Inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, wenn zwar ein drohender Suizid eines psychisch kranken Ausländers durch abschiebungsbegleitende Maßnahmen verhindert werden könnte, aber die Abschiebung oder die begleitenden Maßnahmen eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes herbeiführen würden.
Inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, wenn zwar ein drohender Suizid eines psychisch kranken Ausländers durch abschiebungsbegleitende Maßnahmen verhindert werden könnte, aber die Abschiebung oder die begleitenden Maßnahmen eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes herbeiführen würden.
(Leitsatz der Redaktion)
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie wurde zwar zunächst entgegen § 67 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO nicht von einem Rechtsanwalt oder einem Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule eingelegt, jedoch lief die Beschwerdefrist nicht, weil die Rechtsmittelbelehrung unrichtig erteilt worden ist (§ 58 Abs. 1 VwGO). Die Beschwerde konnte deshalb noch nach Ablauf der 14-tägigen Beschwerdefrist des § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO eingelegt werden.
1.1 Entgegen der Rechtsauffassung des Antragsgegners war die von einem Sachbearbeiter des Landratsamtes beim Verwaltungsgericht München eingelegte Beschwerde unzulässig.
Gemäß § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist die Beschwerde bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen; Satz 2 bestimmt, dass § 67 Abs. 1 Satz 2 VwGO unberührt bleibt. § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO wiederum schreibt vor, dass sich vor dem Oberverwaltungsgericht, also auch vor dem Bayer. Verwaltungsgerichtshof, jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule als Bevollmächtigten vertreten lassen muss. Hierauf stützt sich der Antragsgegner, wenn er vorträgt, die Beschwerde sei beim Verwaltungsgericht eingelegt und es sei im Beschwerdeschriftsatz kein Antrag gestellt worden. Letzteres trifft zwar zu, jedoch ist § 67 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu beachten, auf den in § 147 Abs. 1 Satz 2 VwGO ausdrücklich hingewiesen wird. § 67 Abs. 1 Satz 2 bestimmt nämlich, dass der Vertretungszwang durch einen Rechtsanwalt auch für die Einlegung der Revision ... und für den Antrag auf Zulassung der Berufung sowie für Beschwerden gilt.
1.2 Mit Schriftsatz vom 29. August 2005 hat der Antragsgegner, vertreten durch einen Oberlandesanwalt, einem Beamten mit Befähigung zum Richteramt (vgl. § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO) dann ordnungsgemäß Beschwerde erhoben.
1.3 Die am 30. August 2005 beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingegangene Beschwerde ist auch rechtzeitig erhoben worden. Zwar wurde die Beschwerdebegründung erst nach Ablauf der Einlegungsfrist des § 147 Abs. 1 Satz 1, d.h. später als zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung, beim Bayer. Verwaltungsgerichtshof eingereicht, jedoch hat die gesetzliche Frist für die Einlegung der Beschwerde nicht zu laufen begonnen. Insoweit hat der Antragsgegner zu Recht darauf verwiesen, dass die dem angefochtenen Beschluss beigefügte Rechtsmittelbelehrung irreführend ist (§ 58 Abs. 1 VwGO). Die Rechtsmittelbelehrung ist zwar nicht falsch in dem Sinne, dass sie unrichtige Hinweise enthält. In ihr wird jedoch darauf hingewiesen, dass vor dem Bayer. Verwaltungsgerichtshof Vertretungszwang besteht. Zwar bedarf es keines Hinweises auf einen etwaigen Vertretungszwang im höheren Rechtszug. Eine Rechtsmittelbelehrung ist deshalb nicht unrichtig, wenn sie keinen Hinweis auf den gemäß § 67 Abs. 1 VwGO geltenden Vertretungszwang enthält (BayVGH vom 14.10.2002 a.a.O.; Beschluss vom 9.3.2005 Az. 14 C 05.35). Ist aber in der Rechtsmittelbelehrung gleichwohl ein Hinweis auf den Vertretungszwang enthalten, so muss dieser vollständig sein und vor allem darauf aufmerksam machen, dass der Vertretungszwang bereits bei der Einlegung der Beschwerde einsetzt. Ein solcher Hinweis fehlt hier (BayVGH vom 9.3.2005 Az. 14 C 05.35).
