VG Oldenburg

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Zitieren als:
VG Oldenburg, Urteil vom 07.07.2006 - 7 A 3299/03 - asyl.net: M8449
https://www.asyl.net/rsdb/M8449
Leitsatz:
Schlagwörter: Togo, politische Entwicklung, exilpolitische Betätigung, Oppositionelle, Parteien, Überwachung im Aufnahmeland, UFC, Union des forces de changement, CAR, Comité d'action pour le renouveau, CDPA, Convention démocratique des peuples africains, PSR, Pacte Socialiste pour le Renouveau, ADDI, l'Alliance des Démocrates pour le Développement Intégral, UDD-Togo, Mitglieder, Situation bei Rückkehr, PDR Abtrünnigengruppe
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG liegen vor, weil dem Kläger gegenwärtig und mit Blick auf einen absehbaren zukünftigen Zeitraum (s. dazu BVerwG, Urteil vom 31. März 1981 - 9 C 286.80 -, Buchholz 402.24 Nr. 27 zu § 28 AuslG a.F.) im Falle seiner Rückkehr nach Togo mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht.

Allerdings ist das Gericht davon überzeugt, dass dem Kläger aufgrund seiner exilpolitischen Betätigung gepaart mit seiner oppositioneller Gesinnung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht, wenn er nach Togo zurückkehren muss. Die Lage für Oppositionelle in Togo ist schwierig wie lange nicht mehr. Im Einzelnen geht das Gericht von folgenden Erkenntnissen aus: (...)

Was exilpolitische Betätigung betrifft, gilt folgendes: Fest steht, dass politische Aktivitäten von Togoern und togoischen Exilorganisationen in Deutschland von togoischen Regierungskreisen umfassend beobachtet werden (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand Januar 2006, S. 14). Nach Auffassung des Auswärtigen Amtes ist das Geschehen in Deutschland für das togoische Regime von Interesse, weil durch das Tun ein negativer Einfluss auf das Bild Togos im Ausland befürchtet werde. Dieser Gesichtspunkt ist auch in früheren Stellungnahmen des UNHCR thematisiert worden.

Das Auswärtige Amt vertritt in seinem aktuellen Lagebericht die Auffassung, dass die bloße Mitgliedschaft in einer Exilorganisation keinerlei Repressionen auslöse (Lagebericht des Auswärtigen Amtes; Stand Januar 2006, S. 14). Vor dem Hintergrund der Geschehnisse in Togo seit der Amtsübernahme Faure Gnassingbes wird diese Ansicht von anderer Seite nicht geteilt. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe vertritt die Auffassung, politisch oppositionell denkende und handelnde Togoer hätten ausnahmslos mit hoher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung zu gewärtigen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Togo, Update 30. September 2005). Nach Darstellung des Instituts für Afrikakunde hingegen besteht jedenfalls für die meisten in den sogenannten radikalen Oppositionsparteien exilpolitisch tätigen Togoer mit großer Wahrscheinlichkeit die akute Gefahr, Opfer staatlicher Repression zu werden. Als radikale Oppositionspartei ausgegrenzt seien insbesondere die UFC, CAR, CDPA, PSR, ADDI und UDD-Togo (Stellungnahme vom 01. September 2005 an das VG Hamburg).

