VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Urteil vom 22.02.2006 - 8 K 3527/03.A - asyl.net: M8348
https://www.asyl.net/rsdb/M8348
Leitsatz:
Schlagwörter: Eritrea, exilpolitische Betätigung, Überwachung im Aufnahmeland, Oppositionelle, Festnahme, Situation bei Rückkehr, ELF-RC, Eritrean Liberation Front - Revolutionary Council, EDP, Eritrean Democratic Party
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Feststellung, dass in ihrem Fall die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.

Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin Eritrea aus begründeter Furcht vor politischer Verfolgung verlassen hat, denn es steht ihr aufgrund ihrer exilpolitischen Betätigung jedenfalls ein sog. Nachfluchtgrund zur Seite.

Seit September 2001 hat die eritreische Regierung verstärkt begonnen, Inhaber abweichender Meinungen zu inhaftieren. Die eritreische Regierung reagiert derzeit äußerst aggressiv auf gegen sie gerichtete Kritik, sei es innerhalb oder außerhalb von (Exil-) Oppositionsparteien (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft an VG Aachen vom 9. Februar 2005; AA, Auskunft vom 28. Mai 2002 an VG Würzburg).

Über ihre diplomatischen Vertretungen in der Bundesrepublik Deutschland (Botschaft in Berlin, Konsulat in Frankfurt) hat die eritreische Regierung ihre Überwachungsaktivitäten bzgl. der in Deutschland lebenden Eritreer in den vergangenen Jahren noch verstärkt. Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass Spitzel eingesetzt werden, um herauszufinden, wer mit den verschiedenen oppositionellen Gruppierungen sympathisiert (vgl. Institut für Afrikakunde, Auskunft an das VG Kassel vom 30. April 2004, a.i., Auskunft an das VG München vom 23. März 2005).

Soweit eritreische staatliche Stellen durch ihre Sicherheitsbehörden Kenntnis von Mitgliedern und deren Tätigkeiten innerhalb von regierungsoppositionellen Organisationen (Parteien) erhalten, werden diese registriert und aufgezeichnet.

Es ist wahrscheinlich, dass eritreische Oppositionelle bei der Rückkehr in ihr Heimatland Repressionen ausgesetzt sind Sie müssen mit einer sofortigen Festnahme rechnen, sobald sie eritreischen Boden betreten. Das Ausmaß der Repressionen variiert und ist unter anderem abhängig davon, in welcher Oppositionspartei oder oppositionellen Vereinigung eine Mitgliedschaft bestand bzw. besteht. Mitglieder islamischer Oppositionsorganisationen sind schwereren Repressionen ausgesetzt. Dazu gehört auch die 1969 von eritreischen Moslems gegründete und stark islamisch ausgerichtete ELF-RC (Bundesnachrichtendienst, Auskunft an VG München vom 10. Februar 2005).

Gleiches gilt für die "Eritrean Democratic Party" (EDP).

Vorliegend muss bei dieser Auskunftslage davon ausgegangen werden, dass die Mitgliedschaft der Klägerin in der EDP und ihre Teilnahme an den Parteiveranstaltungen über das vorhandene Informantensystem zur Kenntnis der eritreischen Regierung gelangt ist und im Falle der Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu politischer Verfolgung führen würde.