LG Nürnberg-Fürth

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Zitieren als:
LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 09.02.2006 - 18 T 108/06 - asyl.net: M8385
https://www.asyl.net/rsdb/M8385
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Abschiebungshaft, Haftgründe, Entziehung, Abschiebung, Erreichbarkeit, Ausländerbehörde, Melderegister, Anmeldung, Entziehungsabsicht
Normen: AufenthG § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 4; AufenthG § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; AufenthG § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5
Auszüge:

Das Rechtsmittel ist auch begründet. Der Betroffene zieht diese Ausreisepflicht selbst nicht in Zweifel. Er kann jedoch zur Vorbereitung der beabsichtigten Abschiebung nur in Haft genommen werden, wenn einer der in § 62 Abs. 2 AufenthG genannten Haftgründe vorliegt. Weder die vom Amtsgericht Fürth in seinem Beschluss vom 13.01.2006 bezeichneten Haftgründe noch ein sonstiger Haftgrund liegen jedoch tatsächlich vor.

1. § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG kommt nur in Betracht, wenn die Ausländerbehörde nach Vorliegen aller Voraussetzungen für die Abschiebung die zwangsweise Durchsetzung der Ausreisepflicht tatsächlich durchführen wollte und der betroffene Ausländer die Abschiebung als solche verhindert hat; es muss also eine konkret geplante Zwangsmaßnahme vereitelt worden sein (OLG Frankfurt FG-Prax. 1995, 81; OLG Karlsruhe NVwZ-Beilage 2001, 38).

2. In Betracht kommt allerdings der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, den das Amtsgericht in seinem Beschluss ebenso wenig wie die Stadt ... in ihrem Haftantrag genannt hat, auf den die Kammer eine Zurückweisung der Beschwerde aber gleichwohl stützen könnte (OLG Hamm, OLGR 2004, 104; OLG München, Beschluss vom 09.11.2005, 34 Wx 151/05).

Der Betroffene ist nach dem Vortrag der Stadt ... nach dem 10.08.2005 für die Ausländerbehörde des Landkreises ..., die damals für ihn zuständig war, nicht mehr erreichbar gewesen, weil er sich - wie er bei seiner Anhörung selbst geschildert hat - etwa um diese Zeit, wohl am 12.08.2005, nach N. begeben hat, ohne seinen dortigen Aufenthaltsort der Behörde bekannt zu geben.

Der Tatbestand des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG enthält jedoch auch eine subjektive Komponente (BayObLGZ 1997, 260), nämlich den Vorsatz des Ausländers, sich durch das Verheimlichen seines Aufenthaltsortes einer zu erwartenden Abschiebung zu entziehen. Die Erfüllung des objektiven Tatbestandes begründet zwar eine Vermutung, die Abschiebung werde ohne die Inhaftnahme erschwert, jedoch ist diese Vermutung widerlegbar. Eine solche Widerlegung kann auch dadurch geschehen, dass der Betroffene sich zu einem späteren Zeitpunkt wieder bei der Behörde meldet und sich auch sonst in einer Weise verhält, die annehmen lässt, er wolle sich aufenthaltsbeendigenden Maßnahmen der Ausländerbehörde nicht entziehen. Ein solches Verhalten kann bei dem Betroffenen festgestellt werden. Er hat sich, wenn auch möglicherweise nicht sofort nach seinem Eintreffen in N., jedoch spätestens Anfang November 2005 unter Angabe des zurückliegenden Einzugsdatums, bei dem Einwohneramt der Stadt N. angemeldet, wie sich aus einer Meldebestätigung vom 03.11.2005 ergibt. Wenn auch diese Meldungen nicht mit einer Aufenthaltsanzeige bei der Ausländerbehörde selbst gleichzusetzen sind, wurde doch die Ausländerbehörde der Stadt N. spätestens Anfang November 2005 durch den Antrag des Verfahrensbevollmächtigten vom 02.11.2005 über den Aufenthalt des Betroffenen und seiner Angehörigen im Stadtgebiet N. unterrichtet, wobei auch auf die frühere Zuständigkeit des Landratsamtes und das dort durchgeführte Abschiebungsverfahren hingewiesen wurde. Damit hätte für das Ausländeramt der Stadt N. die Möglichkeit bestanden, durch eine Anfrage bei dem Melderegister die aktuelle Anschrift des Betroffenen in N. zu ermitteln, ebenso konnte sie Verbindung zum, Landratsamt aufnehmen und gegebenenfalls in Amtshilfe für die dortige Ausländerbehörde ein erneutes Abschiebungsverfahren einleiten. Bei einer Gesamtschau dieser Vorgänge hält die Kammer eine Entziehungsabsicht des Betroffenen hinsichtlich etwaiger Abschiebungsmaßnahmen für widerlegt.