umstand gesehen werden kann, dass die Antragsteller bisher nicht freiwillig ausgereist sind, hat der Senat bereits wiederholt - auch in die Antragsgegnerin betreffenden Rechtsstreiten - entschieden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführung im Beschluss vom 23.01.2006 (a.a.O) verwiesen (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20.12.2005, Az.: L 7 AY 51/05; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07.03.2006, Az. L 8 B 13/05 AY ER -; OVG Bremen, Beschluss vom 09.09.2005, Az.: 2 B 177/05). Der Senat hat keine Veranlassung, von seiner ständigen Rechtsprechung abzugehen.