2. Die Beschwerde gegen die Nrn. I und II des angefochtenen Beschlusses hat keinen Erfolg, wobei allerdings die Weitergeltung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts davon abhängig zu machen war, dass alsbald ein Hauptsacheverfahren anhängig gemacht wird. Das Verwaltungsgericht ist in der angefochtenen Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragsteller sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch auf - allerdings vorläufige Erteilung von Duldungen gemäß § 60 a AufenthG glaubhaft gemacht haben (§ 123 Abs. 3 i.V. mit § 920 Abs. 2, § 294 ZPO).
2.1 Das Verwaltungsgericht stützt den Erlass der von den Antragstellern begehrten einstweiligen Anordnung insbesondere darauf, dass die suizidgefährdete Antragstellerin zu 1 nur durch besondere Vorkehrungen während der Abschiebung von einer Selbsttötung abgehalten werden kann. Die hierfür vorgesehenen Maßnahmen des Landratsamtes hält das Verwaltungsgericht für unvereinbar mit der im Grundgesetz niedergelegten Würde des Menschen und befürchtet, dass insbesondere durch die angekündigte Sicherungshaft eine erhebliche weitere Gesundheitsgefährdung der Antragstellerin zu 1 erfolgen könnte. Diese Würdigung des Verwaltungsgerichts steht nicht im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs, wie der Antragsgegner annimmt. Er weist zwar zu Recht darauf hin, dass der Verwaltungsgerichtshof (z.B. Beschluss vom 27.5.2004 Az. 10 CE 04.1184) mit dem Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfG vom 26.2.1998 InfAuslR 1998, 241; vom 16.4.2002 NVwZ 2002, 91 = InfAuslR 2002, 415) in Fällen der Suizidalität des abzuschiebenden Ausländers der Behörde die Wahlmöglichkeit offen lässt, ob sie derartigen Gefahren entweder durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung ("Duldung") oder durch eine entsprechende tatsächliche Gestaltung der Abschiebung angemessen begegnet. Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben. Die Antragstellerin zu 1 ist offensichtlich nicht allein deshalb suizidgefährdet, weil sie mit ihrer Familie in den Kosovo zurückkehren soll, sondern weil sie bereits seit mehreren Jahren an schweren psychischen Erkrankungen leidet. Der Abschiebung steht deshalb nicht ausschließlich die Gefahr eines Suizids entgegen, die durch geeignete Maßnahmen verhindert werden könnte, sondern das Verwaltungsgericht ging zu Recht auch von der Gefahr einer erheblichen weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Antragstellerin zu 1 durch eine vorherige Inhaftierung der Antragsteller zum Zwecke der Abschiebung (Sicherungshaft) aus.
Aus den dargelegten Gründen kommt es für die Entscheidung des Senats demzufolge weder darauf an, ob eine Behandlung der Antragstellerin im Kosovo möglich ist noch ist ausschlaggebend, ob die Maßnahmen während des Abschiebevorganges zur Verhinderung eines Suizids hinnehmbar sind oder die Antragstellerin zu 1 in ihrer Menschenwürde unverhältnismäßig beeinträchtigen können. Vielmehr stellt der Senat ausschließlich darauf ab, ob eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Antragstellerin zu 1 allein durch die Abschiebung bzw. durch die eine Abschiebung ohne Suizid gewährleistenden Maßnahmen zu befürchten ist und damit die Voraussetzungen für die Erteilung einer Duldung gemäß § 60 a AufenthG i.V. mit Art. 2 Abs. 2 GG gegeben sind.