Nach alledem kommt es zur Überzeugung des Gerichts für die Wahrscheinlichkeit der Verfolgung eines nach Togo zurückkehrenden Asylbewerbers aufgrund seiner exilpolitischen Betätigung entscheidend auf die Bedeutung an, die der exilpolitischen Betätigung beizumessen ist. Gradmesser ist einerseits, ob und inwieweit der Asylbewerber und/oder die Organisation, für die er aktiv ist, eine Bedrohung des aktuellen politischen Systems darstellt (so bereits im Jahr 2004: Stellungnahme des Auswärtigen Amtes an VG Arnsberg vom 02. Februar 2004). Berücksichtigung muss insoweit finden, dass sich das Regime des Faure Gnassingbe seit Anfang letzten Jahres einer Belastungsprobe ausgesetzt sieht, die in der jüngeren Vergangenheit des Landes ihresgleichen sucht und es sich mit einem Gewaltpotential zur Wehr setzte, welches in seinem Ausmaß das Ausland überraschte. Gradmesser ist nach dem oben Gesagten aber auch, in weichem Umfang das Tun des Asylbewerbers negativen Einfluss auf das Bild der deutschen Öffentlichkeit vom Staat Togo zu nehmen geeignet ist. Dieser Gesichtspunkt hat an Bedeutung gewonnen, nachdem die politische Öffentlichkeit in Deutschland den Übergang der Macht von General Eyadema auf seinen Sohn Faure im vergangenen Jahr ausschließlich kritisch begleitet hat. Das Gericht folgt nicht der dargestellten Auffassung der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, wonach alle politisch oppositionell denkenden und handelnden Exiltogoer ausnahmslos gefährdet seien. Diese Schlussfolgerung der Schweizerischen Flüchtlingshilfe ist nicht nur nicht mit den Übrigen vorliegenden Erkenntnismitteln zu vereinbaren, sondern auch im Hinblick auf die von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe sonst erstellten Gefährdungsprofile nicht schlüssig und nachvollziehbar. Berichtet wird im genannten Togo-Update vom 30. September 2005 unter Gefährdungsprofile von gezielter Verfolgung prominenter Mitglieder der Opposition, die als ernst zu nehmende Gegner des Regimes eingestuft werden, von Repressionen in Form von gewalttätiger Unterdrückung bis hin zu Verfolgung von Mitgliedern, vermeintlichen oder wirklichen Anhängern sowie Sympathisanten der radikalen Opposition und Journalisten und Zeitungsverlegern sowie Menschenrechtsaktivisten. Weshalb vor diesem Hintergrund jegliche exilpolitische Betätigung in der Bundesrepublik zu einer Gefährdung führen sollte, ist nicht nachvollziehbar.

Mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit hat nach alledem im Falle seiner Rückkehr nach Togo derjenige Asylbewerber politische Verfolgung zu gewärtigen, der Mitglied der genannten radikalen togoischen Oppositionsparteien ist und sich über die bloße Mitgliedschaft hinaus auch tatsächlich durch Teilnahme an Mitgliedsversammlungen, Demonstrationen oder die Wahrnehmung sonstiger innerparteilicher Aufgaben exilpolitisch engagiert. Dieses exilpolitische Engagement hält das Gericht vor dem Hintergrund der jüngsten Machtkämpfe der genannten Parteien für bedeutsam. Gerade die Anhänger dieser Parteien haben sich für die Stabilität des togoischen Regimes zu einem ernster den je gewordenen Problem entwickelt und mussten im vergangenen Jahr in großer Anzahl ins Ausland fliehen, um ihre Freiheit, ihre Gesundheit oder ihr Leben zu retten. Den vorliegenden Stellungnahmen und Auskünften ist nicht zu entnehmen, dass eine maßgebliche Änderung der Gefährdungssituation dieses Personenkreises eingetreten ist. Auch der aktuelle Lagebericht des Auswärtigen Amtes steht der Einschätzung des Gerichts nicht entgegen. Dort heißt es lediglich, dass allein die Mitgliedschaft in einer exilpolitischen Organisation nicht zu einer Verfolgung in Togo führe. Hinsichtlich der Frage, welche Voraussetzungen positiv vorliegen müssen, um eine Gefährdung annehmen zu können, schweigt sich der Lagebericht aus. Die Ausführungen des Lageberichts zu den exilpolitischen Aktivitäten bewertet das Gericht deshalb auch im Lichte seiner Ausführungen zu den staatlichen Repressionen gegenüber gesellschaftspolitisch aktiven Personen. Es liegt eher nahe, dass oppositionell im Ausland für die radikalen togoischen Oppositionsparteien tätig gewordene, Togoer ebenfalls zu diesem weitgefassten Personenkreis zu zählen sind, weil erwartet werden kann, dass sie ihre oppositionellen Tätigkeiten nach der Rückkehr in ihr Heimatland fortführen werden.

Hinsichtlich der Tätigkeit für sonstige exilpolitische Organisationen kommt es mit Blick auf die von dieser Organisation ausgehende Gefährdung für das togoische Regime maßgeblich auf deren Bekanntheitsgrad und Bedeutung an, wobei auch der Einfluss, die Größe und das Ansehen der Mutterorganisation in Togo selbst von Belang sein kann. Mit Blick auf eine mögliche Ansehensschädigung des togoischen Regimes ist relevant, ob und in welchem Umfang in der deutschen Öffentlichkeit das Tun des Asylbewerbers wahrgenommen wurde.

Im Falle des Klägers ist von wesentlicher Bedeutung, dass er sich als Parteimitglied der PDR nach der Ernennung des Präsidenten dieser Partei, Zafirou Ayeva, zum Außenminister in der togoischen Regierung einer PDR Abtrünnigengruppe angeschlossen hat, die sich unter der Führung des Bassirou Ayeva formiert(e).